Gute Nachbarschaft: Die Quartiersentwicklung ist Stellschraube für die gesundheitliche Prävention.
Prävention

Spielplatz statt Parkplatz

Ruhige Wohnung, saubere Luft, sichere Fußwege – ob Menschen in Städten gesund leben, hängt von den Rahmenbedingungen ab. Alle Politikbereiche sollten deshalb die Gesundheit im Blick haben, so das Fazit einer Tagung in Hannover. Von Änne Töpfer

Utrecht oder Mannheim

– wo jemand wohnt, hat Einfluss auf sein Wohlbefinden und seinen Gesundheitszustand. In der niederländischen Domstadt profitieren die rund 350.000 Einwohner von Programmen für die Vergrößerung der gesundheitlichen Chancengleichheit, wie Umweltwissenschaftlerin Dr. Miriam Weber berichtete. Auf der Fachtagung „Health in all Policies in der Stadtentwicklung“, zu der die Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen nach Hannover eingeladen hatte, skizzierte die Mitarbeiterin der Stadtverwaltung Utrecht, wie die gesamte kommunale Organisation gemeinsam dieses Ziel verfolgt. Utrecht, seit drei Legislaturperioden grün-links regiert, hat „Auto-zu-Gast-Straßen“ geschaffen, plant neue Wohnviertel mit ausreichend Abstand zu Autobahnen, mit Carsharing-Angeboten und ohne Recht auf einen Parkplatz vor der eigenen Wohnung. Öffentliche Räume werden so gestaltet, dass „sich alle Generationen gern dort aufhalten“, so Weber.

Bürger an Planung beteiligen.

Hingegen sind die rund 300.000 Mannheimer mit den Folgen des autogerechten Wiederaufbaus nach dem Krieg konfrontiert. Fußgänger und Radfahrer haben häufig das Nachsehen. „In Mannheim findet selbst in den Tagen vor Weihnachten jeder Autofahrer im Zentrum einen Parkplatz“, so Klaus Elliger aus dem Fachbereich Stadtplanung. Doch inzwischen erlebe die nordbadische Industriestadt einen Paradigmenwechsel: „Wir haben das Büro des Kopenhagener Architekten Jan Gehl beauftragt, ein lebenswertes Mannheim zu gestalten.“ So will die Stadt mehr Raum für Fußgänger und Radfahrer schaffen – ein Weg, den Kopenhagen seit vielen Jahren mit Erfolg beschreitet.

Das Nachkriegs-Leitbild der autogerechten Stadt, umgesetzt beispielsweise in Kassel und Hannover, habe sehr langfristige Auswirkungen, betonte Professorin Dr. Heike Köckler von der Hochschule für Gesundheit Bochum. Sie riet den Planern zu einem Perspektivwechsel: „Fragen Sie als Mitarbeiter des Umweltamtes auch die Kollegen aus dem Gesundheitsamt, wenn es um die Lärmminderung geht.“ Neben dem integrierten Denken bleibe aber auch das Spezial­wissen wichtig, so Köckler.

Gesunde Wahl ermöglichen.

Wie sich das Umfeld auf die Bewegung auswirkt, berichtete Professor Dr. Jens Bucksch von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. 150 Minuten pro Woche moderates Gehen reduziere das Sterblichkeitsrisiko um elf Prozent. Bauliche und andere Umweltfaktoren hätten mehr Einfluss auf die Bewegungsförderung als personenbezogene Interventionen. „Wir müssen eine gesunde Wahl ermöglichen, indem die körperlich aktive die einfachere ist“, sagte Bucksch. Das zentrale Planungs­kriterium sei, Fußgänger und Radfahrer gegenüber Autos zu priorisieren.

Health in all Policies hilft, entsprechende Weichen zu stellen. Dabei handele es sich um „einen sektorenübergreifenden Ansatz, der bei Entscheidungen in allen Politikbereichen systematisch die gesundheitlichen Auswirkungen berücksichtigt“, sagte Janine Sterner von der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin. Die kommunale Ebene kenne „die sozialen und gesundheitlichen Bedarfe ihrer Menschen am besten“, so Stephan von Hansemann, Referatsleiter GKV im niedersächsischen Sozialministerium. Stefanie Nöthel sieht die Quartiersentwicklung als zentrale Stellschraube: „Wir brauchen eine öffentliche Gesundheitsstrategie, die im Zusammenhang mit Städteplanung gesehen wird“, so die Expertin aus dem niedersächsischen Umweltministerium.

Änne Töpfer ist verantwortliche Redakteurin der G+G.
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