Porträt
Kommentar

Im Nebel der Pandemie

Schon die vor Corona initiierten Reformen belasten die Finanzen der Kassen. Unter dem Deckmantel der Pandemie könnten höhere Beiträge drohen, meint Gregor Waschinski.

Wohl noch nie

stand die Gesundheitspolitik so sehr im Rampenlicht. Und wohl noch nie konzentrierte sie sich so stark auf ein Thema: die Corona-Pandemie. Daran ändert sich auch nach der parlamentarischen Sommerpause nichts. Die zentralen Aufgaben von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Herbst hängen mit Sars-CoV-2 zusammen.

Vorhaben wie die Reform der Pflegefinanzierung, im Januar noch eine Priorität für dieses Jahr, verschwinden im Nebel der Pandemie. Im Vordergrund steht die Infektionslage. Welche Maßnahmen noch erforderlich sein werden, ist schwer vorauszusagen. Schon absehbar ist aber, dass die Debatte um die Teststrategie und die Milliardenpläne zur Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes Bund und Länder beschäftigen werden.

In der bis Jahresende laufenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft kommen Gesundheitsthemen ebenfalls eine beispiellose Bedeutung zu. Spahn will das unscheinbare European Center for Disease Control zu einer schlagkräftigen EU-Seuchenschutzbehörde ausbauen. Außerdem soll die Produktion von pharmazeutischen Wirkstoffen und strategisch wichtigen Medizinprodukten wie Schutzmasken wieder stärker nach Europa verlagert werden.

Spahns zentrale Aufgaben stehen alle im Zeichen von Covid-19.

Daneben stehen mehrere Punkte auf der Agenda des Herbstes, die von der Pandemie stark beeinflusst sind. Das betrifft insbesondere die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung. Auf der einen Seite gingen die Ausgaben der Krankenkassen im ersten Halbjahr zurück, da viele planbare Operationen verschoben wurden und die Menschen mit Beschwerden abseits von Covid-19 seltener zum Arzt gingen.
 
Auf der anderen Seite zapfte Spahn die Beitragsgelder im Gesundheitsfonds an, um die eigentlich gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Coronatests zu schultern sowie Krankenhäuser mit der Gießkanne für die mehr oder weniger gelungene Schaffung von Intensivbetten zu bezahlen. Dazu kommen absehbare Einnahmenausfälle der Krankenkassen durch die Wirtschaftskrise.

Es drohen höhere Beiträge – aber insbesondere wegen der teuren Gesetze, die der Minister vor der virusbedingten Ausnahmesituation machte und die nun zunehmend finanzielle Wirkung entfalten. Mit Blick auf das Wahljahr dürfte Spahn die Belastungen aber voll auf Corona schieben. Auch hier wabert der Nebel der Pandemie.

Gregor Waschinski ist Korrespondent für Gesundheitspolitik des Handelsblatts.
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