Klinische Studien

Debatte: Patienten als Forschende

Die eigene Erfahrung mit einer Erkrankung hilft, klinische Studien zu verbessern. Dr. Imke Schilling, Kim Isabel Rathjen und Prof. Dr. Ansgar Gerhardus plädieren deshalb dafür, die Patientenperspektive in die Forschung einzubeziehen.

Klinische Studien untersuchen den Nutzen

von gesundheitlichen Interventionen. Durch sie sollen die medizinische Versorgung und damit die Gesundheit von Patientinnen und Patienten verbessert werden. Jedoch haben die Patientinnen und Patienten selber kaum Einfluss auf das, was in klinischen Studien untersucht wird. Sie sind zumeist nur als Versuchspersonen beteiligt. Dadurch besteht die Gefahr, dass an den Bedürfnissen und Interessen der Betroffenen vorbei geforscht wird.
 
Die Perspektive von Patientinnen und Patienten ist eine andere als die der Forschenden. Sie werden durch ihre eigenen Erfahrungen mit Erkrankungen und deren Versorgung zu Expertinnen und Experten in eigener Sache. Ihre versorgungspraktische Expertise kann Forschung bereichern und helfen, die richtigen Fragen zu untersuchen. Betroffene und Forschende sind sich daher einig, dass die aktive Beteiligung von Patientinnen und Patienten an der Gestaltung klinischer Studien die Relevanz und Qualität der Ergebnisse deutlich steigern kann.

Patienten können Teil des Studienteams werden.

Die Beteiligung kann ganz unterschiedlich umgesetzt werden: Patientinnen und Patienten können zum Beispiel beratend an Gruppendiskussionen teilnehmen – von einem einzelnen Treffen bis hin zu einer Begleitung über die gesamte Dauer der Studie oder selber Teil des Studienteams werden.

Weder Forschende noch Gutachter wissen, was eine gute Beteiligung von Patienten ausmacht.

Durch die Beteiligung der Patientinnen und Patienten können auch Informationsmaterialien und Ergebnisse so gestaltet werden, dass sie für die Betroffenen gut verständlich sind und sie bei Entscheidungen, zum Beispiel zwischen zwei Behandlungen, unterstützen. Darüber hinaus kann Patientenbeteiligung zum Empowerment (Stärkung von Eigenmacht/Autonomie) der Patientinnen und Patienten beitragen und Forschungsprozesse demokratisieren.

Beteiligung ist explizites Förderkriterium.

Seit einigen Jahren hat die aktive Beteiligung von Patientinnen und Patienten an Forschung auch in Deutschland zunehmend an Bedeutung gewonnen. Damit schließt Deutschland an eine Entwicklung an, die in anderen Ländern wie Großbritannien oder den USA schon eine längere Tradition hat. In Deutschland haben das Bundesforschungsministerium (BMBF) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft die Patientenbeteiligung als explizites Kriterium für die Förderung klinischer Studien aufgenommen. Forschende müssen bei der Beantragung von Fördergeldern nun darlegen, wie Patientinnen und Patienten an der Gestaltung der Studie beteiligt werden. Zu der Frage, wie die Beteiligung umgesetzt werden kann beziehungsweise sollte, gibt es jedoch keine Orientierung. Weder Forschende noch die Gutachterinnen und Gutachter wissen, was eine gute Beteiligung ausmacht. Entsprechend verunsichert sind die Beteiligten. Oftmals fehlt die Erfahrung mit der aktiven Beteiligung von Patientinnen und Patienten an Forschung.

Handreichung entwickelt.

Um eine Orientierung zu bieten, wie Patientinnen und Patienten an klinischen Studien beteiligt werden können, wurde am Institut für Public Health und Pflegeforschung in Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum für Klinische Studien Bremen eine Handreichung entwickelt. Durch viele praktische Beispiele unterstützt die Handreichung Forschende in der praktischen Umsetzung einer aktiven Patientenbeteiligung. Auch forschungsfördernde Organisationen, Gutachterinnen und Gutachter sowie Patientinnen und Patienten können sich dort informieren. Die Handreichung gibt eine Einführung in Patientenbeteiligung sowie einen Einblick in die Erfahrungen zweier Patientinnen mit Beteiligung, stellt dar, wie Patientenbeteiligung geplant und durchgeführt werden kann und zeigt Handlungsbedarfe und Entwicklungspotenziale für die deutsche Forschungslandschaft auf. Die Handreichung entstand im Rahmen eines Projektes, das das BMBF gefördert hat. Am Entwicklungsprozess waren Patientenvertreter, Forschende und Vertreter der Forschungsförderung beteiligt. Das Dokument wird in Zukunft regelmäßig überarbeitet und ergänzt.

Die aktuelle Version der Handreichung ist frei verfügbar.

Imke Schilling ist Gesundheitswissenschaftlerin am Institut für Public Health und Pflegeforschung in der Abteilung für Versorgungsforschung an der Universität Bremen.
Kim Isabel Rathjen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Public Health und Pflegeforschung in der Abteilung Versorgungsforschung an der Universität Bremen.
Ansgar Gerhardus ist Mediziner und Sozialwissenschaftler und leitet die Abteilung Versorgungsforschung am Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen.
Bildnachweis: Foto Startseite: iStock.com/xavierarnau