Interview

„Die medizinische Versorgung ist gut“

Infektionen mit dem Corona-Virus überstehen viele Menschen mit leichten Symptomen. Aber vor allem Ältere und Vorbelastete können lebensbedrohlich erkranken. Wie diese Patienten behandelt werden, erklärt Lungenspezialist Dieter Ukena.

Herr Professor Ukena, was ist aus Ihrer Sicht das Gefährliche an der COVID-19-Erkrankung?

Dieter Ukena: Das ist bei COVID-19-Patienten die schwere Lungenentzündung, die zum akuten Lungenversagen führen kann – dann wird eine künstliche Beatmung notwendig. Außerdem können weitere Komplikationen wie eine Sepsis oder ein septischer Schock auftreten, die zum Tode führen. Bei einer Sepsis schädigt die körpereigene Abwehrreaktion die eigenen Gewebe und Organe.

Porträt von Prof. Dr. Dieter Ukena, Chefarzt und medizinischer Leiter des Bremer Zentrums für Lungenmedizin

Zur Person

Prof. Dr. Dieter Ukena ist Chefarzt und medizinischer Leiter des Bremer Zentrums für Lungenmedizin. 2018 hat er die Lungenstiftung Bremen mit ins Leben gerufen, die von der AOK Bremen/Bremerhaven gefördert wird.

Wie sieht die Behandlung aus?

Ukena: Jede Behandlung richtet sich nach der Schwere der Erkrankung. Im Vordergrund stehen zunächst Maßnahmen zur Infektionsbehandlung wie körperliche Ruhe, eine moderate Fiebersenkung und eine zurückhaltende Flüssigkeitszufuhr, da ansonsten die Sauerstoffaufnahme in der Lunge beeinträchtigt werden kann. Außerdem werden die Vitalfunktionen überwacht. Also: Ist der Patient bei klarem Bewusstsein, wie ist seine Körpertemperatur, wie ist die Atemfrequenz? Außerdem behandeln wir die Grundkrankheiten wie Diabetes oder COPD. Wenn wir merken, der Patient wird kurzatmig, messen wir die Sauerstoffsättigung des Blutes mit einem Pulsoximeter. Die Sauerstoffsättigung sollte größer oder gleich 90 Prozent sein.

Welche Größenordnung die Langzeitschäden erreichen, lässt sich aktuell nicht abschätzen.

Wann greift man zur Beatmung?

Ukena: Wenn der Sauerstoffgehalt im arteriellen Blut kritisch abfällt oder wenn wir merken, dass der Patient aufgrund der erhöhten Atemfrequenz erschöpft ist, müssen wir ihm einen Beatmungsschlauch einführen und die mechanische Beatmung auf einer Intensivstation beginnen. Die maschinelle Beatmung führt durch einige Besonderheiten des Atmungssystems dazu, dass bei einem auf dem Rücken liegenden Patienten Abschnitte in dem hinteren, zwerchfell­nahen Bereich der Lunge kollabieren. Sie werden geringer belüftet, sind aber weiterhin gut durchblutet, was wiederum die Sauerstoffaufnahme verschlechtert. Durch die Bauchlagerung der Patienten wird der Anteil der schlecht belüfteten Lungenareale deutlich verkleinert und das Zusammenspiel von Belüftung und Durchblutung wird verbessert. Außerdem bessert sich die Funktion der Atemmuskulatur. Deshalb müssen solche Patienten über mindestens 16 Stunden pro Tag auf dem Bauch gelagert werden.

Ab welchem Zeitpunkt wird die Beatmung wieder ausgeschlichen oder abgestellt?

Ukena: Unsere bisherigen Erfahrungen zeigen, dass bei einer COVID-19-Lungenentzündung mit akutem Lungenversagen relativ lange Beatmungszeiten von zwölf bis 14 Tagen notwendig sind. Dann beginnt der Prozess der Entwöhnung vom Beatmungsgerät. Einfach abgeschaltet werden die Beatmungsgeräte nicht.

Sehen Sie die Gefahr, dass viele Patienten dauerhaft beatmet werden müssen?

Ukena: Je nachdem, ob die COVID-19-Patienten schon zuvor an einer Lungenkrankheit gelitten haben, können unterstützende Maßnahmen wie eine Langzeit-Sauerstofftherapie oder die nicht-invasive Beatmung notwendig werden. Welche Größenordnung die Langzeitschäden nach den Coronavirus-Lungenentzündungen erreichen, lässt sich aktuell nicht abschätzen. Trotzdem: Die medizinische Versorgung in Deutschland ist gut – die betroffenen Patienten werden sicher uneingeschränkt versorgt.

Jörn Hons führte das Interview. Er ist Pressesprecher der AOK Bremen/Bremerhaven.
Bildnachweis: Carsten Heidmann