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Kommentar

Der schlummernde Datenriese

Die Unmenge an Gesundheitsdaten birgt viel Potenzial zur Verbesserung der Versorgung. Die Debatte über den sorgsamen Umgang damit muss jetzt beginnen, findet Rebecca Beerheide.

Gesundheitsdaten sind das neue Gold.

Patientendaten sollen bei Digitaldieben interessanter sein als Kreditkarteninformationen: Im Gesundheits­wesen schlummert ein Datenriese, der vielfach für Aufregung sorgt. Anfang November, 72 Stunden vor Beschluss des Digitale-Versorgung-Gesetzes, gab es heftige Kritik der Opposition an den Paragrafen zum reformierten Datenaustausch von Abrechnungsdaten. Die Regierungskoalition schwächte die Formulierungen dann in letzter Minute noch etwas ab – doch der Eindruck blieb: Hier passiert etwas, was nicht sein sollte. Auch gibt es wöchentlich Meldungen, dass in Arztpraxen Patientendaten offen zugänglich wären. Problem sei die Telematikinfrastruktur mit ihren Konnektoren, sagen die Schwarz­maler, die die Schuld daran dem kompletten Vorhaben eines digitalisierten Gesundheitswesens geben. Der Laie vermischt diese Meldungen, die öffentliche Verunsicherung ist perfekt. Die Experten sollten eine klarere Sicht auf die technischen Zusammenhänge von Datenaustausch im Gesundheits­wesen haben und die Begriffe Datenschutz und Datensicherheit besser aus­einanderhalten können.

Neben Sicherheit und Schutz ist auch Zugang zu Daten wichtig.

Gleichzeitig ist es fast absurd, dass jeder Online-Käufer sein Päckchen besser verfolgen kann als ein Arzt den Behandlungsablauf seines Patienten. Oder: Dass Google zwei Wochen vor dem Robert Koch-Institut weiß, dass eine heftige Grippewelle durchs Land rollt – einfach, weil mehr Menschen als sonst in der Suchmaschine nach Symptomen und Hausmittelchen forschen. Dieses Wissen sollte in der Versorgung jedem, der damit zu tun hat, früher vorliegen. Daher ist neben Sicherheit und Schutz auch der Zugang zu Daten wichtig – und zwar nur für die, die Versorgung gestalten und direkt am Patienten arbeiten.
 
Die Unikliniken oder die Arztpraxen produzieren jeden Tag unvorstellbare Mengen an Versorgungsdaten. Nur leider kann kaum ein Gesundheitswissenschaftler etwas damit anfangen: Da Datenanalysten fehlen oder die Weitergabe zu lange dauert, schlummert der Datenriese weiter. Wenn man diesen Goldschatz in Deutschland heben würde, könnte Prävention früher angeboten und organisiert werden, oder es ließen sich gar Versorgungsbrüche an den Sektorengrenzen verhindern. Die Diskussion über den übergreifenden, sicheren und geschützten Umgang mit wertvollen Gesundheitsdaten muss jetzt beginnen.

Rebecca Beerheide ist Leiterin der Politischen Redaktion beim Deutschen Ärzteblatt.
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