Porträt
Kommentar

Vom Sturm zerzaust

Das Gesundheitssystem ist gut durch die erste Corona-Welle gekommen. Jetzt gibt es Streit, wer die Kosten trägt. Am Ende werde der Staat einspringen, meint Dr. Christian Geinitz.

Der erste große Corona-Sturm

hat sich noch nicht vollständig gelegt, aber er ist glücklicherweise schwächer geworden. Zerzaust von dem Starkwind, sortieren sich die Akteure im deutschen Gesundheitswesen und überprüfen, was sie die Pandemie gekostet hat. Man ist stolz, gut durch die schwere Zeit gekommen zu sein, doch der Preis dafür war hoch. Jetzt wird gestritten, wer ihn bezahlen soll.
 
Die Kliniken sind der Ansicht, dass der Rettungsschirm von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn viel zu klein sei. Eine Umfrage der Deutschen Krankenhausgesellschaft ergab, dass die tägliche Leerstandsprämie von 560 Euro für jedes nicht genutzte Bett in drei Vierteln der Häuser nicht ausreiche. Auch die Pauschale von 50 Euro für Schutz­ausrüstungen sei nicht kostendeckend. Die Verkürzung der Zahlungsfristen durch die Leistungsträger funktioniere nur leidlich: In 17 Prozent der Fälle brauchten die Krankenkassen länger als fünf Tage.

Fonds-Rücklage am Jahresende wohl unter Mindestwert.

Die gesetzlichen Krankenversicherungen beklagen ihrerseits, dass sie von der Corona-Krise gleich mehrfach gebeutelt würden: durch zusätzliche Ausgaben und sinkende Einnahmen angesichts von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit. Noch weiß niemand, wie hoch die Nettoeffekte wirklich sind. Doch es ist sehr wahrscheinlich, dass die Liquiditätsreserve im Gesundheitsfonds zum Jahresende unter das vorgeschriebene Mindestvolumen von vier Milliarden Euro fallen wird.

Auf besonders heftige Ablehnung stößt eine Verordnung aus Spahns Haus, wonach das GKV-System die Kosten von Corona-Tests auch für Personen bezahlen soll, die keine Symptome zeigen. Solche Massentests können die Gesundheitsämter anordnen, etwa in Kliniken oder Altenheimen. Der Verordnung zufolge muss die GKV auch die Tests von Privatversicherten bezahlen. Im schlimmsten Falle, so sagt der GKV-Spitzenverband, wären die Kosten für die asymptomatischen Gruppen so hoch, dass die Kassenbeiträge um 0,8 Beitragssatzpunkte steigen müssten.

Was auch immer die Berechnungen am Ende ergeben: Die Politik wird es den Bürgern und Unternehmen im Wahljahr 2021 nicht zumuten, dass die Sozialbeiträge durch die Decke gehen – ausgerechnet in schlechten Zeiten in der Wirtschaft und am Arbeitsmarkt. Insofern wird es sicher einen weiteren üppigen Staatszuschuss zum Gesundheitswesen geben. Denn was sind in diesen Zeiten schon fünf oder zehn Milliarden Euro?

Christian Geinitz ist Wirtschaftskorrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
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