Konzertierte Aktion Pflege

Fahrplan für die Pflege

Wie lassen sich mehr Menschen für den Pflegeberuf gewinnen? Welche Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden, damit das Pflegepersonal auch im Beruf gehalten werden kann? Darüber haben Pflegeexperten und -akteure im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege ein Jahr lang intensiv diskutiert. Wo die Knackpunkte liegen und worauf es nun bei der Umsetzung ankommt, erklärt Nadine-Michèle Szepan.

Das Thema Pflege steht schon lange ganz oben auf der politischen Agenda. Die Zahl der Pflegebedürftigen wächst und wächst: Waren 2017 rund 4,6 Prozent aller gesetzlich Versicherten und damit rund 3,32 Millionen Menschen auf Pflege angewiesen, werden es 2030 voraussichtlich 3,92 Millionen (etwa 5,5 Prozent) und 2050 bereits 5,1 Millionen Versicherte (7,4 Prozent) sein, prognostiziert das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) in seinem aktuellen Pflege-Report. Damit wächst auch der Bedarf an Pflegepersonal. Zurzeit arbeiten – umgerechnet in Vollzeitstellen – knapp 590.000 Menschen in der Pflege. Bis 2030 müsste ihre Zahl auf rund 720.000 und bis 2050 auf knapp eine Million steigen.

Gemeinsam für die Pflege.

Die Realität sieht schon jetzt anders aus: Pflegeeinrichtungen und Kliniken haben erhebliche Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen. Die hohe Arbeitsbelastung, ungünstige Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne führen dazu, dass viele Pflegekräfte ihrem erlernten Beruf den Rücken kehren. Um hier gegenzusteuern, hatten Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Bundesfamilienministerin Franziska Giffey im Sommer 2018 gemeinsam die Konzertierte Aktion Pflege ins Leben gerufen. Das erklärte Ziel: „Es muss cool werden, Pflegekraft zu sein“, so Giffey.
 
Ein Jahr lang diskutierten Bund, Länder sowie rund 50 Verbände und Interessengruppen, darunter auch der AOK-Bundesverband, über Möglichkeiten, den Pflegeberuf attraktiver zu machen, mehr Pflegepersonen zu gewinnen und im Beruf zu halten. Die hohe Zahl der KAP-Beteiligten trug der Einsicht Rechnung, dass ein großes Bündel an Maßnahmen notwendig ist, um den Herausforderungen der Pflege zu begegnen. Insgesamt fünf Arbeitsgruppen befassten sich intensiv mit den Themen „Ausbildungsoffensive Pflege“, „Personalmanagement, Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung“, „Innovative Versorgungsansätze und Digitalisierung“, „Pflegekräfte aus dem Ausland“ und „Entlohnungsbedingungen in der Pflege“.

Vielfältige Lösungsansätze.

Anfang Juni wurden die Ergebnisse der Konzertierten Aktion Pflege vorgestellt: ein umfangreicher Maßnahmenkatalog, mehr als 180 Seiten stark (siehe auch „Minister-Trio wertet Pflegejob auf“ in der G+G 6/2019, S. 16). Die Initiatoren zeigten sich zufrieden: „Wir sind überzeugt: Die Ergebnisse der Konzertierten Aktion Pflege können sich sehen lassen“, heißt es im Vorwort des Abschlussberichts. „Das umfassende Maßnahmenpaket zeigt, dass alle Beteiligten bereit sind, Verantwortung für eine bessere Pflege in Deutschland zu übernehmen.“
 
Die Beschlüsse der Konzertierten Aktion seien ein Auftrag an alle Partner, unterstrich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. „Und sie sind ein Versprechen an alle Pflegekräfte. Wir werden weiter dafür kämpfen, dass die Situation in der Pflege besser wird.“ Erreicht werden soll das durch mehr Personal, mehr Geld, mehr Ausbildung, mehr Verantwortung und mehr Digitalisierung.

Mehr Personal.

Um mehr Menschen für den Pflegeberuf zu gewinnen, Berufsaussteiger zur Rückkehr zu bewegen und Nachwuchskräfte zu rekrutieren, müssen die Arbeitsbedingungen in der Pflege attraktiver werden. Eine der größten Belastungen ist, dass in den Schichten nicht ausreichend Pflegekräfte zur Verfügung stehen. In diese Richtung zielte bereits das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG): Das Sofortprogramm Pflege setzt schon seit Januar 2019 finanzielle Anreize dafür, bis zu 13.000 zusätzliche Pflegestellen in stationären Pflegeeinrichtungen zu schaffen.

Grafik zu den niedrigen Einkommen in der Altenpflege, unterteilt in Hilfskräfte, Angelernte und Fachkräfte

In den vergangenen Jahren sind die durchschnittlichen Bruttoentgelte in der Altenpflege im Vergleich zur Krankenpflege stärker angestiegen. Trotzdem verdienen Beschäftigte in der Altenpflege immer noch deutlich weniger als andere Pflegepersonen. Die KAP-Arbeitsgruppe 5 „Entlohnungsbedingungen in der Pflege“ hat die jeweils niedrigsten und höchsten Bruttostundenentgelte (ohne mögliche Zusatzleistungen) in der Altenpflege für das Jahr 2018 ermittelt. Auffallend ist auch die große Schwankungsbreite.

Quelle: Abschlussbericht der Konzertierten Aktion Pflege, 2019

Die Beteiligten der Konzertierten Aktion Pflege verständigten sich darauf, dass ein Personalbemessungsverfahren für verbindliche, am Bedarf orientierte Personalschlüssel für Pflegekräfte in Krankenhäusern erarbeitet werden soll. Das Personalbemessungsverfahren für Pflegeeinrichtungen in der Langzeitpflege nach Paragraf 113c SGB XI soll zügig umgesetzt werden. Ein weiteres Ziel ist, nicht gewünschte Teilzeitbeschäftigungen und sachgrundlos befristete Verträge in der Pflege zu reduzieren und mehr Vollzeitbeschäftigung zu ermöglichen. Um die Leiharbeit im Pflegesektor zu reduzieren, sollen die Einrichtungen beispielsweise „Springerpools“ aus zusätzlichen Festangestellten schaffen, um so Personalengpässe zu überbrücken. Außerdem soll ein Rückgewinnungsprogramm Pflegekräfte, die ihre Berufstätigkeit unterbrochen oder beendet haben, zur Wiederaufnahme motivieren.

Auch die Anstrengungen für Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz in stationären Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern sollen intensiviert werden. Hier wird die AOK gerne ihre umfangreichen Erfahrungen und vielfältigen Aktivitäten in die Waagschale werfen.

Mehr ausländische Fachkräfte.

Im Zuge der Konzertierten Aktion Pflege wurde vereinbart, mithilfe einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit sowie (webbasierten) Informations- und Beratungsangeboten mehr Fachkräfte aus dem Ausland für eine Tätigkeit in Deutschland zu motivieren. Bund und Länder erarbeiten Vorschläge, um die Verfahren zur Anerkennung der Gleichwertigkeit ausländischer Berufsabschlüsse zu vereinheitlichen und zu beschleunigen. Die bundesweite Gutachtenstelle für Gesundheitsberufe stellt den Anerkennungsbehörden der Länder für ihre Arbeit Mustergutachten zur Verfügung; die Entscheidungsbefugnis verbleibt jedoch bei den Ländern. Der Bund strebt die Einrichtung einer bundesweiten zentralen Servicestelle an, um interessierte ausländische Fachkräfte vorab zu den Möglichkeiten der Anerkennung zu beraten. Die Abläufe zur Erteilung von Visa sollen effizienter und transparenter werden. Geplant ist außerdem, die Angebote zur berufsbezogenen Deutschsprachförderung im In- und Ausland auszubauen und die Anstrengungen für die fachliche, betriebliche und soziale Integration zu intensivieren. Um die Qualität der Dienste privater Vermittler ausländischer Pflegekräfte sicherzustellen, wird außerdem ein Gütesiegel entwickelt.

Die beschlossenen Ziele und Maßnahmen konzentrieren sich auf die Anwerbung von Fachkräften aus Drittstaaten. Ausländische Pflegefachpersonen, die sich bereits in Deutschland aufhalten – beispielsweise Geflüchtete – sind hier nicht angesprochen. Um auch dieses Potenzial auszuschöpfen, besteht also noch Handlungsbedarf. Ende Juni 2019 hat der Bundesrat ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen, das den Rahmen für die Einwanderung von qualifizierten Fachkräften aus Drittstaaten nach Deutschland absteckt.

Mehr Geld.

Ein wichtiger Faktor für die Attraktivität des Pflegeberufs ist eine angemessene Entlohnung. Der Gesetzgeber hat in den letzten Jahren schon eine Reihe gesetzlicher Regelungen für eine bessere Bezahlung getroffen; dennoch wird das Pflegepersonal bisher vergleichsweise niedrig und sehr unterschiedlich entlohnt. Insbesondere in der Altenpflege sind die Einkommen niedrig (siehe Grafik „Niedrige Einkommen in der Altenpflege“) und die Unzufriedenheit groß (siehe Grafik „Pflegepersonal fühlt sich nicht wertgeschätzt“). Nun sollen die Entlohnungsbedingungen verbessert werden. Vereinbart wurde auch, nach Qualifikation differenzierte Mindestlöhne für Hilfs- und Fachkräfte zu etablieren und einen für Ost und West einheitlichen Pflegemindestlohn zu schaffen. Am 19. Juni, knapp zwei Wochen nach Vorlage des KAP-Abschluss­berichts, beschloss das Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes für bessere Löhne in der Pflege („Pflegelöhneverbesserungsgesetz“), das bis zum Jahresende in Kraft treten soll.

Streit um Tarifverträge.

Bei der Diskussion um eine angemessene Entlohnung der Pflegekräfte trat offen zutage, wie unterschiedlich die Interessen der Beteiligten sind. Der KAP-Ergebnisbericht skizziert deshalb zwei alternative Wege, wie eine bessere Bezahlung realisiert werden soll. Eine Mehrheit sprach sich klar für einen Tarifvertrag aus, der auf der Grundlage des Arbeitnehmerentsendegesetzes flächendeckend erstreckt werden kann. Dabei wäre das kirchliche Selbstbestimmungsrecht zu berücksichtigen. Kommt ein solcher Tarifvertrag nicht zustande, werden per Rechtsverordnung höhere Pflegemindestlöhne festgesetzt; diese würden auf Empfehlungen der Pflegekommission beruhen.

Die Beschlüsse der Konzertierten Aktion Pflege sind ein Versprechen an alle Pflegekräfte.

Arbeitsminister Heil sieht die Pflegebranche am Zug: „Sie muss entscheiden, ob sie für bessere Löhne einen flächendeckenden Tarifvertrag abschließen kann, oder Mindestentgelte – wie bisher – über die Pflegekommission festgelegt werden sollen.“ Vor allem die privaten Pflegeunternehmer lehnen einen Tarifvertrag ab und setzen stattdessen auf eine neue Lohnuntergrenze. Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Staats­sekretär Andreas Westerfellhaus, hätte sich beim Thema flächen­deckende Tarifverträge von allen Beteiligten „mehr Mut“ gewünscht: „Dazu gibt es keine Alternative und keine Ausrede. Wohlfahrtsverbände und private Träger sollten nochmal in sich gehen und sich ihrer Mitverantwortung für die Langzeitpflege bewusst werden.“

Pflegebedürftige nicht überfordern.

Einig waren sich die Beteiligten darüber, dass eine bessere Entlohnung in der Pflege eine verbesserte Finanzausstattung der Pflegeversicherung erfordert. Eine finanzielle Überlastung der Pflegebedürftigen durch steigende Eigenanteile solle vermieden werden, heißt es im KAP-Abschlussbericht. Wenn allerdings die Leistungsbeträge der Pflegeversicherung daraufhin nicht angemessen dynamisiert werden, führt eine bessere Bezahlung zwangsläufig zu einer höheren Eigenbeteiligung der Pflegebedürftigen. Über eine Begrenzung der pflegebedingten Eigenanteile wird zwar intensiv diskutiert, aber eine Diskussion um Chancen und Risiken damit verbundener systemischer Veränderungen wird bisher nicht ausgewogen geführt. Eine ausreichende Finanzierung der Pflege ist nach heutigem Stand nur bis zum Jahr 2022 gesichert.

Mehr Ausbildung.

Zum Thema „Ausbildung“ hatten sich die KAP-Partner bereits im Januar 2019 auf insgesamt 111 Maßnahmen verständigt, um mehr Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern und die Ausbildungsbedingungen zu verbessern. Alle Akteure wollen in einer gemeinsamen „Ausbildungsoffensive Pflege“ von 2019 bis 2023 die Pflegeschulen bei der Einführung der neuen, generalistischen Pflegeausbildungen unterstützen, die gemäß Pflegeberufegesetz am 1. Januar 2020 starten. Die Ausbildungsstätten sollen unter anderem dazu befähigt werden, die digitalen Weiterentwicklungen im Arbeitsfeld Pflege adäquat in ihrem Unterricht abzubilden.

Grafik zum Anteil der Beschäftigten, die ihre Entlohnung nicht angemessen finden

Die meisten Beschäftigten in der Pflege (94 Prozent) meinen, dass ihre Arbeit einen großen gesellschaftlichen Nutzen hat. Gleichzeitig sind fast drei von vier Pflegepersonen aber der Ansicht, dass ihre Tätigkeit nicht durch angemessene Löhne gewürdigt wird. Insbesondere Beschäftigte in der Altenpflege fühlen sich nicht ihren Leistungen entsprechend bezahlt. Das ist das Ergebnis einer Sonderauswertung zu den Arbeitsbedingungen in der Alten- und Krankenpflege, für die Angaben aus den bundesweiten Repräsentativbefragungen zum DGB-Index Gute Arbeit aus den Jahren 2012 bis 2017 zusammengefasst wurden.

Quelle: Institut DGB-Index Gute Arbeit/ver.di, 2018

Sowohl die Zahl der ausbildenden Einrichtungen als auch die Zahl der Auszubildenden soll bis 2023 im Bundesdurchschnitt um jeweils zehn Prozent steigen. Auch die Zahl der Studienplätze für eine hochschulische Pflegeausbildung soll aufgestockt werden. Die Verbände der Pflegeeinrichtungen haben sich dazu verpflichtet, mindestens 5.000 Weiterbildungsplätze zur Nachqualifizierung von Pflegehelferinnen und -helfern zur Verfügung zu stellen. Bund und Länder wollen prüfen, wie sich die Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Bildungsgängen in der Pflege erhöhen lässt. Außerdem sollen arbeitslose, lebens- und berufserfahrene Menschen verstärkt auf die Möglichkeit einer Umschulung zur Pflegekraft hingewiesen werden.

Eine breite Informationskampagne und eine detaillierte Berufsberatung sollen Menschen aller Altersgruppen, insbesondere mehr männliche Jugendliche sowie Menschen mit Migrationshintergrund, für eine Pflegeausbildung begeistern. Eine zentrale Rolle soll dabei das Informationsportal pflegeausbildung.net des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) spielen.

Mehr Verantwortung.

Der Sachverständigenrat für die Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat bereits vor mehr als einem Jahrzehnt in seinem Gutachten „Kooperation und Verantwortung“ die Bedeutung der interprofessionellen Kooperation unterstrichen, die diese für die Versorgungsqualität, aber auch für die Arbeitszufriedenheit der beteiligten Berufsgruppen habe. Die KAP-Arbeitsgruppe „Innovative Versorgungsansätze und Digitalisierung“ hat nun eine Reihe von Maßnahmen vereinbart, um neue Aufgaben- und Verantwortungsbereiche für Pflegefachpersonen zu identifizieren und umzusetzen. Das Bundesministerium für Gesundheit hat zugesagt, noch in diesem Jahr damit zu beginnen, Strategien für die interprofessionelle und sektorenübergreifende Zusammenarbeit zu entwickeln. Die bestehenden Möglichkeiten, Heilkunde auf Pflegefachpersonen zu übertragen, sollen besser genutzt und Umsetzungshürden abgebaut werden. Ab 2020 sind die Krankenkassen in der Pflicht, verschiedene Ansätze zur Neuordnung ärztlicher Tätigkeiten in Modellvorhaben zu erproben.
 
Die interprofessionelle Arbeitsteilung birgt ein großes Potenzial, um die Kooperation im Gesundheitswesen zu verbessern. Eine neue Rollenaufteilung zwischen den Pflege- und anderen Gesundheitsberufen, insbesondere Ärzten, ist zudem geeignet, die Arbeitszufriedenheit der Pflegefachpersonen zu steigern. Dass durch die Konzertierte Aktion Pflege jetzt ein Strategieprozess angestoßen wurde, der die Frage der kooperativen Arbeitsteilung und der Zusammenarbeit der Gesundheitsprofessionen vom Standpunkt der Pflege ausgehend neu denkt, ist vor diesem Hintergrund ein richtiger und wichtiger Schritt.

Mehr Digitalisierung.

Der Einsatz digitaler und technischer Lösungen in der Gesundheitsversorgung bietet vielfältige Chancen, um beruflich Pflegende zu entlasten und die Attraktivität des Berufsfelds zu steigern. Die KAP-Partner wollen darum sowohl Pflegedienste als auch stationäre Pflegeeinrichtungen an die Telematik-Infrastruktur anbinden. Pflegedienste sollen ab dem 1. Oktober 2022 Leistungen der Pflegeversicherung und ab dem 1. April 2023 auch Leistungen der häuslichen Krankenpflege nur noch elektronisch mit den Kassen abrechnen. Mittelfristig soll die Pflege komplett auf elektronische Datenverarbeitung umgestellt werden. Ziel ist es, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren und die Arbeitsverdichtung abzumildern. Auch die Möglichkeiten der Telepflege und Telemedizin sollen weiterentwickelt und – insbesondere in dünn besiedelten Gebieten – verstärkt zur Entlastung der Pflegefachpersonen genutzt werden. Vereinbart wurde auch, beruflich Pflegende aktiv und frühzeitig an der Einführung technischer Innovationen zu beteiligen.

  • Bundesministerium für Gesundheit (Hrsg.): Konzertierte Aktion Pflege. Vereinbarungen der Arbeitsgruppen 1 bis 5. Download
  • AOK-Bundesverband: Dossiers zum Thema Pflege
  • Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: pflegeausbildung.net
  • Nadine-Michèle Szepan: Mehr Köpfe für die Pflege. G+G 2/2019, S. 22-28
  • Klaus Jacobs et al.: Pflege-Report 2019. Schwerpunkt: Mehr Personal in der Langzeitpflege – aber woher? Springer, Berlin Heidelberg 2019
  • Institut DGB-Index Gute Arbeit/ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Hrsg.): Arbeitsbedingungen in der Alten- und Krankenpflege. Berlin 2018. Download

Für die Digitalisierung in der Pflege haben die KAP-Beratungen einen großen Schub nach vorn gebracht: Mit dem Referentenentwurf des Digitale Versorgung-Gesetzes hat deren Notwendigkeit nun erstmalig Eingang in ein Gesetzgebungsverfahren gefunden. Richtig eingesetzt, hilft die Digitalisierung dabei, die Pflege stärker mit anderen Professionen zu vernetzen, und kann auch die Abläufe in der Pflege unterstützen – umso mehr Zeit bleibt dem Pflegepersonal für die zuwendungsorientierte Pflege.

Konzertiert oder kleinkariert?

Nach der Vorstellung der Ergebnisse gab es Lob, aber auch kritische Stimmen: „Masse statt Klasse“ sei am Ende herausgekommen, der große Wurf hingegen ausgeblieben. Aus Sicht der AOK fällt die Bilanz jedoch positiv aus: Die KAP hat zahlreiche gute Lösungen für die Pflege entwickelt und deutlich gezeigt, dass die vielfältigen Problemfelder in der Pflege vielschichtige Lösungsansätze erfordern.

Um die Situation in der Pflege zu verbessern, muss an vielen Baustellen gleichzeitig gearbeitet werden. Die wichtigsten dieser Baustellen haben die fünf Arbeitsgruppen sehr gut abgebildet. Der Diskussions- und Abstimmungsprozess war angesichts der hochkomplexen Materie und der gegensätzlichen Interessen oft sehr mühsam. Und nicht zuletzt war auch die Agenda der Konzertierten Aktion Pflege sehr anspruchsvoll: Sie sollte nicht nur parallel laufende Gesetzgebungsprozesse begleiten, sondern auch Probleme präzise benennen, Gesetzesinitiativen anstoßen, Umsetzungshilfen für die Erfüllung gesetzlicher Aufträge (zum Beispiel auf dem Gebiet der Heilkundeübertragung) erarbeiten, Best-practice-Beispiele verbreiten und an Strategien für die Weiterentwicklung des Versorgungssystems mitarbeiten.

Konstruktiv statt Klein-Klein.

Der Abschlussbericht enthält keine wesentlichen Neuerungen oder Überraschungen. Gleichwohl wurde ein wichtiges Etappenziel erreicht: Alle Beteiligten haben sich darauf verständigt, welche Vorhaben sie gemeinsam angehen müssen und wollen. Es ist das große Verdienst der Konzertierten Aktion Pflege, dass sie die zentralen Problemfelder, Zuständigkeiten und Lösungsmöglichkeiten identifiziert, benannt und strukturiert aufbereitet hat. Als Ergebnis kann sie konkrete, konsentierte Handlungsleitungen vorweisen – verknüpft mit der Selbstverpflichtung der Beteiligten, diese auch umzusetzen. Im konsentierten Abschlussbericht sind die notwendigen Maßnahmen detailliert beschrieben. Jetzt geht es um die Frage: Wer setzt was um? Dazu gibt es einen Monitoringprozess. In einem Jahr wird erstmals bilanziert, wie weit die Umsetzung dieser Selbstverpflichtungen gediehen ist. Es bleibt derzeit spannend, ob die in der Verantwortung der Ministerien auf Bundes- und Landesebene liegenden Maßnahmen tatsächlich angegangen werden, stehen sie doch im Abschlussbericht der KAP grundsätzlich unter Haushaltsvorbehalt.
 
Die KAP hat eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass eine konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten viel für die Pflege bewegen kann. Nun müssen die Ergebnisse zügig umgesetzt werden. Auch dabei hängt viel davon ab, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen und die gemeinsam vereinbarten Ziele nicht im Klein-Klein der Partikularinteressen zerrieben werden. Die Zukunft der Pflege hängt letztlich davon ab, ob den handelnden Personen der Sprung über den eigenen Schatten gelingt. Andreas Westerfellhaus, der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, hat jedenfalls vorsorglich bereits angekündigt, er werde „notfalls öffentlich Ross und Reiter benennen, falls Beteiligte einzelne Maßnahmen aussitzen, blockieren oder boykottieren wollen.“

Nadine-Michele Szepan leitet die Abteilung Pflege im AOK-Bundesverband.
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