Report

Gesunder Start ins Leben

Deutschland steht bei der Säuglingssterblichkeit vergleichsweise schlecht da. Auch an der Betreuung durch Hebammen mangelt es. Ein Report der AOK Rheinland/Hamburg analysiert Ursachen und skizziert Lösungen. Von Thomas Rottschäfer

Säuglingssterblichkeit bringt

man nicht gerade mit Deutschland in Verbindung. Doch im europäischen Vergleich steht die Bundesrepublik keineswegs gut da. Statistisch sterben hierzulande 3,4 von 1.000 lebend geborenen Kindern im ersten Lebensjahr. In den skandinavischen Ländern ist die Zahl deutlich niedriger. Im innerdeutschen Vergleich liegt Nordrhein-Westfalen (NRW) noch über dem Bundesschnitt (siehe Grafik).

Mit Blick auf die Versorgung von Frühgeborenen plädiert die AOK für eine Anhebung der sogenannten Mindestmengen. „Frühchen“ mit einem Geburtsgewicht von unter 1.250 Gramm müssen in Deutschland in Perinatalzentren geboren und versorgt werden. Ein Zentrum muss jährlich mindestens 14 Frühchen betreuen. Die AOK Rheinland/Hamburg schlägt eine Anhebung auf wenigstens 30 Fälle pro Jahr vor. 

Strengere Mindestmengenregel.

„Für Frühgeborene ist ein Zusammenhang zwischen der Anzahl der betreuten Geburten in einer Klinik und der Sterblichkeit der Neugeborenen wissenschaftlich gut belegt“, sagte Vorstandsmitglied Matthias Mohrmann bei der Vorstellung des Themenreports in Düsseldorf. „Um die Qualität der Versorgung von Früh­geborenen und Risikoschwangeren zu verbessern, müssen wir sie auf wenige hochspezialisierte Zentren konzentrieren.“ Die AOK fordert deshalb eine ak­tive und qualitätsorientierte Krankenhaus­planung, die auch konsequent umgesetzt wird. Hier sei die Landesregierung in der Verantwortung. NRW-Gesundheits­minister Karl-Josef Laumann steht dem durchaus aufgeschlossen gegenüber. Er setzt nach eigener Aussage bei der Krankenhausplanung stärker als bisher auf Qualitätsaspekte und Zentrenbildung.

Grafik Todesfälle bei Kindern bis zum ersten Lebensjahr pro 1.000 Lebendgeburten

Eine traurige Bilanz: Hierzulande sterben mehr Säuglinge im ersten Jahr nach ihrer Geburt als in anderen europäischen Staaten. Im bundesweiten Vergleich ist die Säuglingssterblichkeit in Nordrhein-Westfalen überdurchschnittlich. Quelle: OECD 2015, IIT.NRW 2016

Zu wenig Hebammen.

Auch die Hebammenversorgung gibt laut AOK-Zahlen Anlass zur Sorge: Hebammen fehlen in der Schwangerschaftsbetreuung, in der Nachsorge und auch in den Geburtskliniken in Nordrhein-Westfalen. „Nicht einmal jedes zweite Krankenhaus beschäftigt die in medizinischen Leit­linien empfohlene Anzahl an Hebammen“, kritisierte der Vorstandsvorsitzende der AOK Rheinland/Hamburg, Günter Wältermann. In Nordrhein sei 2016 nur jede zweite Frau nach der Entbindung durch eine Hebamme betreut worden.“ Die Daten zeigen zudem, dass es stark von der Lebenssituation der Frauen und Familien abhängt, ob sie Unterstützung erhalten: Frauen, die Sozialleistungen beziehen, profitieren deutlich seltener von Geburtsvorbereitungskursen, von der aufsuchenden Wochenbettbetreuung oder Rückbildungsgymnastik als berufstätige Schwangere und Mütter.

Professorin Nicola Bauer setzt sich deshalb für eine frühe Information über die Angebote der Hebammen ein. „Schon in der Schule sollten Schwangerschaft, Geburt und Familienplanung Thema sein“, forderte die Leiterin des Studienbereichs Hebammenwissenschaft an der Hochschule für Gesundheit Bochum in Düsseldorf. „In gynäkologischen Praxen sollten Frauen gleich nach dem positiven Schwangerschaftstest Informationen zur Hebammenbetreuung erhalten oder bestenfalls direkt an eine Hebamme vermittelt werden.“

Mehr Wertschätzung für den Beruf.

„Damit mehr junge Menschen den Beruf ergreifen und ihm mit Freude nachgehen können, müssen wir die Rahmenbedingungen verbessern“, betonte Wältermann. Dazu gehören aus seiner Sicht mehr Wertschätzung, ein Arbeiten auf Augenhöhe mit Ärztinnen und Ärzten, gute Qualifizierungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie gute und moderne Arbeitsbedingungen. Weitere Ansätze seien Hebammenkreißsäle und flexiblere Einsatzmöglichkeiten in den Kliniken (Rotation), die es Hebammen ermöglichen, in der Geburtsbegleitung und in der Betreuung und Nachsorge zu arbeiten.

Themenreport „Gesunder Start ins Leben” zum Download

Thomas Rottschäfer ist freier Journalist mit Schwerpunkt Gesundheitspolitik.
Bildnachweis: Foto Startseite iStock/Daniela Jovanovska-Hristovska