Vom Krankenhaus zum Gesundheitszentrum: Im sächsischen Niesky funktioniert die ländliche Versorgung.
Ländliche Versorgung

Ein Haus für die Gesundheit

Die medizinische und pflegerische Versorgung auf dem Land sichern – in einer sächsischen Kleinstadt gelingt dies mit dem lokalen Gesundheitszentrum Niesky. Das Projekt hat die AOK PLUS mit auf den Weg gebracht. Von Wigbert Tocha

Im Osten von Sachsen,

auf halbem Weg zwischen Bad Muskau und Görlitz, liegt die kleine Stadt Niesky – in einer Region, die von Abwanderung und Überalterung geprägt ist. Doch hier ist, wenn man so will, ein kleines Wunder geschehen. „Niesky“, wie dieses Wunder von den Beteiligten nicht ohne Stolz kurz und bündig genannt wird, ist ein Synonym für einen Aufbruch geworden. Ein lokales Gesundheitszentrum ist entstanden: Der Name der Stadt steht heute für ein viel beachtetes Modell für eine gute Versorgung im ländlichen Raum.

Den Negativtrend gestoppt.

Die medi­zinische Versorgung drohte in eine Abwärtsspirale zu geraten: Nachwuchs für die niedergelassenen Ärzte, die in Ruhestand gehen, war und ist kaum in Sicht. Und die kleine Klinik im Ort, das Krankenhaus Emmaus Niesky, stand auf der Kippe. „Wenn das Krankenhaus geschlossen hätte“, sagt Victor Franke, Sprecher der Diakonissenanstalt Dresden, „hätte das den Negativtrend gefördert, weitere Fachkräfte wären abgewandert und die Infrastruktur wäre entscheidend geschwächt worden.“ Doch es kam anders: Die Evangelisch-Lutherische Diako­nissenanstalt Dresden hat das Krankenhaus im Jahr 2015 übernommen und gemeinsam mit der AOK PLUS das lokale Gesundheitszentrum Niesky auf den Weg gebracht.

Das Krankenhaus Emmaus Niesky mit Chirurgie und Innerer Medizin ist als Kernstück erhalten worden. Zum Campus gehört jetzt aber auch ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mit mehreren Facharztsitzen, je einem für Chirurgie und Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde sowie drei für Allgemein­medizin – das MVZ sichert die hausärztliche Versorgung. Dazu kommt ein Informationszentrum, das Patienten und ihre Angehörigen – auch über den Krankenhausaufenthalt hinaus – berät und schult. Eine Bereitschaftspraxis der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen ist eingerichtet worden, die eng mit der Notaufnahme des Krankenhauses zusammenarbeitet und die sonst übliche und für die Patienten lästige Rotation des Bereitschaftsdienstes ersetzt.

Trägergesellschaft des Medizinischen Versorgungszentrums ist die „Facharztzentren am DIAKO MVZ GmbH“, eine Tochtergesellschaft der Diakonissenanstalt. Die Mediziner im MVZ sind angestellt – dieses Modell trägt dem Wunsch vieler junger Ärzte Rechnung, nicht gleich selbstständig zu arbeiten. Franke: „Sie sind von der Abrechnungsbürokratie entlastet, haben ein sicheres Einkommen und können sich für eine spätere Tätigkeit als Niedergelassene erproben.“ Ärzte mit Kindern können auch in Teilzeit arbeiten.

Auf lokale Lösungen gesetzt.

„Durch das Modell von Niesky ist die medizinische und pflegerische Versorgung für die Menschen in der Region sicherer geworden“, sagt Sachsens Sozialministerin Barbara Klepsch. „Wir brauchen lokale Lösungen für lokale Situationen.“ Die CDU-Politikerin verweist auch auf zwei andere Projekte in sächsischen Modellregionen: eines in der Region Marienberg im Erzgebirge, ein anderes in Weißwasser. Hier soll erprobt werden, wie die Versorgung mit Blick auf das Jahr 2030 zukunftsfest gestaltet werden kann.

Weitere Informationen zum Projekt „Lokales Gesundheitszentrum Niesky“:
Die Versorgungsprojekte interaktiv und auf einen Blick

Das Krankenhaus Emmaus Niesky gehört auch zu einem Weiterbildungs­verbund in Ostsachsen, zusammen mit vier weiteren Kliniken im Landkreis Görlitz und zunächst acht ambulanten Arztpraxen. Ziel ist es, alle Fachärzte in der Region mit Weiterbildungsbefugnis einzubeziehen. Junge Mediziner, die sich zum Facharzt weiterbilden, können zwischen den Verbundpartnern wechseln und bei ihnen unterschiedliche Fähig­keiten erwerben. Sie haben einen erfahrenen ärztlichen Mentor an ihrer Seite.

Vernetzt über Sektoren hinweg.

In Niesky sind der stationäre und der ambulante Sektor gut verzahnt. Die Diakonissenanstalt und die AOK PLUS haben sich auf ein Vergütungssystem geeinigt, das Anreize für die sektorenübergreifende Versorgung gibt. „In Niesky zeigen wir“, sagt Rainer Striebel, Vorstandsvorsitzender der AOK PLUS, „dass gute medizinische Versorgung auch fernab der Ballungszentren organisiert werden kann, wenn sich die Akteure im Gesundheitswesen zusammentun, nach neuen Wegen suchen und vorhandene Ressourcen gut organisieren.“

Wigbert Tocha ist Chef vom Dienst der AOK-Mitarbeiterzeitung :intro beim KomPart-Verlag.
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