Interview

„Wir stärken die Attraktivität der Gesundheitsberufe“

Angehende Pflegefachkräfte lernen auf einer interprofessionellen Ausbildungsstation am Uniklinikum Freiburg gemeinsam mit Medizinstudierenden. Dadurch verbessert sich die Kommunikation zwischen den beiden Berufsgruppen, sagt Dr. Sebastian Bode.

Herr Dr. Bode, was ist interprofessionelle Ausbildung?

Sebastian Bode: Laut Weltgesundheitsorganisation findet interprofessionelle Ausbildung statt, wenn Lernende verschiedener Gesundheitsberufe von, mit und übereinander lernen. Genau das machen wir auf der interprofessionellen Ausbildungsstation in der Pädiatrie am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Freiburg. Es geht nicht nur darum Faktenwissen in einem interprofessionellen Team zu lernen, sondern zu fragen: Wie arbeiten die anderen? Warum arbeiten Menschen anderer Gesundheitsberufe so oder so? Was haben meine Kolleginnen und Kollegen für Kompetenzen, die ich nicht mitbringe, worauf ich mich aber verlassen kann und was das Beste für den Patienten ist?

Sebastian Bode, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitäts­klinikum Freiburg und ärztlicher Projektleiter der IPAPÄD (Interpro­fessionelle Ausbildungsstation in der Pädiatrie)

Zur Person

Dr. Sebastian Bode ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitäts­klinikum Freiburg und ist ärztlicher Projektleiter der IPAPÄD (Interpro­fessionelle Ausbildungsstation in der Pädiatrie).

Wie kamen Sie auf die Idee zu einer interprofessionellen Ausbildungsstation?

Bode: Gemeinsam mit der Sozialwissenschaftlerin und Kinderkrankenpflegerin Christine Straub haben wir schon länger interprofessionelle Lehrveranstaltungen angeboten. Allerdings theoretisch in Form eines Seminars für Studierende aus Medizin, Sozialer Arbeit, Psychologie und weiterer Studiengänge. Die Medizinstudierenden wollten, dass wir dieses Seminar für Pflegeauszubildende öffnen, da sie mit denen künftig zusammenarbeiten. Daraus entstand die Idee, eine Ausbildungsstation für Medizinstudierende und Pflegefachkräfte zu konzipieren. Beide Berufsgruppen arbeiten hier auf Augenhöhe zusammen und übernehmen gemeinsam Verantwortung für Patientinnen und Patienten. Dabei werden sie sowohl von approbierten Ärztinnen und Ärzten als auch von examinierten Pflegekräften betreut – die Patientensicherheit steht für uns im Mittelpunkt.

Wie lernen die beiden Berufsgruppen voneinander?

Bode: Ein gutes Beispiel ist die ärztliche Verordnung und das pflegerische Richten von Antibiotika. Es macht keinen Sinn, wenn ein Arzt anordnet, dass ein Kind zum Beispiel 332 Milligramm Antibiotika bekommen soll, selbst wenn das die korrekt errechnete Dosis ist. Denn die Pflegefachkraft kann so eine Dosis gar nicht aufziehen. Ein anderes Beispiel ist die Inhalationstherapie: Ärztlich angeordnet wird das jeweilige Medikament. Bei der Inhalation kann die Pflegefachkraft ihr Wissen einbringen. So entsteht ein Verständnis für die Entscheidungen der anderen Berufsgruppen. Davon profitieren alle, besonders die Patientinnen und Patienten.

Welche Effekte hat die interprofessionelle Ausbildung auf den Berufsalltag?

Bode: Bei uns können die Studierenden und Pflegeauszubildenden in einem geschützten Rahmen den Berufsalltag trainieren. Wir lassen das Team nach einer gewissen Zeit selbstständig arbeiten. Wir sind dabei, beobachten und geben später Feedback. So lernen die Teilnehmenden nicht nur medizinisch-pflegerische, sondern auch interprofessionelle und kommunikative Kompetenzen. Für den späteren Umgang mit der jeweils anderen Berufsgruppe entsteht so ein anderes Verhaltensmuster. Die Ärzte gehen viel offener auf die Pflegekräfte zu und die Pflegekräfte übernehmen später mehr Verantwortung in ihrem Beruf. Mit diesem Projekt können wir die Attraktivität der Gesundheitsberufe stärken. Das ist wichtig, gerade in Zeiten von Ärzte- und Pflegekräftemangel.

Oliver Häußler führte das Interview. Er ist freier Journalist in Tübingen.
Bildnachweis: Universität Freiburg