Anno
Kommentar

Richtiger Kurs für Notfälle

Gesundheitsminister Jens Spahn hat einen ersten Entwurf für die künftige Notfallversorgung vorgelegt. Der geplante Umbau ist zur besseren Steuerung der Patienten sinnvoll, meint Anno Fricke.

Die Notfallversorgung in Deutschland

steht vor einer umfassenden Reform. Die Große Koalition will Vertragsärzte und Krankenhäuser per Gesetz zu einer sektorenübergreifenden Versorgungsform zwingen, die die Akteure dieses Mal nicht vor aller Augen weitgehend ignorieren können – wie zum Beispiel bei der Ambulanten Spezialfachärztlichen Versorgung (ASV).

Ziel der Änderungen ist es, Patienten in Not frühzeitig in die geeignete Versorgungsebene zu steuern, also in die Arztpraxis oder ins Krankenhaus. Zoff gibt es um die Integrierten Notfallzentren (INZ) an ausgewählten Krankenhäusern. Gemeinsam sollen dort Klinik- und Vertragsärzte nach einer standardisierten Ersteinschätzung über den Versorgungsbedarf entscheiden. Die fachliche Leitung soll bei den Vertragsärzten liegen. Das lehnt die Krankenhausseite kategorisch ab.

Aus den Plänen fallende kleine Kliniken sind nicht verloren.

Der Gesetzgeber liegt mit dieser Zuordnung aber völlig richtig. Es geht um ambulante Medizin, konkret darum, die mit den rund 700 aktiven Portalpraxen längst erfolgte Verlagerung der vertragsärztlichen Bereitschaftsdienste an die Krankenhäuser zu ordnen. Neu an dem Konzept ist, dass sich die Patienten dann nicht mehr zwischen der Portalpraxis und dem zusätzlichen Angebot der Krankenhaus-Ambulanz entscheiden können. In letzterer vermutet die Politik eine Grauzone, in der aus manch „ambulantem Fall“ eine für die Solidargemeinschaft teurere „Fallpauschale“ wird.

Hier liegt der tiefere Kern der Reform der Notfallversorgung. Die an sich zuständigen Länder tun sich aus politischen Gründen schwer mit einem der Ambulantisierung der Medizin folgenden Umbau der Krankenhauslandschaft. Mit einem Strukturfonds, Vorgaben zu Mindestmengen und Zentrenbildung versucht der Bund hier schon lange, ordnungspolitisch zu helfen. Und jetzt auch mit der Reform der Notfallversorgung. Wo INZ entstehen, sollen mehrheitlich Kassen und Vertragsärzte entscheiden können. Nicht jedes „Sankt Maria am Waldesrand“ soll eine solche Einrichtung erhalten. Die Länder bekämen damit ein weiteres Argument für eine Neu-Allokation ihrer ohnehin viel zu knapp bemessenen Investitionsmittel an die Hand.

Aus den Plänen fallende Kleinkliniken wären für die Versorgung aber nicht verloren. Aus ihnen könnten Gesundheits- und Pflegezentren entstehen. Dafür gibt es längst Vorbilder.

Anno Fricke ist Redakteur im Hauptstadtbüro der Ärzte Zeitung.
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