Einwurf

Suchthilfe nutzt Digitalisierung

Recherche im Netz, Orientierung per App, Termine buchen: Digitale Angebote unterstützen die kommunale Suchthilfe, sagt Drogenbeauftragte Daniela Ludwig. Den persönlichen Kontakt sollen sie aber nicht ersetzen.

Daniela Ludwig, Drogenbeauftragte der Bundesregierung

Die kommunale Suchthilfe

und Suchtberatung sind in Deutschland Dreh- und Angelpunkte, wenn es darum geht, suchtkranken Menschen zu helfen.  Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind jeden Tag aufs Neue herausgefordert, diese meist lebenswichtigen Aufgaben zu meistern. Bereits jetzt steigt die Zahl der Beratungsfälle in Deutschland kontinuierlich an.

Insgesamt gelten knapp zehn Millionen Menschen als suchtkrank: Sie sind abhängig von illegalen oder legalen Substanzen. Sucht ist also keine Randerscheinung, sondern betrifft Menschen in unserer Mitte, denen geholfen werden muss.

Auf meiner Jahrestagung im Dezember 2019 haben mehr als 300 Expertinnen und Experten aus ganz Deutschland darüber diskutiert, wie sich die Beratungsstellen und Hilfesysteme aufstellen müssen, um auch in den kommenden Jahren wirksame Unterstützung für Betroffene und deren Angehörige anbieten zu können – analog wie digital. Als Kommunalpolitikerin weiß ich, dass über Digitalisierung überall gesprochen wird: Ob auf dem Dorf oder in der Großstadt, jede Gemeinde, jede Stadt betrifft die Frage, wie Digitalisierung gestaltet werden kann. Was macht Digitalisierung mit unserer Gesellschaft, wie können wir sie aktiv gestalten, was funktioniert schon gut, was muss besser werden?

Bei schweren Krisen brauchen Menschen jemanden, der ihnen zuhört.

Auf der Tagung haben wir über die Möglichkeiten der Digitalisierung für die Akteure der Suchthilfe und Suchberatung gesprochen. Kernfrage war dabei, wie sich Suchthilfe und Suchtberatung besser mit den Kommunen vernetzen können, auch im Hinblick auf die Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet. Die Anforderungen an die Kommunen sind nicht immer vergleichbar, aber vieles lässt sich durch gutes Netzwerken und Erfahrungsaustausch besser und schneller bewältigen. Dabei geht es hier nicht um ein pauschales Ersetzen analoger Angebote durch digitale Technologien, sondern um ein gut geplantes, sinnvolles Vorgehen: Termine buchen, Recherche im Netz, Orientierung per App – all das kann gut digital funktionieren. Aber bei schweren Krisen brauchen Menschen einen persönlichen Kontakt, jemanden, der ihnen zuhört.

Im Tutorium „Kommune 2040 – Miteinander in die Zukunft“ im Rahmen der Jahrestagung haben sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die sich verändernden Rahmenbedingungen in der Suchthilfe ausgetauscht und einen Blick in die Zukunft gewagt. Auch hier drängte sich der Mega­trend Digitalisierung auf: Was sind die großen Herausforderungen für die Suchthilfe in den nächsten 20 Jahren und wie werden Suchthilfeangebote in der Zukunft aussehen? Der digitale Wandel ist bereits in der Suchthilfe angekommen. Ganz ohne Digitalisierung wird ein Großteil der Suchthilfeangebote in der Zukunft nicht auskommen. Deutlich wurde auch, dass Bedarf an einem verbands- und länderübergreifenden Handeln besteht. Nicht jedes Bundesland sollte sein eigenes Süppchen kochen, sondern alle an einem Strang ziehen, um zielgruppenorientierte und vor allem einfach zugängliche Angebote für Hilfesuchende zu ermöglichen – und das unabhängig von Öffnungszeiten.

Vieles läuft in den Kommunen schon sehr gut. An mancher Stelle gibt es allerdings noch große Herausforderungen, die von allen Beteiligten und nicht nur wenigen angegangen werden müssen. Dabei geht es nicht ohne Einfallsreichtum. Mit einer cleveren Strategie, einer Portion Idealismus und einem starken Willen ist vieles möglich.

Moderne Drogen- und Suchtpolitik braucht auf kommunaler Ebene, auf Länder- und auf Bundesebene einen engagierten Dialog, einen vorurteilsfreien, offenen Blick auf die Themen, die so viele Menschen betreffen: Familien, Freunde, Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen. Dabei hilft der Blick über den eigenen Tellerrand. Politik und insbesondere Drogenpolitik geht nur gemeinsam voran. Somit sind wir alle auf ein gutes Netzwerk – menschlich und digital – angewiesen, um die Gesundheit weiter zu stärken.

Daniela Ludwig ist seit September 2019 Drogenbeauftragte der Bundesregierung.
Bildnachweis: Bundesregierung