Interview

„Wir beraten zu palliativer Geburt“

Viele Eltern fühlen sich mit der Information, dass ihr schwer krankes ungeborenes Kind die Geburt nicht oder nur kurzzeitig überleben wird, alleingelassen. Wie das Kinderpalliativteam Südhessen Betroffene auf ihrem Weg begleitet, erläutert Hebamme Theresia Rosenberger.

Frau Rosenberger – seit wann gibt es im Kinderpalliativteam Südhessen die palliative Beratung von Eltern vor und nach der Geburt und wie kam es dazu?

Theresia Rosenberger: Schon seit der Gründung im Jahr 2012 hat das Team diese Beratung geleistet. Es gab aber bis 2017 kein festes Projekt. Die Nachfrage stieg über die Jahre hinweg und das Thema drang immer mehr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Ein großes Spendenprojekt hat uns 2018 ermöglicht, eigene Räumlichkeiten anzumieten und ein Team aus Kinderärztin, Hebamme und Teamassistentin zu etablieren.

Porträt von Theresia Rosenberger, freiberufliche Hebamme mit eigener Praxis im Landkreis Aschaffenburg

Zur Person

Theresia Rosenberger ist freiberufliche Hebamme mit eigener Praxis im Landkreis Aschaffenburg. Seit Oktober 2019 arbeitet sie im multiprofessionellen Kinderpalliativteam Südhessen in der prä- und perinatalen Beratung und Betreuung von Eltern.

Was ist hier die Aufgabe des multiprofessionellen Kinder-Palliativteams?

Rosenberger: Wir beraten zu palliativer Geburt, wenn sich abzeichnet, dass das Baby tot oder schwerkrank zur Welt kommt. Gemeinsam entwickeln wir Versorgungskonzepte, das heißt wir gehen in Dialog mit geburtshilflichen Teams, vermitteln Hilfsangebote wie Nachsorge-Hebamme, Kinderhospizdienst und Trauerbegleitung. Außerdem besuchen wir die Familie auch nach der Geburt und dem eventuellen Versterben des Kindes zu Hause. 2019 sind laut Statistischen Bundesamt deutschlandweit 1.437 Säuglinge in den ersten sieben Lebenstagen gestorben, 354 im ersten Lebensmonat. Damit wir Betroffene überhaupt informieren können, müssen sie von unserem Angebot erfahren. Viele Frauenärzte, Kliniken und Hebammen geben unser Angebot nicht weiter, was ärgerlich ist. Oft erscheint es wohl einfacher, zu einem Schwangerschaftsabbruch zu raten. Doch Eltern sollen ihre eigene informierte Entscheidung treffen können, auch wenn sie den Weg nicht weiter mit uns gehen.

Worin besteht der Unterschied zur Arbeit mit älteren todkranken Kindern und deren Familien?

Rosenberger: Das ungeborene Kind hat noch keinen festen Platz in der Familienstruktur. Dennoch ist es notwendig, dass die Eltern sich mit dem Tod auseinandersetzen. Dies steht im vollkommenen Widerspruch zur Vorfreude auf den Familienzuwachs. Manchmal bleibt unsere Tätigkeit auf Beratungsgespräche beschränkt, beispielsweise, wenn sich Eltern doch für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Generell können wir auf etablierte Strukturen unseres Kinderpalliativteams, zum Beispiel die psychosoziale Betreuung, zurückgreifen.

Der Tod steht im Widerspruch zur Vorfreude auf den Familienzuwachs.

Welche Fragen und Wünsche haben die von Ihnen betreuten Eltern?

Rosenberger: Fragen gibt es viele, zum Beispiel: Was kann vor und nach der Geburt passieren? Wer schult die Eltern im Umgang mit Notfallsituationen? Was bedeutet lebensverkürzend und die spezielle Erkrankung des Kindes? Oder was passiert nach dem Versterben des Kindes? Entscheiden sich Eltern für einen natürlichen Verlauf der Schwangerschaft, ist ihr Hauptwunsch, dass ihr Kind zu keinem Zeitpunkt leiden muss. Außerdem möchten sie so viel Zeit wie möglich mit ihrem Baby verbringen.

Gibt es weitere, vergleichbare Angebote in Deutschland?

Rosenberger: Zu nennen sind die Berliner Charité, das Kinderpalliativzentrum Dresden sowie das der Universität München. Allerdings sind das rein stationäre Angebote. Soweit wir wissen, gibt es außer uns kein vergleichbares prä- und perinatal arbeitendes Team mit eigener Hebamme unter dem Dach eines Teams der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung für Kinder.

Tina Stähler führte das Interview. Sie ist Redakteurin der G+G.
Bildnachweis: privat