Prävention

Ein Weg zu Job und Gesundheit

Wer arbeitslos und krank ist, findet nur schwer eine neue Stelle. Zudem verschlechtert sich bei Menschen ohne Beschäftigung häufig der Gesundheitszustand. Das belastet nicht nur die Arbeitslosen selbst, sondern auch die Sozialversicherungen. Einen Ausweg aus dem Teufelskreis skizziert Gesundheitswissenschaftler Prof. Dr. Alfons Hollederer.

Ein Entspannungskurs am Montagabend: Auf den Matten liegen acht Frauen und zwei Männer, um Stress abzubauen und ihre Beweglichkeit zu verbessern – gefördert von der Krankenkasse. Sechs der Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen direkt aus dem Büro, drei sind bereits im Ruhestand, eine ist Studentin. Arbeitslose sind in diesem Kurs nicht vertreten. Dieses fiktive Beispiel entspricht durchschnittlichen Teilnehmerstrukturen und hat einen realen Hintergrund: Die meisten Angebote der Gesundheitsförderung – seien sie in Lebenswelten verankert oder seien es klassische Gesundheitskurse – erreichen arbeitslose Menschen kaum. Dabei ist deren Bedarf an Prävention und Gesundheitsförderung angesichts erhöhter Risiken für Krankheiten und vorzeitiger Sterblichkeit offenkundig.

Der Gesetzgeber hat deshalb mit dem Präventionsgesetz 2015 die Prävention und Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen wesentlich gestärkt. Zudem ist in den vergangenen zehn Jahren bei der Verzahnung von Gesundheits- und Arbeitsförderung eine beachtliche Entwicklung zu beobachten. Für etablierte Ansätze geben Studien Hinweise auf eine moderate Verbesserung der Gesundheit und der Arbeitsmarkteffekte. Allerdings sind die Angebote und Konzepte hinsichtlich ihrer Inhalte, der Dauer und der Zielgruppen sehr heterogen. Aus dem folgenden Überblick und der Bestandsanalyse lassen sich Empfehlungen für die Weiterentwicklung von Angeboten zur Gesundheitsförderung von Arbeitslosen in der Praxis ableiten.

Fast alle Arbeitslosengeld-Bezieher sind gesetzlich versichert.

Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung belasten trotz derzeit hervorragender Beschäftigungslage insbesondere die gesetzlichen Sozialversicherungen. Im Jahr 2017 waren unter den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) fast 4,2 Millionen pflichtversicherte Arbeitslose (gemäß KM1/13-Statistik; siehe Abbildung „Große Zielgruppe für die gesundheitliche Prävention“).

Grafik Zahl der arbeitslosen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahresdurchschnitt in Millionen

Die gesetzliche Krankenversicherung hat 2017 im Jahresdurchschnitt 4.180.351 arbeitslose Menschen versichert (nach Definition Krankenkassenmitgliederstatistik, die vom SGB III mit seinen Ausnahmen abweicht). Darunter waren 3.403.605 Arbeitslosengeld II-Empfänger – ihre Zahl ist gegenüber 2010 um mehr als eine halbe Million gestiegen.

Quelle: KM 1/13-Statistik, Bundesministerium für Gesundheit (Zugriff: 19.3.2019)

Darunter waren 3,4 Millionen Empfänger von Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) – ein starker Anstieg im Vergleich zu den Jahren vorher. Ein erheblicher Teil von ihnen ist am Arbeitsmarkt schwer vermittelbar, beispielsweise aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen, weil sie ihre Kinder allein erziehen, keinen Berufsabschluss haben oder älter als 55 Jahre sind. Die Zahl der GKV-pflichtversicherten Empfänger von Arbeitslosengeld I ist mit 776.746 im Vergleich zu den Vorjahren gefallen. Der Vergleich mit der Statistik der Bundesagentur für Arbeit legt nahe, dass 2017 fast alle der jahresdurchschnittlich gemeldeten 745.000 Arbeitslosengeld I-Bezieher (ohne Weiterbildung) in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren. Bei Mitgliedern der GKV übernimmt die Bundesagentur für Arbeit bei Arbeitslosigkeit die Zahlung der Krankenkassenbeiträge.

Kritische Lebensphase mit erhöhter Krankheitslast.

Der Gesundheitszustand von Arbeitslosen ist nach Meta-Analysen von McKee-Ryan et al. (2005) sowie Paul und Moser (2009) nicht nur in Deutschland, sondern weltweit im Durchschnitt signifikant schlechter als der von Beschäftigten. Die Unterschiede im Vergleich zu Erwerbstätigen sind dabei im Bereich der psychischen Gesundheit besonders groß. Auch die Gesundheitsberichte von einzelnen Krankenkassen in Deutschland bestätigen, dass Arbeitslose im Vergleich zu pflichtversicherten Beschäftigten wegen psychischer Erkrankungen häufiger im Krankenhaus liegen und mehr Arzneimittel verordnet bekommen. Menschen ohne Arbeit weisen im Vergleich zu Beschäftigten in Gesundheitssurveys ein ungünstigeres Gesundheitsverhalten auf, vor allem in Bezug auf Tabakkonsum, körperliche Aktivitäten und Ernährung (Hollederer, 2011; Kroll und Lampert, 2012). Bei Arbeitslosen manifestiert sich die Krankheitslast in einem erhöhten Risiko, vorzeitig zu sterben. Der Arbeitsplatzverlust kann daher nicht nur als ein punktuelles, kritisches Lebensereignis, sondern als kritische Lebensphase interpretiert werden.

Wiederbeschäftigung verbessert Gesundheit.

Gesundheitliche Einschränkungen von Arbeitslosen sind wiederum ein relevantes Hemmnis für die Wiedereingliederung am Arbeitsmarkt. Wenn sie eine Arbeit aufnehmen, verringern sich die Belastungen der Gesundheit. Verschiedene Faktoren beeinflussen die negative Wirkung von Arbeitslosigkeit auf den individuellen Gesundheitszustand. Sie bieten auch Ansatzpunkte für die Gesundheitsförderung.

Allerdings erreichen die Angebote der Gesundheitsförderung Arbeitslose nicht in dem Maße, wie es deren Anteil an der Bevölkerung entspricht (unterrepräsentativ). Das ist wenig erstaunlich, waren doch nach der Dokumentation über die Primärprävention und Gesundheitsförderung in der GKV (MDS und GKV 2017) im Jahr 2016 lediglich 67 von insgesamt 1.652 Projekten nach dem lebensweltorientieren Setting-Ansatz (keine Kurse) für Arbeitslose konzipiert. In den Vorjahren lag die Zahl solcher Setting-Projekte für Arbeitslose sogar jeweils unter 40. Da sich aber die Zahl der GKV-pflichtversicherten Arbeitslosen innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung insgesamt kaum verringert, können sich derartige Präventionsstrategien über die Ausgabenseite bei den Krankheitskosten oder über die Einnahmenseite bei geringeren Wiedereingliederungschancen im Gesamtsystem der Sozialversicherungen negativ auswirken.

Arbeitslose tragen ein erhöhtes Risiko, vorzeitig zu sterben.

Statt das Präventionspotenzial in der Zielgruppe brachliegen zu lassen, bräuchte es einen Wettbewerb um die besten Präventionsansätze, um unter arbeitslosen Menschen einen möglichst hohen Gesundheitsgewinn zu erzielen.

Innovative Zugangswege entwickeln.

Daneben hat die Gesundheitsförderung ein strukturelles Zugangsproblem. Dass Arbeitslose von etablierten Angeboten der Prävention und Gesundheitsförderung bislang wenig erreicht werden, liegt zum einen an den bevorzugten Settings der Gesundheitsförderung wie Betrieben, Schulen oder Kindergärten. Zum anderen orientieren sich konventionelle Gesundheitsförderungskurse, die häufig an Volkshochschulen oder in Sportvereinen stattfinden, an der Mittelschicht. Zudem lässt sich unter den Bedingungen eines aktivierenden Arbeitsmarktregimes nur schwer der hohe Anspruch der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verwirklichen, durch die Gesundheitsförderung „allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen“ (WHO 1986).

Diese Rahmenbedingungen und Strukturen fordern auch die Gesundheitsförderer in der Praxis. Sie müssen innovative Zugangswege und Methoden entwickeln, ihre Konzepte an den spezifischen Bedürfnissen des Klientels ausrichten sowie mit Arbeitsmarktakteuren neue Kooperationen aufbauen.

Arbeitsförderung allein reicht nicht.

Trotz dieser großen Herausforderungen sind in der Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen aktuell beachtliche Entwicklungen zu beobachten. Das lässt sich nicht nur an Praxisprojekten (beispielsweise beim Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit) und der Anzahl der beteiligten Jobcenter, sondern auch an den Interventionsstudien und wissenschaftlichen Reviews ablesen. In einer Bestandsanalyse über die arbeitsmarktintegrative Gesundheitsförderung konstatierten Elkeles und Kirschner im Jahr 2004 noch durchweg eine unzureichende Konzept- und Qualitätsentwicklung und einen Mangel an evaluierten Modellprojekten bei Arbeitslosen. Ein Review von Audhoe et al. (2010) erfasste Interventionen von 1990 bis 2008, die bei Arbeitslosen auf die Teilhabe an Arbeit (ohne Gesundheitsförderung) abzielten und den Umgang mit psychischem Disstress (langandauernder starker Stress ohne Ausgleich) in der Arbeitslosigkeit unterstützen sollten. Insgesamt zeigte sich hier geringe Evidenz, dass allein berufliche Interventionen psychischen Disstress reduzieren. Das ist ein Argument mehr für die Gesundheitsförderung. Für psychologische Interventionen bei Arbeitslosen ergab eine Meta-Analyse von Paul und Moser (2009) mit quantitativen empirischen Methoden eine signifikante Verbesserung der psychischen Gesundheit und eine kleine Reduktion der Beschwerdesymptome.

Analyse von Studien belegt Wirkungen.

In einem systematischen internationalen Review von 2018 hat der Autor dieses Beitrags die Ansätze und Evidenzbasierung der Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen und die kontrollierten Interventionsstudien für den Zeitraum 1996 bis 2016 analysiert. Insgesamt 30 Gesundheitsinterventionen bei Arbeitslosen zeigten Effekte. Die Laufzeit und die Intensität der Angebote unterscheiden sich dabei stark. Die Zielgruppen variierten erheblich nach Geschlecht, Dauer der Arbeitslosigkeit, Leistungsbezug, Alter oder gesundheitlichen Einschränkungen. Die Gesundheitsförderung basierte in der Regel auf Einzelberatung, Fallmanagement, Trainings oder Gruppenangeboten. Die Interventionsansätze erwiesen sich als unterschiedlich erfolgreich und die Wirkmechanismen blieben häufig unklar. In den Interventionsstudien gab es statistisch bemerkenswerte Gesundheits- und Arbeitsmarkteffekte. Aber nicht bei allen aufgestellten Erfolgskriterien lassen sich die Effekte zufallskritisch absichern.

Einige etablierte Ansätze (beispielsweise JOBS Program, Job Fit) verbessern demnach die Gesundheit und die Eingliederung in den Arbeitsmarkt eher moderat. Übereinstimmend ließen sich Veränderungen für körperliche Aktivität, gesunde Ernährung und Alkoholkonsum nachweisen. In den Interventionsstudien mit besonders großen Gesundheitseffekten ließen sich durchgängig positive Ergebnisse bei der Arbeitsmarktintegration feststellen. Bei Freiwilligkeit des Zugangs war die Wirkung auf Gesundheit und Arbeitsmarktintegration günstiger.

Die analysierten Interventionen verbesserten vor allem die psychische Gesundheit. Effekte zur Arbeitsmarktintegration und zur Gesundheitsförderung können sowohl bei Kurzzeitarbeitslosen als auch bei Langzeitarbeitslosen erreicht werden. In Interventionsstudien mit Folgeuntersuchungen gehen die festgestellten Effektgrößen für Gesundheit und Arbeitsmarkt im Zeitverlauf jedoch zurück. Das spricht für die Notwendigkeit von Auffrischungsaktivitäten. Insgesamt sind aber noch viele Fragen zur Bedarfsgerechtigkeit und Nachhaltigkeit der Interventionen, zu ihren Wirkmechanismen sowie zu den Förder- und Hemmfaktoren in der Umsetzung offen.

Arbeitsagentur und Krankenkassen kooperieren.

Aufbauend auf den Erfahrungen mit verschiedenen Projektansätzen in Deutschland haben die Bundesagentur für Arbeit und der GKV-Spitzenverband die praktische Zusammenarbeit in der Gesundheitsförderung nach den Prinzipien des GKV-Leitfadens erprobt. Im Präventionsbericht 2015 der Krankenkassen sind Konzeption, Modellstandorte und Evaluationskonzept des Projekts beschrieben. Demnach erhielten 1.366 Personen im Arbeitslosengeld II-Bezug an sechs Standorten eine gesundheitsorientierte Beratung durch die Integrationsfachkräfte der Jobcenter – ohne Sanktionsverpflichtung, also auf freiwilliger Basis. Dafür wurden 134 Mitarbeiter in acht Qualifizierungsmaßnahmen geschult. Rund ein Drittel der erreichten Arbeitslosen besuchte 35 Präventionskurse bei einer Gesamtdauer von rund 20 Stunden. Bedarfsbezogen fanden als weitere Angebote im Rahmen des Setting-Ansatzes Gesundheitszirkel, Gesundheitstage und Informationsveranstaltungen statt.

Grafik Anteil der Menschen mit sehr gutem oder gutem Gesundheitszustand (Selbsteinschätzung) nach Erwerbsstatus

Menschen ohne Arbeit bewerten ihren Gesundheitszustand weniger gut als Erwerbstätige. Das ist Ergebnis der Befragung „Leben in Europa“ (EU-SILC). Demnach schätzten 77 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland im Jahr 2014 ihren Gesundheitszustand als gut oder sehr gut ein. Unter den Arbeitslosen lag dieser Anteil bei nur 37 Prozent – und ist damit seit 2005 erheblich gesunken. Damals hatten noch fast 54 Prozent der Arbeitslosen angegeben, einen sehr guten oder guten Gesundheitszustand zu haben.

Quelle: Hollederer und Wildner, 2018/EU-SILC-Survey 2005–2014

Die Kursteilnehmer zeigten nach dem Präventionskurs signifikante Verbesserungen im Umgang mit Stress, im Bewegungs- und Ernährungsbereich sowie bei der gesundheitlichen Lebensqualität. Die Effizienz der motivierenden Gesundheitsgespräche (nach Miller und Rollnick) war höher, wenn sich das Präventionsangebot nahtlos angeschlossen hat. Als bedeutender Einflussfaktor auf die Umsetzung stellte sich außerdem die örtliche Steuerungsgruppe heraus.

Präventionskonferenz berücksichtigt Arbeitslose.

Das Präventionsgesetz von 2015 fordert ausdrücklich die Prävention und Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen. Der Gesetzgeber hat darin festgelegt, dass die Leistungen der Krankenkassen zur Verhinderung von Krankheitsrisiken sowie zur Gesundheitsförderung „insbesondere zur Verminderung sozial bedingter sowie geschlechtsbezogener Ungleichheit von Gesundheitschancen beitragen sollen“. Die Neuregelung mildert ein früheres Haupthemmnis, die eklatante Unterfinanzierung von Gesundheitsförderung für diese Zielgruppe, ab. Die Nationale Präventionskonferenz hat 2016 erstmals bundeseinheitliche Rahmenempfehlungen zur Prävention und Gesundheitsförderung in Lebenswelten beschlossen. Sie sehen einen Unterstützungs- beziehungsweise Leistungsauftrag der gesetzlichen Krankenkassen und gesetzlichen Unfallversicherungsträger für Arbeitslose in Arbeitsförderungsmaßnahmen vor.

Im Rahmen des Settingansatzes Kommune sollen sich nach dem GKV-Leitfaden Jobcenter, Arbeitsagenturen und Träger der Arbeitsmarktintegration als Zugangswege für die freiwillige und kostenfreie Nutzung von Präventions- und Gesundheitsförderungsangeboten der gesetzlichen Krankenkassen anbieten. Der Ansatz zielt auf eine flächendeckende und langfristige Kooperation in der Routineanwendung. Idealerweise ermittelt vorab ein in der Kommune verankertes Steuerungsgremium den Bedarf. Die vorliegenden Ergebnisse bilden die Basis für die derzeitigen Ausweitungen des Ansatzes zur Verzahnung von Arbeits- und Gesundheitsförderung in zwei Phasen an mehr als 120 Standorten in Deutschland. Ein erstes Umsetzungsbeispiel aus Sachsen haben Schreiner-Kürten und Wenzel 2018 veröffentlicht (siehe Web- und Lesetipps).

Gesundheitsförderung öffnen.

Die Zusammenarbeit der GKV mit der Bundesagentur für Arbeit, Jobcentern und Arbeitsagenturen ist in der arbeitsmarktintegrativen Gesundheitsförderung von großer Bedeutung. Der Ansatz, Elemente der Gesundheitsförderung in Arbeitsförderungsmaßnahmen einzubauen, ist aber in der Reichweite begrenzt: Die Angebote der Arbeitsförderung stehen aus Kostengründen nur einem kleinen Teil der Zielgruppe zur Verfügung. Es stellt sich daher die Frage, wie Arbeitslose darüber hinaus von den etablierten Strukturen in der Prävention und Gesundheitsförderung profitieren können.

Eine freiwillige Teilnahme an der Gesundheitsförderung verbessert ihre Effekte.

Fünf Aspekte erscheinen hier von besonderer Relevanz:

1. Zugangswege:

Die Strategien der Ansprache, Kostenbeteiligung und Passgenauigkeit von bestehenden Gesundheitsförderungskursen und -angeboten für sozial Benachteiligte sollten verbessert werden. Dabei würde es helfen, vorhandene Daten für die Zielgruppenansprache, die Bedarfsermittlung und das Einladungsmanagement nutzen zu können.

2. Konzeptqualität:

Die Zielgruppen sollten schon bei Konzeptentwicklungen in der Prävention und Gesundheitsförderung stärkere Berücksichtigung finden. Zur Konzeptqualität gehört auch die Überprüfung der theoretischen Wirksamkeitsannahme und inwieweit der gewählte Ansatz zum Abbau von sozial bedingten ungleichen Gesundheitschancen beitragen kann. Die Zielgruppe würde niederschwellige und partizipative Angebote besser annehmen. Der Fokus sollte auf Empowerment liegen, also die Fähigkeit zum selbstbestimmten Handeln stärken.

3. Bedarfsorientierung:

Angebote der kommunalen Gesundheitsförderung sollten auch an den Bedürfnissen von sozialen Zielgruppen ausgerichtet werden. Die Auswahl von Settings sollten deren Lebenswelten, wie beispielsweise Stadtteile und soziale Brennpunkte, einbeziehen. Der Bedarf der Zielgruppen ist systematisch zu ermitteln.

4. Verhältnisprävention:

Neben der Verhaltensprävention dürfen verhältnispräventive Aspekte nicht aus dem Blick geraten. Das trifft sowohl auf Schutzfaktoren und Coping-Strategien (Wie kann Arbeitslosigkeit möglichst gesund bewältigt werden?) als auch auf Risikofaktoren wie Verarmungsprozesse, Handlungsrestriktionen und soziale Ausgrenzung zu. Die Ottawa-Charta der WHO sieht drei Prinzipien vor, die gerade bei der Gesundheitsförderung für Arbeitslose in der gesamten Bandbreite handlungsleitend sind: a) Befähigen und Ermöglichen, b) Vermitteln und Vernetzen sowie c) Interessen vertreten durch aktives anwaltschaftliches Eintreten.

5. Erfolgsmessung:

Wie gut sie die Zielgruppe erreichen, können Anbieter und Kostenträger der Interventionen an der Arbeitslosenquote in ihrer Teilnehmerschaft selbst messen. Gesundheitsbezogene Veränderungsprozesse sollten in der Praxis zumindest in der Teilnehmergruppe durch Befragungen prozessbegleitend evaluiert werden. Bei Erfolg versprechenden Präventionsansätzen braucht es den Transfer und insgesamt mehr kontrollierte Interventionsstudien für die Weiterentwicklung von „good“ zu „best practice“.

Literatur beim Verfasser

Alfons Hollederer ist Professor für Theorie und Empirie des Gesundheitswesens im Fachbereich Humanwissenschaften an der Universität Kassel.
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