Porträt
Selbstverwaltung im Gespräch

„Regierungspläne sind sozial ungerecht und unseriös“

Die geplanten Mehrbelastungen für die Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung erzürnen die Kassen. Dazu Fragen an Matthias Jena, Verwaltungsratsvorsitzender der AOK Bayern und bayerischer DGB-Chef.

G+G: Die Sozialpartner in Bayern lehnen das sogenannte Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur Stabilisierung der Zusatzbeiträge ab – warum?

Matthias Jena: Mit dem Paket wälzt die Bundesregierung den Großteil der Kosten für die Corona-Maßnahmen im Gesundheitswesen auf die Beitragszahler in der gesetzlichen Krankenversicherung ab – die private Krankenversicherung bleibt außen vor. Diese erneute Belastung der Versicherten und Arbeitgeber in der GKV ist sozial ungerecht und schlicht unseriös.

G+G: Sie kritisieren allerdings nicht nur die Kostenverteilung …

Jena: Die Pläne der Regierung sind ein massiver Eingriff in die Finanzautonomie der gesetzlichen Krankenkassen und in die Rechte der sozialen Selbstverwaltung, die sich gerade auch in Krisenzeiten für die unbürokratische und flexible Versorgung einsetzt.

G+G: Experten warnen: Durch das Abschmelzen der Rücklagen verlieren die Kassen auch ihre Gestaltungsspielräume. Teilen Sie diese Kritik?

Jena: Wer weniger Reserven hat, kann auch weniger gestalten. Ich sehe die Pläne des Bundesgesundheitsministers deshalb als weiteren Schritt, die Gestaltungsmöglichkeiten der Selbstverwaltung auszuhöhlen. Es läuft in Richtung zentralistische Gleichmacherei. Am Ende wird der gesundheitliche Versorgungsbedarf der Menschen in den Regionen immer mehr von Berlin aus gesteuert, Gestaltungsspielräume in den Ländern verschwinden.

Bildnachweis: AOK Bayern