Versorgungsmanagement

Hilfe bei seltenen Krankheiten

Die Odyssee von Menschen mit einer seltenen Erkrankung beenden – dafür steht ihnen am Mitteldeutschen Kompetenznetz eine ärztliche Lotsin zur Seite. Die AOK Sachsen-Anhalt fördert die Stelle seit fünf Jahren. Von Christian Wohlt

Seltene Erkrankungen können

Patienten stark belasten. Lange Zeit waren sie eher ein Randthema in der Medizin. Dabei sind seltene Erkrankungen insgesamt gar nicht so selten, weiß Ärztin Dr. Katharina Schubert. Allein in Deutschland leiden Schätzungen zufolge etwa vier Millionen Menschen darunter.
 
Dr. Katharina Schubert fungiert im Mitteldeutschen Kompetenznetz Seltene Erkrankungen (MKSE) als Lotsin für Patienten und Ärzte. Das MKSE vernetzt die Spezialisten der Region mit Medizinern und Wissenschaftlern anderer Teile Deutschlands und der Welt. Während in Sachsen-Anhalt das MKSE zentrale Beratungsstelle für Ärzte und Patienten mit seltenen Erkrankungen ist, gibt es bundesweit weitere Einrichtungen.

Schneller zur richtigen Therapie.

Seit fünf Jahren beteiligt sich die AOK Sachsen-Anhalt mit 55.000 Euro jährlich an der Finanzierung der Stelle der MSKE-Lotsin und fördert damit die interdiszipli­näre Zusammenarbeit des Zentrums und ihre fachliche Bündelung. „Ziel ist eine bessere medizinische und wirtschaftlichere Versorgung der Patienten“, sagt Andreas Goldmann, Referent für strategische Versorgungsplanung der Gesundheitskasse. Seltene Erkrankungen sollten möglichst im Frühstadium erkannt, das Fortschreiten herausgezögert und schneller der richtige Therapieweg gefunden werden. „Für die Patienten bedeutet das, bessere Chancen auf Hilfe und vielleicht sogar auf Heilung“, so Goldmann. „Seltene Erkrankungen sind zu 80 Prozent genetisch bedingt. Die Beschwerden beginnen oft schon im Kindesalter, können aber auch erst im Erwachsenenalter einsetzen“, berichtet Dr. Schubert, die derzeit ihre Ausbildung zur Fachärztin für Kinderheilkunde absolviert. Die gebürtige Blankenburgerin ist seit 2011 am Universitätsklinikum Magdeburg tätig.

Die richtige Diagnose ist der Schlüssel für eine optimale Therapie.

„Den Patienten fehlt oft der richtige Ansprechpartner. Dass die AOK unsere Arbeit in diesem Maße unterstützt, ist sehr wichtig. Viele unserer Patienten haben einen langen Leidensweg hinter sich. Die Förderung der Lotsenstelle setzt am Herzstück des MKSE an“, lobt die Ärztin.   

Fallkonferenzen mit Spezialisten.

Als Lotsin ist Dr. Schubert die erste Anlaufstelle für Patienten und Ärzte. Sie sucht nach einem Spezialisten, der die richtige Diagnostik in Gang setzt. Dafür setzt sie sich intensiv mit der Krankengeschichte auseinander. Mithilfe von Kollegen verschiedenster Fachrichtungen bringt sie die Fälle in den interdisziplinären Fallkonferenzen ein, um dann den Patienten Empfehlungen für weitere diagnostische Maßnahmen zu geben oder Anlaufstellen zu benennen. Im vergangenen Jahr hatte sie rund 300 Patienten aus Mitteldeutschland betreut.

Krankheiten gelten dann als selten, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Etwa 7.000 bis 8.000 verschiedene seltene Erkrankungen sind derzeit verzeichnet. Wegen des Fortschritts in Forschung und Diagnostik kommen immer wieder neue hinzu. Die richtige Diagnose ist der Schlüssel für eine optimale Therapie, etwa bei Kongenitalem Hyperinsulin­ismus. Dabei handelt es sich um eine seltene angeborene Störung der Bauchspeicheldrüse, die durch erhöhte Insulin­ausschüttung und daraus resultierender Unterzuckerung gekennzeichnet ist. In vielen Fällen lässt sie sich inzwischen medikamentös oder operativ behandeln. Ein weiteres Beispiel ist Morbus Pompe, eine Speicherkrankheit, die zur Muskelschwäche führt. Sie ist inzwischen mit Medikamenten behandelbar. Auch bekannte Stoffwechselerkrankungen, wie Mukoviszidose, zählten zu den seltenen Erkrankungen. Die Diagnosestellung ist inzwischen beim Neugeborenen-Screening möglich.

Austausch mit europäischen Zentren.

Das MKSE wurde 2014 unter Leitung von Professor Dr. Klaus Mohnike als Kooperation der Universitätskliniken Magdeburg und Halle gegründet. Unter Mitwirkung der Professoren Martin Zenker vom Universitätsklinikum Magdeburg, sowie Kerstin Lorenz und Cord Sunderkötter vom Universitätsklinikum Halle bietet das Zentrum mit der ärzt­lichen Lotsin Hilfestellung bei unklarer Diagnose und bei einer bekannten seltenen Erkrankung. Das MKSE ist eng verknüpft mit Europäischen Referenznetzwerken, die unter anderem für Patienten mit Kleinwuchs, angeborenem Hyperinsulinismus oder Stoffwechsel­erkrankungen eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Fachzentren und Ärzten aus ganz Europa ermöglichen.

Christian Wohlt ist freier Redakteur in Sachsen-Anhalt.
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