Einwurf

Stadtleben gesünder gestalten

Sonnenbalkon, gepflegte Parks, saubere Luft: Das Wohnumfeld beeinflusst die Gesundheit. Deshalb sollten Stadtplanung und Gesundheitsförderung Hand in Hand gehen, fordert Präventionsexperte Prof. Dr. Joachim Westenhöfer.

Porträt von Prof. Dr. Joachim Westenhöfer, Professor für Ernährungs- und Gesundheitspsychologie am Department Gesundheitswissenschaften der Fakultät Life Sciences der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW)

Die Zahl der Stadtbewohner

ist weltweit in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gewachsen. In Deutschland leben derzeit bereits über drei Viertel aller Menschen in Städten. Dieser Anteil soll bis 2030 auf 79 Prozent ansteigen. Damit haben Metropolen und ihr Umfeld eine hohe Relevanz für die Gesundheit ihrer Bewohner. Gesundheit wird in der alltäglichen Umwelt der Menschen geschaffen, also dort, wo sie „spielen, lernen, arbeiten und lieben“, wie es in der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung heißt. Um das zu erreichen, sollte auch die Gesundheitsförderung in der Lebenswelt der Menschen angesiedelt sein. Städtische Quartiere sind somit ein wichtiges Setting für Gesundheitsförderung. Theorien über die Auswirkungen des Wohnumfeldes auf die Gesundheit gehen davon aus, dass es eine Wechselwirkung zwischen der sozio-ökonomischen und ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung in einem Quartier, dem sozialen Umfeld und dem physikalischen Umfeld gibt.

Um die Gesundheit von Quartiersbewohnern zu fördern, sind Maßnahmen auf zwei Ebenen sinnvoll: auf der Verhaltens- und der Verhältnisebene. Auf der Verhaltensebene wird versucht, die Menschen durch Information, Aufklärung, Beratung oder Bildung zu einem gesünderen Verhalten zu motivieren und zu befähigen: etwa zur ausgewogenen Ernährung, zu ausreichender Bewegung oder zur Stressbewältigung. Verhältnisbezogene Maßnahmen setzen hingegen bei der Gestaltung und Veränderung des Wohn-, Lebens- und Arbeitsumfeldes an. Hier kann es darum gehen, gesundheitliche Risiken wie Lärmbelastung, Luftverschmutzung oder hohes Verkehrsaufkommen im Quartier zu identifizieren und zu verringern, aber auch Potenziale zur Gesundheitsförderung auszuschöpfen.

Einladende Plätze können den sozialen Zusammenhalt stärken.

So zeigt sich, dass städtische Parks und Grünanlagen, Wälder, Naturparks, Felder und Gewässer die Gesundheit von Menschen positiv beeinflussen. Einladende Plätze können die soziale Interaktion und den sozialen Zusammenhalt stärken.

Verhältnisbezogene Maßnahmen können letztlich auch gesundheitsförderliches Verhalten erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen. Ein Beispiel hierfür ist die Gestaltung städtischer Quartiere unter dem Gesichtspunkt der Walkability, also der Fußgängerfreundlichkeit. Diese setzt voraus, dass wichtige Ziele (zum Beispiel Nahverkehrshaltestellen, Einkaufsmöglichkeiten, Arztpraxen) fußläufig zu erreichen sind, dass ausreichend breite und barrierefreie Fußwege vorhanden sind, dass die Wege bei Dunkelheit gut beleuchtet sind, dass Straßenüberquerungen fußgängerfreundlich und nicht autogerecht gestaltet werden, und dass das Quartier und die Wege sauber und sicher sind.

Im Forschungsverbund „Gesundheitsförderung und Prävention im Setting Quartier“, in dem vier Universitäten zusammenarbeiten, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der HAW Hamburg Unterschiede der gesundheitlichen Lage von Bewohnern in sechs Hamburger Quartieren mit unterschiedlichem sozialen Status untersucht. Bei einer Befragung von 799 Bewohnern zeigte sich, dass es Unterschiede in den Quartieren hinsichtlich der Fußgängerfreundlichkeit gibt. Die Studie zeigt, dass die Walkability in benachteiligten Quartieren deutlich verbessert werden muss. Aber auch eine bessere Walkability in den sozial besser gestellten Quartieren ist keine Garantie für ausreichende körperliche Aktivität. Fußgängerfreundliche Quartiere sind offenbar eher eine notwendige Voraussetzung für mehr Bewegung.

Die Gestaltung städtischer Quartiere hat also einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit der Bewohner. Dennoch stehen Stadtplanung und Gesundheitsförderung oft nicht miteinander in Verbindung, geschweige denn, dass sie systematisch kooperieren. Es ist daher notwendig, dass in der Stadtplanung in Zukunft die gesundheitlichen Folgen berücksichtigt werden. Dabei sollten nicht nur Belastungen für Bewohner abgebaut werden, sondern auch gesundheitsförderliche Potenziale und Ressourcen aufgebaut werden.

Joachim Westenhöfer ist Professor für Ernährungs- und Gesundheitspsychologie am Department Gesundheitswissenschaften der Fakultät Life Sciences der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW).
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