Kommunikation

Debatte: Mehr Akzeptanz für Corona-Regeln

Wie lange gelten Kontaktbeschränkungen? Warum werden Theater geschlossen? Wenn die Politik Corona-Vorschriften begründet, Einflussnahme ermöglicht und eine zeitliche Perspektive bietet, lassen diese sich leichter durchsetzen, sagen die Psychologen Prof. Dr. Markus Bühner und Prof. Dr. em. Ulrich Wagner.

Menschen sind gewinn- und genussorientiert.

Sie reisen gern, gehen gerne essen oder auf Partys und wollen Freundschaften pflegen. Sie können aber auch dazu motiviert werden, diese Bedürfnisse zurückzustellen. Die Politik kann sich das zunutze machen und die Effektivität der Corona-Regeln erhöhen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass Menschen erklärt wird, warum und wie genau sie handeln sollen, und wie lange sie voraussichtlich mit Einschränkungen leben müssen.

Die bisherigen Maßnahmen von Bundes- und Landesregierungen sind jedoch von bürokratischen Überlegungen und Prinzipien der Gerichtsfestigkeit geprägt. Sie vernachlässigen dabei psychologische Mechanismen, die die Akzeptanz und Umsetzung von Vorgaben bestimmen. In der öffentlichen Diskussion über die Corona-Beschlüsse der Regierung wird zum Beispiel immer wieder deutlich, dass in der Bevölkerung Unsicherheit existiert hinsichtlich der tatsächlichen Gefährdungslage sowie über die Frage, was jeder tun sollte. Studien zeigen, dass ein Großteil der Menschen wissenschaftlichen Befunden durchaus vertraut. Für die aktuelle Situation brauchen die Menschen aber auch psychologische Kontrolle, das heißt: nachvollziehbare Begründungen für politische Entscheidungen, klare Verhaltensregeln, die die Möglichkeit bieten, Dinge beeinflussen zu können, und eine zeitliche Perspektive für die Verhaltensänderungen.

Transparent kommunizieren.

So erscheint vielen etwa die Schließung von Lokalen ungerechtfertigt. Die Entscheidungs­trägerinnen und -träger sollten deshalb noch transparenter kommunizieren, wie sie diesen Schritt begründen und ihre zugrundeliegenden Abwägungen offenlegen. Aus der Forschung ist bekannt, dass Menschen überzeugt werden können, wenn man ihnen konsistent stichhaltige Argumente dafür vorträgt, warum sie etwas tun sollen. Theaterbesuche bringen zum Beispiel nicht nur mögliche Gefährdungen an den Veranstaltungsorten mit sich, sondern auch Gefahren, die mit der An- und Abreise zusammenhängen. Solche Hintergründe von Corona-Verordnungen mehr und nachvollziehbarer zu thematisieren, kann zu mehr Akzeptanz in der Bevölkerung beitragen.

Die Corona-Vorschriften widersprechen vielen lieb gewonnenen Gewohnheiten.

Zudem erreichen viele der Regelungen und Informationen Bürgerinnen und Bürger auf einem Abstraktionsniveau, das die Umsetzung in praktisches Handeln schwierig macht. Abstand halten, Hygiene beachten, Alltagsmasken tragen, lüften: Das klingt auf den ersten Blick einleuchtend und leicht umsetzbar. Allerdings bleiben Fragen offen. Sind die Komponenten „Abstand halten“ und „Alltagsmasken tragen“ mit einem „und“ oder einem „oder“ verbunden? Gilt der empfohlene Abstand von 1,5 Metern auch beim Tragen einer Alltagsmaske? Hierzu wäre es wünschenswert, wenn die Politik stärker auf die Unterstützung durch mediale Formate setzen würde, die anschaulich vermitteln, wie die Regelungen zu verstehen sind. Dadurch könnten Unsicherheiten und damit einhergehende unbeständige Verhaltensweisen reduziert werden.

Verhaltensregeln veranschaulichen.

Die gegenwärtigen Corona-Handlungsempfehlungen und -vorschriften widersprechen vielen lieb gewonnenen Gewohnheiten: In manchen Kreisen begrüßen Menschen beispielsweise auch entfernte Bekannte mit einer Umarmung. Unsere Kultur sieht bestimmte Abstände im Reden miteinander vor – davon abzuweichen kann als Unhöflichkeit aufgefasst werden. Änderungen in solchen Verhaltensgewohnheiten setzen Vorbilder voraus. Auch hier würden sich Fernsehspots und Videos in sozialen Medien eignen, die veranschaulichen, wie wir unser Verhalten in solchen Situationen anpassen können.
 
Für die Akzeptanz von Einschränkungen sind außerdem zeitliche Perspektiven hilfreich. Befragungen zeigen, dass Menschen bei einer Entscheidung zwischen kurzfristigen harten oder langfristigen milderen Corona-Einschränkungen die erste Alternative bevorzugen. Zwar sind Zeitprognosen schwierig, und die Politik sollte damit nicht leichtfertig umgehen. Wenn sich aber herausstellt, dass es gute neue Fakten und Argumente dafür gibt, Einschränkungen am Ende der vorher angekündigten Laufzeit doch fortzusetzen, und dies angemessen kommuniziert wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Bevölkerung die Entscheidungen mitträgt.
 
Die Verbreitung des Corona-Virus wird durch menschliches Verhalten beeinflusst. Psychologisches Wissen kann die Gestaltung und Umsetzung der Corona-Regeln unterstützen.

Ulrich Wagner ist Professor in der Arbeitseinheit Sozialpsychologie an der Philipps-Universität Marburg.
Markus Bühner ist Professor für Psychologische Methodenlehre und Diagnostik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychologie.
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