Versorgungs-Report

Nachholbedarf bei der Aufklärung

Ob Darmspiegelung oder Abstrich beim Frauenarzt: Viele Versicherte werden nicht optimal über den Nutzen, aber auch über mögliche Nachteile der ­Krebsfrüherkennung aufgeklärt, wie eine aktuelle Studie zeigt. Von Thomas Hommel

Eine Befragung für den neuen

Versorgungs-Report „Früherkennung“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) belegt, dass viele Versicherte in der Arztpraxis nicht ausreichend über Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung aufgeklärt werden. Befragt wurden für die kürzlich in Berlin vorgestellte Studie mehr als 2.000 gesetzlich Versicherte im Alter von über 18 Jahren.

Nur etwa 55 Prozent der befragten Frauen, die an der Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs teilgenommen hatten, geben laut Befragung an, über die Vorteile des Screenings informiert worden zu sein. Noch geringer fiel mit 25 Prozent der Anteil der Frauen aus, die Informationen über mögliche Nachteile der Untersuchung wie etwa falsch positive Befunde erhielten. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Darmkrebsvorsorge: Die Information über die Nachteile der Darmspiegelung (36 Prozent) erfolgte hier wesentlich seltener als die Aufklärung über den Nutzen der Untersuchung (75 Prozent).

Grafik Ärztliche Beratung und Information über Früherkennung in der Wahrnehmung der Versicherten

Bei bis zu 85 Prozent liegen die Teilnahmequoten an Krebsfrüherkennungs-Untersuchungen. Viele Versicherte erhalten jedoch zu wenig Informationen über Nutzen und Risiken solcher Untersuchungen. So geben 67 Prozent der Befragten an, über den Nutzen von Darmkrebs-Stuhltests aufgeklärt zu sein. Nur 28 Prozent haben aber von möglichen Nachteilen der Untersuchung er­fahren.

Quelle: WIdO, Versorgungs-Report „Früherkennung“ 2019

Nur bei der Brustkrebs-Früherkennung ist das Verhältnis ausgewogen: Jeweils die Hälfte der teilnehmenden Frauen berichtet, dass sie über Nutzen beziehungsweise Nachteile aufgeklärt worden seien.

Nutzen und Risiken sorgfältig abwägen.

Der Bremer Gesundheitswissenschaftler und Mitherausgeber des Reports, Professor Dr. Norbert Schmacke, betonte, die Öffentlichkeit hege große Erwartungen an die Früherkennung. Das Sprichwort „Früh erkannt, Gefahr gebannt“ sei in der Gesellschaft tief verwurzelt. Gleichwohl sei es wichtig, Nutzen und Risiken von Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung gut abzuwägen.

So könne etwa bei einer Darmspiegelung durch Entfernung gutartiger Polypen im günstigsten Fall das Entstehen von Krebs verhindert werden. „Das ist ein enormer Nutzen.“ Andererseits könne eine Krebsfrüherkennung auch dazu führen, dass unnötig behandelt werde, ohne dass sich Lebensqualität und -dauer verbesserten.

In dieser Ausgabe:
 

Weiterführend:
 

Die Befragung zeige, „dass die Voraussetzungen für eine informierte Entscheidung der Versicherten oft fehlen“. Dabei habe schon der von der Bundesregierung 2010 aufgelegte Nationale Krebsplan als Ziel formuliert, Versicherte zu einer Entscheidung unter Berücksichtigung aller Vor- und Nachteile zu befähigen. Ärzte dürften kritische Fragen der Patienten daher „nicht einfach vom Tisch wischen“.

Dr. Google wird häufig konsultiert.

Die Befragung zeigt auch, dass sich Versicherte vor allem per Internet über das Thema Früherkennung informieren. Das jedenfalls geben 51 Prozent der befragten Frauen und 47 Prozent der Männer an. Eine ebenso große Rolle spielen Ärzte – vor allem der Hausarzt: 40 Prozent der Frauen und 50 Prozent der Männer nennen ihn als Informationsquelle. Andere Ärzte wurden von 14 Prozent der Frauen und sieben Prozent der Männer genannt.

Thomas Hommel ist Chefreporter der G+G.
Bildnachweis: Foto Startseite iStock/FatCamera