G+G-Wissenschaft

Dunkle Höhlengänge ausleuchten

Was wissen wir über einzelne Aspekte von Covid-19? Und vor allem: Was müssen wir jetzt tun, um gut aus der Krise zu kommen? Diesen Fragen gingen drei Autorenteams nach. Von Ines Körver

Nichts ist so dauerhaft wie ein Provisorium.

Das gilt auch für das Grundgesetz, dessen hohe Qualität sich seit seiner Einführung 1949 immer wieder gezeigt hat und das faktisch die Verfassung des wiedervereinigten Deutschlands ist. Es gewährt in den ersten 19 Artikeln Grundrechte und beschreibt – meist im zweiten Absatz –, unter welchen Umständen und mit welchen Mitteln diese beschnitten werden dürfen. Artikel 2 zur persönlichen Freiheit, Artikel 8 zur Versammlungsfreiheit und Artikel 12 zur Berufsfreiheit sind Grundrechte, mit deren Einschränkung sich Politiker und Gerichte in der Corona-Pandemie intensiv befassen.

Nun ist noch Artikel 11 hinzugekommen, in dem es um die Freizügigkeit geht. Diese darf unter anderem zur „Bekämpfung von Seuchengefahr“ beschnitten werden. In der Republik gelten jetzt komplizierte Regeln, die kaum noch jemand überblickt. Freizügigkeit à la Schengen war gestern, inzwischen fühlt man sich an die Zeit der deutschen Fürstentümer erinnert. Wer darf nun noch wohin und was muss er dabei beachten? Die Frage überfordert auch Fachleute.

Durchblick zu bekommen,

ist auch in manch anderer Hinsicht schwer bis unmöglich. Das ist umso erstaunlicher, als dass die Pandemie inzwischen lange genug dauert und man einige Aspekte deshalb bereits gut beschreiben kann. Beispiel Wissenschaftskommunikation: Wie etwa funktioniert sie in der Krise? In welchem Verhältnis stehen Wissenschaft und Gesellschaft? Und in welchem Wissenschaft und Politik? Welche Rolle spielen Expertenmeinungen, Falsch- und Desinformation? Derlei Fragen haben sich auf Bitten der G+G-Wissenschaftsredaktion Georg Ruhrmann und Dominik Daube vom Institut für Kommunikationswissenschaft in Jena in einer Analyse vorgenommen. Die Autoren beschreiben den aktuellen Stand der Erkenntnisse.

Weiteres Beispiel:

Alten- und Pflegeheime sowie Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete. Erstere sind recht schnell als mögliche oder tatsächliche Hotspots für Ansteckungen ausgemacht worden, letztere gerieten wohl erst seit der Brandkatastrophe im griechischen Moria verstärkt in den Blick von Seuchenexperten. Welche Unterschiede aber immer noch im Umgang mit Gemeinschaftsunterkünften auf der einen und Heimen auf der anderen Seite bestehen, zeigen Verena Penning und Oliver Razum auf. Die beiden Wissenschaftler von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld legen dabei außerdem dar, was sich ändern sollte.

In den Fokus ist in den vergangenen Monaten auch der öffentliche Gesundheitsdienst geraten. Eine weitere Analyse in der aktuellen G+G Wissenschaft wirft ein Schlaglicht auf die schillernde Geschichte der angeblich vierten Säule des Gesundheitswesens und erklärt, warum öffentliche Gesundheit im Nachkriegsdeutschland einen sehr unangenehmen Beigeschmack hatte. Sie stellt dar, was der öffentliche Gesundheitsdienst aktuell leistet, wie er personell und technisch aufgestellt ist und wo die Verbesserungspotenziale liegen.

Die Pandemie ist wie eine weit verzweigte Höhle:

Je tiefer man sich hinein begibt, desto mehr teilweise lebensentscheidende Fragen muss man sich stellen und beantworten. Die Redaktion der G+G Wissenschaft hat sich daher vorgenommen, das Thema im Blick zu behalten und auch im nächsten Jahr einige der dunklen Gänge in einem weiteren Schwerpunktheft auszuleuchten.