Einwurf

Biete barrierefreie Comedy

Dürfen wir Behindertenwitze lustig finden? Für Martin Fromme ist allein die Frage schon absurd. Der Comedian rät dazu, miteinander übereinander zu lachen, um Unsicherheiten und Berührungsängste abzubauen.

Foto von Martin Fromme, Comedian

Humor sollte irritieren.

Behinderung macht das per se. Wenn man beides mixt, dann sorgt der Cocktail bei manchen Menschen für Verunsicherung und Verwirrung. Woran das liegt, ist klar. Man ist unsicher, ob man über Witze mit der Thematik „Behinderung“ lachen darf. Darf man denn? Alleine die Frage ist schon absurd. Warum sollten Witze über andere Randgruppen erlaubt sein und bei Behinderten die Schranken runtergehen? Während wir humoristisch unbeackert am hektisch blinkenden Andreaskreuz weinend stehen bleiben sollen, können Dicke, Blondinen, Donald Trump, Ostfriesen, Homosexuelle und dicke homosexuelle Ostfriesen ohne Reue ihr Recht auf satirische Diskriminierung beanspruchen. Und genau da liegt der Fehler. Nur wenn man Objekt der Komik ist, dann findet keine Marginalisierung statt. Einbeziehen statt Ausgrenzung. Das ist Inklusion.

Ich plädiere im Haifischbecken der Spaßgesellschaft für mehr Gelassenheit. Alle Menschen sind gleich. Jeder ist in irgendwas irgendwie eine Minderheit. Und jede Minderheit hat das Recht, auf die zu Schippe genommen zu werden oder dies selbst zu tun. Besonders im Bereich „Behinderung“ klappt das Prinzip, das Tabu bei den Hörnern zu packen und dieses Mysterium zu entschlüsseln, ganz hervorragend. Das ist humoristische Emanzipation. Normal im vermeintlich Unnormalen. Aber was ist schon normal? Das führt bei meinen Shows anfänglich zu hektischem auf dem Stuhl Herumrutschen, dem Kontrollblick zum lachenden Nebenan, dem Loslassen und dann fast immer zum befreienden hysterischen Freudenschrei. Miteinander übereinander zu lachen, die eigenen Unsicherheiten und Berührungsängste zu hinterfragen, das sollte das Ziel sein. Hier geht es nicht ums Auslachen, sondern um Reflexion. Was politisch korrekt ist oder inkorrekt, das muss sich jeder selber beantworten.

Nur wenn man Objekt der Komik ist, findet keine Marginalisierung statt.

Erfahrungsgemäß sind es Nicht-Behinderte, die uns komplett in Watte packen wollen und uns damit sanft ersticken. Die härtesten Behindertenwitze kommen von den Betroffenen selbst. Niemand will in Gewahrsam genommen werden und von humanistischen Humorfanatikern guantanomisiert werden. Wegsperren nützt da nichts. Da muss ein Witz nach dem anderen aus den Gefängnismauern entfliehen, um zu sehen, ob der eine oder andere Gag doch wieder lebenslang hinter Gitter sollte. Aber eins ist sicher: Nur um dazuzugehören, ertragen wir keine Kreisklassen-Kalauer. Da gibt es sofort die rote Karte.

Fakt ist: Es gibt Behindertenwitze. Aber man sieht sie nicht. Im TV, in Spielfilmen, auf Bühnen, sogar nur sporadisch im Netz. Obwohl es da doch so schön anonym ist. Und genau das wäre wichtig: Öffentlichkeit zu schaffen durch Sichtbarkeit. Ein Bild zu zeigen abseits von jedweder Betroffenheitslyrik. Ein mediale Plattform zu bieten, die polarisiert, zu Diskussionen anregt, dazu beiträgt, dass man uns vielleicht für komplett durchgedreht hält oder erschreckenderweise für spießig und normal. So gäbe es eine Möglichkeit der Begegnung auf Augenhöhe. Auch für Kleinwüchsige.

Das scheitert aber an den bestehenden Ressentiments. Die Verantwortlichen projizieren ihre Berührungsängste auf ihr Publikum. Knapp acht Millionen Menschen in Deutschland sind behindert. Das sind fast zehn Prozent der Bevölkerung. Es gibt einen öffentlich-rechtlichen Sendeauftrag. Aber gilt der nur für eine mediale Abbildung als Opfer oder Held? Gibt es da keinen Platz, um mal locker durch die Hose atmen zu können? Es gibt behinderte Comedians – okay, ich kann sie an einer Hand abzählen – aber es gibt sie. Oder nehmen wir die städtischen Theater, soziokulturelle Zentren oder Kleinkunstbühnen: Kultur nimmt für sich in Anspruch gesellschaftlich relevante Themen aufzuzeigen, Missstände anzuprangern und das inklusive Gaudium. Ich hätte da eine Idee: Bei einem behinderten Komiker gibt es das meist im Paket. Aber nur, wenn Eure Bühne barrierefrei ist. Wir kümmern uns dann um barrierefreie Comedy.

Martin Fromme ist Deutschlands erster professioneller körperbehinderter Komiker.
Bildnachweis: privat