Arzneimittelsicherheit

Qualitätskontrolle auf dem Prüfstand

Nach dem Rückruf verunreinigter Chargen des Blutdrucksenkers Valsartan aus chinesischer Produktion steht die Arzneimittelaufsicht in Europa in der Kritik. Deutschland denkt darüber nach, Hersteller stärker in die Pflicht zu nehmen. Von Thomas Rottschäfer

Den Europarat

in Straßburg bringt man mit Fragen von Demokratie und Rechtsstaat in Verbindung. Mit der Europäischen Union ist die 1949 gegründete Einrichtung institutionell nicht verwoben, arbeitet aber mit der Staatengemeinschaft zusammen. Dem Europarat gehören insgesamt 47 Staaten an, darunter die 28 EU-Länder. Dass der Europarat auch mit der Arzneimittelaufsicht befasst ist, war bis zu den Valsartan-Rückrufen wohl überwiegend nur Fachleuten bekannt.

Das dem Europarat zugeordnete Direktorat für Arzneimittelqualität (EDQM) ist zuständig für die Zertifizierung von Arzneimittelwirkstoffen. „Inzwischen kaufen die meisten pharmazeutischen Unternehmen, die Produkte für den europäischen Markt herstellen, Rohstoffe bei spezialisierten Wirkstoffherstellern ein“, erläutert der Vertreter der AOK in Brüssel, Evert Jan van Lente. „Für diese Wirkstoffe kann das Pharmaunternehmen bei der Zulassung durch die EU-Arzneimittelagentur EMA oder andere Zulassungsbehörden ein Qualitätszertifikat der EDQM vorlegen.“

Zertifikat gleicht Blankoscheck.

Grundlage für das „Certificate of Suitability of the European Pharmacopoeia“ – kurz CEP – ist eine positive Bewertung durch externe und eigene Gutachter des Direktorats. Diese Konformitätsbescheinigung ist eine Art Blankoscheck. Liegt das CEP vor, müssen weder die Pharmahersteller noch die Zulassungsbehörden zusätzliche eigene Kontrollen durchführen.

Der Arzneimittelwirkstoff Valsartan wird vor allem gegen Bluthochdruck eingesetzt. Im Juli/August dieses Jahres sind einzelne Chargen valsartanhaltiger Medikamente mehrerer Hersteller zurückgerufen worden, nachdem in den Rohstoffen zweier chinesischer Hersteller erhöhte Werte von N-Nitrosodimethylamin (NDMA) festgestellt wurden.

 

NDMA gilt als potenziell krebserregend. Laut Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft besteht keine akute Gesundheitsgefahr.


 Aktuelle Informationen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte

Nach Stand der Dinge hat der chinesische Wirkstoffhersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical im Jahr 2012 sein Produktionsverfahren für Valsartan umgestellt und dies bei der EDQM auch angezeigt. Die Änderung wurde von der Behörde akzeptiert. „Nach derzeitigem Kenntnisstand hat das neue Synthese-verfahren die Verunreinigung mit dem als krebserregend geltenden N-Nitro-sodimethylamin hervorgerufen“, sagt Evert Jan van Lente.

Prüfungen meist nur nach Aktenlage.

Pharmazeutische Unternehmen, die verunreinigte Chargen ihres Partners aus China verarbeitet haben, trifft aus Sicht des Pharmazeuten Professor Markus Veit zunächst einmal keine Schuld. Denn der chinesische Wirkstoffhersteller dürfe mit Hinweis auf das CEP-Zertifikat zusätzliche Kontrollen verwehren, sagte der Experte für Arzneimittelzulassung dem Branchendienst „apotheke adhoc“. Veit kritisiert, dass bei der EDQM aus Personal- und Geldmangel die meisten Prüfungen nach Aktenlage stattfinden. Nur in Ausnahmefällen werde am Produktionsstandort kontrolliert, ob die angegebenen Verfahren auch in der Praxis angewendet werden.

Bisheriges Verfahren infrage gestellt.

Die Verunreinigungen im Fall Valsartan wurden nicht von den Kontrollbehörden entdeckt, sondern letztlich vom Hersteller selbst offengelegt. Nach Ansicht Evert Jan van Lentes hat der Fall eine Schwäche der Arzneimittelsicherheitsüberwachung offengelegt, die das bisherige Verfahren infrage stellt: „Dann muss auch überlegt werden, ob die Zertifizierung der Wirkstoffe nicht besser der EMA mit den dort direkt vertretenen nationalen Zulassungsbehörden übertragen werden sollte.“

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wünscht sich eine bessere Zusammenarbeit der Behörden, damit eine Rückrufaktion nicht einzeln in den Ländern, sondern zentral über die Bundesebene erfolgen könne. Zudem zieht er in Betracht, die Hersteller zu verpflichten, selbst die Qualität der eingekauften Rohstoffe zu prüfen. Dazu müssten sie Zugang zu den bisher vertraulichen Produktionsdaten erhalten. Alternativ könnte die EMA mit der Qualitätsprüfung betraut werden.

Thomas Rottschäfer ist freier Journalist mit Schwerpunkt Gesundheitspolitik.
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