Positionspapier

Kluge Köpfe für Spitzenpflege

Die Pflegeausbildung akademisieren, hausärztliche Routineaufgaben auf dem Land übernehmen – wie der Pflegeberuf weiterzuentwickeln ist, hat eine von der Robert Bosch Stiftung einberufene Expertengruppe erarbeitet. Von Otmar Müller

Praktiker, Pflegewissenschaftler,

Ärzte und Repräsentanten der Pflegeverbände – 40 Vertreter der professionellen Pflege haben in den vergangenen zwei Jahren Ideen gesammelt, wie sich die Zukunft der professionellen Pflege sichern lässt. Kürzlich präsentierte die Experten­gruppe in Berlin mit dem Manifest „Mit Eliten pflegen“ das Ergebnis ihrer Arbeit. Die Verfasser fordern darin, Pflegekräften mehr Verantwortung zu übertragen. Nur wenn der Beruf insgesamt attraktiver werde und bessere Karrierechancen biete, lasse sich genügend Fachpersonal für die Pflege gewinnen und ein Pflegenotstand abwenden.

Für eine akademische Ausbildung.

In den vergangenen Jahrzehnten ist das Umfeld von medizinischer Behandlung und Versorgung bei Pflegebedürftigkeit erheblich komplexer geworden, meint etwa Franz Wagner, Präsident des Deutschen Pflegerats und Mitglied der Expertengruppe der Robert Bosch Stiftung. Hinzu komme, dass der Bedarf an pflegerischer Leistung in den kommenden Jahren rasant ansteigen werde. Die Versorgungsqualität hänge daher vor allem von der personellen Aufstellung in der professionellen Pflege und deren Qualifikation ab: „Deutschland benötigt nicht nur mehr Fachpersonal in der professionellen Pflege, sondern auch deutlich mehr akademisch qualifizierte Pflegefach­personen in der direkten Versorgung“, so Wagner. Bereits 2012 habe der Wissenschaftsrat eine Akademisierungsquote für die Pflege von zehn bis 20 Prozent empfohlen. Davon sei Deutschland aktuell weit entfernt, so Wagner.

Das Manifest „Mit Eliten pflegen. Für eine exzellente, zukunftsfähige Gesundheitsversorgung in Deutschland“ der Robert Bosch Stiftung nimmt Bezug auf die 1992 erschienene Denkschrift der Stiftung „Pflege braucht Eliten“. Darin forderten die Verfasser mit Bezug auf den damaligen Pflegenotstand eine Reform der Aus- und Weiterbildung in der Pflege. Durch eine universitär organisierte Ausbildung sollte der Pflegeberuf wettbewerbsfähig, im internationalen Vergleich anschlussfähig und auf die Herausforderungen des demografischen Wandels vorbereitet werden. Die damalige Denkschrift „Pflege braucht Eliten“ gab den Anstoß dazu, eine Vielzahl von Pflegestudiengängen einzurichten, insbesondere in den Bereichen Pflegemanagement und Pflegebildung.

Download des Manifestes „Mit Eliten pflegen“

Mehr Verantwortung für Pflegeprofis.

Die professionelle Pflege muss befugt werden, Versorgungsbedarfe festzusetzen und Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege festzulegen, fordern die Ex­perten im Manifest. Außerdem könnten Pflegekräfte die Gesundheitsversorgung in strukturschwachen Regionen sicherstellen, indem sie zunehmend auch hausärztliche Routineaufgaben übernähmen. In anderen Ländern sei es bereits seit Langem üblich, die Versorgung von Bagatellerkrankungen und die medizinische Basisversorgung von Menschen mit chronischen Erkrankungen an die Pflege zu delegieren. Auch das geriatrische Assessment, bei dem unter anderem die Fähigkeit zur Selbstversorgung, Mobilität, Kognition oder Ernährung bei älteren Patienten erfasst werden, könnten Pflegekräfte übernehmen. Das Manifest zeigt damit auf, welche Voraussetzungen Spitzenpflege braucht und warum mehr akademisch qualifizierte Pflegefachpersonen in allen Bereichen der Versorgung notwendig sind.

Im Rückstand.

„Es ist an der Zeit, dass Deutschland auch in der Pflege zu internationalen Standards aufschließt. Ge­rade was die Akademisierung betrifft, liegen wir weit hinter vielen Ländern zurück“, sagt Uta-Micaela Dürig, stellvertretende Vorsitzende der Geschäftsführung der Robert Bosch Stiftung. In England etwa betreuten speziell ausgebildete Pflegekräfte (Clinical Nurse Specialists) Patienten weitgehend selbstständig und riefen den Arzt erst, wenn sich der Zustand verschlechtere. Das Manifest solle aufzeigen, was für Spitzenpflege benötigt werde und warum dringend mehr akademisch qualifizierte Pflegefachkräfte erforderlich seien. Dürig: „Wir hoffen, dass die Botschaft gehört wird und die entscheidenden Personen zum Handeln anregt.“

Otmar Müller ist freier Journalist in Köln mit dem Schwerpunkt Gesundheitspolitik.
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