Interview

„Unterstützung im Kleinen“

Wenn Eltern im Alter Unterstützung benötigen, leben die erwachsenen Kinder oft nicht in der Nähe. Wie das Projekt „Pflegende Angehörige im Tausch“ mithilfe einer online-basierten Plattform verlässliche Ansprechpartner vermitteln möchte, erklärt Prof. Dr. Susanne Busch.

Frau Professorin Busch, wie entstand die Idee zu „Pflegende Angehörige im Tausch“ (AniTa)?

Susanne Busch: Ich habe selbst Eltern, die weit entfernt leben und Unterstützung brauchen. Mir fiel auf, dass ich kaum Zeit für schöne Unternehmungen, wie einen Konzertbesuch oder Spaziergang, mit ihnen hatte. Wenn ich einmal dort war, standen stattdessen Arztbesuche, Großeinkäufe und Reparaturen auf dem Programm. Hier setzt AniTa an: Durch das Tauschprogramm soll die Kernfamilie entlastet werden. Vor dem Hintergrund einer älter werdenden Gesellschaft und Familien, die nicht wie früher unter einem Dach leben, wird es diese Situation immer häufiger geben. Das Tauschprogramm soll vorhandene Potenziale aktivieren und das bürgerschaftliche Engagement stärken.

Porträt von Prof. Dr. Susanne Busch, Initiatorin und Projektleiterin von „AniTa

Zur Person

Prof. Dr. Susanne Busch ist Initiatorin und Projektleiterin von „AniTa“ an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg.

Wie läuft die Suche nach einem Tauschpartner in der Praxis ab?

Busch: Interessierte können sich auf unserer Plattform www.anita-familie.de anmelden. Wir programmieren gerade einen Algorithmus, um passende Tauschpartner leichter finden und miteinander in Kontakt bringen zu können. Ganz wichtig ist, alle Regeln der Datenschutzgrundverordnung einzuhalten. Dadurch sind uns leider auch ein stückweit die Hände gebunden, da wir relativ wenig Daten erfassen dürfen. Zudem ist es schwierig, einen direkten Tausch zu arrangieren. In der Realität ist es eher so, dass sich die meisten interessierten Menschen erst einmal selbst engagieren möchten, weil sie das Problem aus ihrem eigenen Familienkreis kennen.

Wann werden Sie die ersten Tauschpartner vermitteln können?

Busch: Das Projekt ist Mitte 2017 gestartet und wird vom GKV-Spitzenverband gefördert. Gerade sind wir noch dabei, die Tauschbörse weiter aufzubauen und Kontakte anzubahnen. Das braucht alles seine Zeit. Der Aufbau einer solchen Plattform klappt nicht von heute auf morgen.

Das Tauschprogramm soll Potenziale aktivieren und das bürgerschaftliche Engagement stärken.

Wie gelingt es, Vertrauen zwischen den Teilnehmern herzustellen?

Busch: Die Vermittlung soll so sicher wie möglich ablaufen. Bevor überhaupt eine Betreuungsituation beginnen kann, muss ein Kennenlerntreffen stattfinden – am besten an einem neutralen Ort. Es besteht auch die Möglichkeit, ein solches Treffen durch uns oder unsere Partner begleiten zu lassen. Durch Informationsmaterial versuchen wir, über einen guten Umgang miteinander aufzuklären. Dazu gehört beispielsweise auch der Hinweis, den Hausschlüssel erst einmal nicht aus der Hand zu geben. Um Ängste abzubauen, ist es auch möglich, den Tauschpartner um ein polizeiliches Führungszeugnis zu bitten. Ein solches Anliegen sollte allerdings immer vorsichtig vorgetragen werden, um niemandem vor den Kopf zu stoßen.

Wie weit geht die Pflege und Unterstützung beim Tauschpartner?

Busch: Es geht vor allem darum, Unterstützung im Kleinen zu leisten. Damit ist keine Pflege oder hauswirtschaftliche Versorgung gemeint, sondern niedrigschwellige Hilfsangebote. Das können gemeinsame Spaziergänge, ein Café­besuch oder auch einmal eine Fahrt zum Arzt sein. Wichtig ist der regelmäßige Austausch der unterstützenden Person mit den Angehörigen. Die Tauschperson erlebt den älteren Menschen im Alltag und kann so besser einschätzen, ob sich sein Zustand verschlechtert hat und die Angehörigen möglichst schnell vor Ort sein sollten. Eine solche Beobachtung kann für die Angehörigen, die weit weg wohnen, sehr wertvoll sein.

Tina Stähler führte das Interview. Sie ist Redakteurin der G+G.
Bildnachweis: privat