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Rundruf

Neustart bei der Organspende?

Zu wenig Spender, zu lange Wartelisten: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will die Organspende neu regeln. Die Widerspruchslösung soll die Entscheidungslösung ablösen. Was halten Sie davon?

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Professor Dr. Wolfgang Huber, Theologe und ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche Deutschlands:
Die Transplantationsmedizin muss die Vertrauenskrise überwinden, in die sie durch eigenes Verschulden geraten ist. Zugleich ist sicherzustellen, dass in den Fällen, in denen ein völliger und irrevesibler Hirntod auftritt, die Möglichkeit der Organentnahme geprüft wird. Das ist derzeit nicht durchgängig so. Schon jetzt kann die Entscheidung der Angehörigen eine fehlende Entscheidung des Hirntoten ersetzen. Eine Widerspruchslösung braucht es dafür nicht. Sie würde aus der Organspende eine Organbereitstellungspflicht machen. Mit Nächstenliebe hätte das nicht mehr viel zu tun.

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Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen:
Ich halte die Widerspruchsregelung für einen starken Eingriff in persönliche Freiheitsrechte. Mein Körper gehört mir auch über den Tod hinaus. Die Organspende muss ein freiwilliger Akt bleiben. Statt der Widerspruchsregelung muss die Information über die Organspende weiter intensiviert werden, sodass noch mehr Menschen den Organspendeausweis bei sich tragen und klar ihren eigenen Willen ausdrücken. Der Rückgang der Organspenden hat im Übrigen vor allem organisatorisch-strukturelle Ursachen – Studien belegen das. Die Reformen von 2012 waren hier zu zögerlich. Da müssen wir ansetzen.

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Christine Aschenberg-Dugnus, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion:
Die Widerspruchslösung missachtet das Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger und verkehrt die freie Entscheidung, Organe zu spenden, damit ins Gegenteil. Es mangelt nicht am Willen der Bürger, sondern am Organisationsablauf in den Kliniken. Als Lösung ist ein verbessertes Meldeverfahren, eine Freistellung der Transplantationsbeauftragten vom regulären Klinikdienst und eine kostendeckende Bezahlung dringend erforderlich. Nur wenn die Rahmenbedingungen stimmen, lässt sich allen Beteiligten vermitteln, was Organspende bedeutet: Das Leben eines anderen Menschen zu retten.

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Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes:
Mit der Widerspruchslösung wäre ein Eingriff in  Persönlichkeitsrechte verbunden. Daher ist darüber zunächst eine breite Debatte zu führen. Unabhängig davon bleibt der steinige Weg der Aufklärung, Transparenz und Beseitigung jedweder Manipulation der einzige Weg, um Vertrauen wiederherzustellen und die Bereitschaft zur Organspende zu erhöhen. Zu begrüßen ist, dass die Arbeit der Transplantationsbeauftragten gestärkt und ein flächendeckendes Berichtswesen zur Qualitätssicherung bei der Spenderidentifikation in Entnahmekliniken eingeführt werden soll. Bei den Vergütungsänderungen darf es aber keine Fehlanreize geben, die Profitorientierung in diesem hochsensiblen Bereich der Medizin Vorschub leisten.

Bildnachweis: Lena Uphoff, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, FDP-Bundestagsfraktion, AOK-Bundesverband