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Neukunden-Bonus


Als Neukunden sind wir Königin und König. Beim Tagesgeld gibt's bessere Zinsen und beim Energieversorger mehr Strom fürs Geld. Das wird wohl bald auch in den Arztpraxen der Fall sein, denn im Terminservice- und Versorgungsgesetz ist neben vielen anderen Schmankerln auch ein Neukunden-Bonus versteckt. Rezeptfreie Anmerkungen von Thomas Rottschäfer.

Gesundheit zusammen!

Schade, dass der 1. Mai ein Feiertag ist. Dann kann man gar nicht zum Arzt gehen. Dabei ist der 1. Mai in diesem Jahr ein echter Feiertag für die Patienten. Dann tritt das Terminservice- und Versorgungsgesetz in Kraft.

Donald Trump würde twittern: „Das großartigste Gesundheitsgesetz seit Hippokrates.“ Jens Spahn würde das gefallen. Denn der sieht das genauso.

Ab Mai gibt's ohne langes Warten Termine, Termine, Termine – ob beim Hausarzt oder Facharzt. So macht Kranksein wieder richtig Spaß!

ToRo zum Hören:

Anfangs waren die Ärzte mächtig sauer auf den Gesundheitsminister.

Weil sie jetzt mehr Zeit mit gesetzlich Versicherten verbringen sollen. Und weil sogar einige Fachärzte mehr „Sprechstunden to Go“, also ohne Terminabsprache, anbieten sollen.

Doch bei der Verabschiedung des Gesetzes durch den Bundestag Mitte 14. März war die Empörung selbst durch ein Stethoskop kaum noch zu hören. Denn gegen chronischen Ärzteprotest hat die Gesundheitspolitik ein bewährtes Hausmittel: Geld.

1,2 Milliarden spendiert die Bundesregierung den niedergelassenen Ärzten jetzt zusätzlich. Pro Jahr.

Zehn Euro extra bekommt zum Beispiel ein Hausarzt, wenn er einen dringenden Termin beim Facharzt vermittelt. Gut, das ist jetzt nicht die Welt. Für einen Dachdecker oder einen Fliesenleger werden längst dreistellige Fangprämien gezahlt.

Richtig spannend ist der Neukunden-Bonus.

Für die Behandlung von „neuen Patienten“ bekommen Ärzte bald alle Leistungen in voller Höhe vergütet. Außerhalb des Honorarsystems, das ja ohnehin keiner versteht.

Ein „neuer Patient“ ist aber nicht nur neu, wenn er zum ersten Mal in der Praxis aufschlägt. Wer sich kein Zipperlein zuschulden kommen lässt, der gilt nach zwei Jahren Praxis-Abstinenz auch bei seinem langjährigen Arzt wieder als Neukunde.

Ich verwende hier ausdrücklich die männliche Form. Weil Frauen gesundheitsbewusst sind und keinen Vorsorgetermin schlunzen. Sie verpassen dadurch aber leider auch die Chance, als Neukundin verhätschelt zu werden.

Der Neukunden-Bonus ist quasi das Upgrade zum Privatversicherten.

Bestandskunden werden beim Arzt bald genauso dumm dasitzen wie bei ihrem Mobilfunkanbieter oder Stromversorger. Bestandskunden sind immer die Dummen. Alt-Patienten können im Wartezimmer mit den Trockenblumen verstauben. Aber höchstens zwei Jahre. Dann sind sie ja wieder Neukunden.

Steckt hinter dem Neukunden-Bonus am Ende ein perfider Plan der Krankenkassen, die Zahl der Arztbesuche drastisch zu reduzieren? In unserem Gesundheitswesen ist alles möglich.

Gute Besserung!

Thomas Rottschäfer ist freier Journalist.
Bildnachweis: privat