Ambulante Versorgung

Krankenkassen sichern Praxisfinanzen

Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sind wirtschaftlich gut aufgestellt. Die gesetzliche Krankenversicherung leistet dazu einen wesentlichen Beitrag – was gerade in Zeiten der Corona-Pandemie von großer Bedeutung ist. Von Dirk Bürger

Die Einkünfte aus

der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind für die Sicherstellung und den Erhalt der ambulanten Versorgungsstrukturen maßgeblich. Das wird nun noch einmal im Zusammenhang mit den Herausforderungen durch die Corona-Pandemie deutlich. Gesetzliche Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigungen und die Bundesregierung haben sehr schnell wirksame Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die wirtschaftliche Existenz der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten auch in dieser herausfordernden Zeit nachhaltig zu sichern.

Die wirtschaftliche Sicherheit, die die GKV den niedergelassenen Ärzten bietet, wird durch das Zi-Praxis-Panel (ZiPP) des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) bestätigt. Dem Ende Dezember 2019 veröffentlichten Bericht ist zu entnehmen, dass die Einnahmen aus der GKV zwischen 2014 und 2017 kontinuierlich gestiegen sind: von durchschnittlich 221.100 Euro im Jahr 2014 auf 249.100 Euro im Jahr 2017 (siehe Tabelle „Vertragsärztliche Tätigkeit lohnt sich“). Dies entspricht einem Zuwachs um rund 13 Prozent innerhalb von nur drei Jahren.

Auch aus der privaten Krankenversicherung (PKV) ist in diesem Zeitraum zwar mehr Geld an die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte geflossen. Allerdings fällt dieses Plus im Vergleich zu den Einnahmen aus der GKV deutlich geringer aus. Erzielten die Arztpraxen im Durchschnitt des Jahres 2014 rund 58.800 Euro an PKV-Einnahmen, stiegen diese nur um 3,5 Prozent auf 60.800 Euro im Jahr 2017 an. Damit sinkt die Relevanz der PKV-Einnahmen für die Refinanzierung der Betriebskosten einer Praxis: Trugen die Einnahmen aus der PKV im Jahr 2014 noch zu 20 Prozent zur Kostendeckung bei, waren es im Jahr 2017 nur noch 18,7 Prozent.

Die Praxiseinnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit sind kontinuierlich gewachsen.

Einnahmen aus der PKV sind von den Praxen nur dann realisierbar, wenn sie erbracht und mit jedem Patienten individuell abgerechnet wurden. Daher forderte der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands, in seiner Pressemitteilung vom 30. März 2020 auch die PKV und die Träger der Beihilfe dazu auf, die durch Corona bedingten Honorarausfälle im privatärztlichen Bereich durch Schaffung eines Fonds auszugleichen.

Praxen haben gute Bonität.

Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung kommt bei seiner Analyse zu der Erkenntnis, dass für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte die Einnahmen aus der GKV immer wichtiger werden. Im Jahr 2017 finanzierten sich die Arztpraxen zu 76,5 Prozent aus GKV-Einnahmen. Die durchschnittlichen Gesamteinnahmen aus GKV und PKV sowie über Individuelle Gesundheitsleistungen und Berufsgenossenschaften summierten sich auf 325.400 Euro je Arztpraxis.

Laut ZiPP ist die durchschnittliche GKV-Vergütung für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte wie bereits erwähnt im Jahr 2017 auf 249.100 Euro angestiegen. Für die Betriebskosten wenden Praxen nach Angaben des Zentralinstituts durchschnittlich 48,15 Prozent auf. Daraus errechnet sich ein Jahresbruttoüberschuss von rund 119.900 Euro je Praxis aus den Einnahmen der GKV. Auch wenn davon Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung abzuziehen sind, verbleibt ein auskömmlicher Netto-Verdienst.

Grafik: Vertragsärztliche Tätigkeit lohnt sich mit Einnahmen nach Art in tausend Euro je Praxisinhaber in den Jahren 2014 bis 2017

Die Einnahmen niedergelassener Ärztinnen und Ärzte sind stetig gestiegen. Lagen die Gesamteinnahmen je Praxisinhaber im Jahr 2014 noch bei 294.400 Euro, betrugen sie 2017 bereits 325.400 Euro. Der Zuwachs speist sich zum großen Teil aus den Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit. Sie stiegen von 221.100 Euro auf 249.100 Euro. 

Quelle: Zi-Praxis-Panel 2018

Die gute Vergütungsentwicklung aus GKV-Honoraren spiegelt sich in den wirtschaftlichen Bewertungen von ärztlichen Praxen in der Kreditwirtschaft wider. So stellt der Sparkassen-BranchenReport-2019 „Allgemeinärzte“ zum einen fest, dass im Zeitraum 2017 bis 2019 nur 28 von insgesamt 15.774 Praxen insolvent wurden. Liquiditätsengpässe würden in der Regel durch zu hohe Privatausgaben oder nicht einkalkulierte Steuerzahlungen verursacht und nicht durch den Praxisbetrieb. Der Bonitätsprüfer Creditreform stuft das Ausfallrisiko allgemeinmedizinischer Arztpraxen erneut als sehr gering ein. Für das Jahr 2019 liegt das Kreditausfallrisiko demnach bei 0,18 Prozent und damit deutlich unter dem der Gesamtwirtschaft von 1,39 Prozent.

Weniger Zeit für Vertragsarzt-Tätigkeit.

Und wie lange müssen Ärztinnen und Ärzte für ihr Einkommen arbeiten? Dazu gibt das aktuelle ZiPP ebenfalls einen interessanten Einblick: „(…) Die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten arbeiteten im Jahr 2017 im Durchschnitt 48 Wochenstunden ...“. Der Durchschnittswert lag sechs Jahre zuvor bei 52 Stunden pro Woche.

Grundlage für die Vergütung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte ist ein Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses zum „kalkulatorischen Arztlohn“ vom 10. Dezember 2003: „Der Erweiterte Bewertungsausschuss ist der Auffassung, dass ausgehend von einem Arztgehalt BAT I a der Hessentabelle 2002 mit einer Hochrechnung der Arbeitszeit eines Vertragsarztes auf 51 Wochenstunden sowohl die wöchentliche Arbeitszeit als auch das kalkulatorische Wagnis eines Vertragsarztes abgegolten sind.“ Aktuell liegt der kalkulatorische Arztlohn bei 105.571,80 Euro. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) fordert eine Anpassung auf 117.060 Euro. Wie zuvor das ZiPP ermittelt hat, erzielen Arztpraxen im Durchschnitt bereits einen Überschuss von 119.941,65 Euro. Damit wird nicht nur die Vereinbarung zum kalkulatorischen Arztlohn, sondern auch die aktuelle Forderung der KBV durch die GKV erfüllt.

Niedergelassene Ärzte verdienen mehr als Banker, Ingenieure oder IT-Spezialisten.

Laut Pressemitteilung der KBV aus dem Jahr 2011 sind von den 51 Wochenstunden 44,6 Stunden für die patientenunmittelbare Tätigkeit und 6,4 Stunden für die Praxisorganisation vorgesehen. Aus dem ZiPP geht jedoch hervor, dass niedergelassene Ärztinnen und Ärzte die hohe Arbeitszeitleistung – im Durchschnitt 48 Stunden pro Woche – nicht nur zur Versorgung der GKV-Versicherten einsetzen, sondern auch zur Betreuung von Privatversicherten sowie zur Bewerbung, Erbringung und Abrechnung von Individuellen Gesundheitsleistungen (Selbstzahler-Leistungen).

Mehr Interesse an Allgemeinmedizin.

Auch im europäischen Vergleich sieht die Einkommenssituation gut aus. Laut Gehaltsreport 2018 von Medscape verdienen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland mit 125.100 Euro pro Jahr nahezu so viel wie ihre Kollegen in Großbritannien, die dort ein Einkommen von 129.500 Euro erreichten. Ein großer Einkommensunterschied besteht zu Spanien. Dort verdienen Ärzte nur rund 52.800 Euro.

Auch im Vergleich zu anderen Berufsgruppen gehören Ärzte zu den Spitzenverdienern. Laut Jobportal Stepstone verdienten deutsche Fach- und Führungskräfte 2018 durchschnittlich 58.150 Euro brutto. Ärzte liegen mit 84.230 Euro Verdienst deutlich über diesem Durchschnitt. Sie konnten ihren Verdienst im Vergleich zum Vorjahr sogar noch steigern (Gehaltsreport 2017: 82.744 Euro) und liegen vor Banking-Spezialisten (70.890 Euro), Ingenieuren (66.960 Euro) und IT-Spezialisten (64.840 Euro).

  • Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (Zi): Zi-Praxis-Panel
  • Kassenärztliche Bundesvereinigung: Weiterentwicklung EBM
  • Kassenärztliche Bundesvereinigung: Weiterbildungsförderung – Evaluationsbericht 2018. Download

Dass die Tätigkeit als niedergelassene Ärztin oder Arzt nach wie vor attraktiv ist, macht das Interesse der nachwachsenden Generation deutlich. Laut KBV-Evaluationsbericht 2018 ist das Durchschnittsalter von Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung im allgemeinmedizinischen Bereich mittlerweile auf rund 38 Jahre gesunken. In weiteren Facharztgruppen ist der Nachwuchs im Durchschnitt mit knapp 35 Jahren jünger als beim Förderstart im Jahr 2016. Die Zahl der Ärztinnen und Ärzte in der geförderten Weiterbildung „Allgemeinmedizin“ ist im Zeitraum von 2016 bis 2018 von 5.878 auf 7.310 gestiegen.

Konstruktive Kritik erwünscht.

Auch angesichts der hohen Verantwortung sowie einer großen zeitlichen und persönlichen Belastung bleibt der Arztberuf attraktiv. Die Einnahmen aus der vertragsärztlichen Tätigkeit tragen in wachsendem Umfang dazu bei, die Kosten der Praxis dauerhaft zu finanzieren. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte gehören zu den Gutverdienern – in Deutschland wie auch im europäischen Vergleich. Um die Attraktivität des Berufs zu sichern, sollten die Vorteile der ärztlichen Tätigkeit in den Fokus rücken. Kritik an den Rahmenbedingungen ist wichtig, sollte aber konstruktiv sein, um etwas für die Ärzteschaft bewirken zu können.

Dirk Bürger ist Referent in der Abteilung Politik/Unternehmensentwicklung beim AOK-Bundesverband.
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