Stadt und Land in der Gesundheitsversorgung gleichstellen: Die Konzepte dafür brauchen langfristige Perspektiven.
Ländliche Versorgung

Kurze Wege zu Gesundheit und Pflege

Der Zugang zu Gesundheitsleistungen darf keine Frage des Wohnorts sein. Wie sich die Versorgung auf dem Land sichern lässt, war Thema einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum und des Netzwerks Deutsche Gesundheitsregionen. Von Änne Töpfer

Bessere Zusammenarbeit

über Berufsgrenzen hinweg, Förderung der ärztlichen Tätigkeit auf dem Land, Umwandlung von Krankenhäusern in ambulant-stationäre Gesundheitszentren – viele Konzepte zur Stärkung der ländlichen Gesundheitsversorgung haben sich auf regionaler Ebene bewährt. „Doch regionale Ansätze stoßen an die Grenzen des Machbaren, wenn es um eine längerfristige Finanzierung geht“, sagte Dr. Joachim Lange von der Evangelischen Akademie Loccum zum Abschluss der digitalen Veranstaltungsreihe „Gesundheitsversorgung in länd­lichen Räumen – Nachhaltigkeit für erfolgreiche Pilotprojekte und Regionen“.

Die gemeinsam mit dem Netzwerk Deutsche Gesundheitsregionen angebotene Reihe lieferte einen Überblick über laufende Initiativen und stellte Zukunftsperspektiven zur Diskussion. In der Schlussdebatte hatten gesundheitspolitische Expertinnen und Experten von SPD, CDU/CSU und Grünen Gelegenheit, ihre Ideen zur Verstetigung von Inno­vationen in der ländlichen Gesundheitsversorgung zu präsentieren und zu diskutieren.

Alle Akteure einbinden.

„Wir investieren nur in zukunftsfeste Strukturen“, hatte Carola Reimann (SPD), damals Landesgesundheitsministerin in Niedersachsen, zur Eröffnung der Veranstaltungsreihe betont. Mit rund 600.000 Euro jährlich unterstütze das Land Niedersachsen die Gesundheitsregionen, von denen sich bundesweit 22 mit weit über 1.000 Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft im Netzwerk Deutsche Gesundheitsregionen (NDG) zusammengeschlossen haben. „Die Regionen profitieren, wenn alle Akteure eingebunden sind“, so Reimann. Ihr Wunsch sei es, aus der Krankenhausstruktur heraus ambulant zu versorgen und dabei verstärkt nichtärztliche Professionen einzubeziehen.
 
Die Bedeutung der Gesundheitsfachberufe hob in der Abschlussdiskussion auch Bettina Müller (SPD) hervor, Mitglied des Gesundheitsausschusses im Bundestag. „Wir müssen Gesundheitsfachkräfte so qualifizieren, dass sie eigenständig arbeiten können. So können wir den ländlichen Raum weiterhin gesundheitlich gut versorgen.“ Müller plädierte ebenfalls dafür, mehr Leistungen ambulant zu erbringen. Die intersektorale Zusammenarbeit sei aber eine Frage des Geldes. „Ohne einheitliche Vergütungsstruktur versucht jeder in seinen eigenen Topf zu wirtschaften“, meinte die SPD-Politikerin.

Kleine Krankenhäuser weiterentwickeln.

„Die Leistung folgt dem Geld“, bekräftigte Dr. Roy Kühne von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. „Ein Medizinstudent aus Hamburg kommt nicht in mein beschauliches Northeim“, sagte Kühne, der zudem darauf hinwies, dass durch die Schließung von Schwimmbädern oder Buchhandlungen der ländliche Raum an Attraktivität verliere. „Wenn wir über die Gleichstellung von Stadt und Land reden, müssen wir den Worten Taten folgen lassen“, so Kühne. Doch er stellte selbstkritisch fest: „Wir hätten in den vergangenen acht Jahren Zeit gehabt, das Thema abzuräumen.“ Letztendlich gehe es um Geld, und das müsse die Politik verteilen.

Erwin Rüddel, Mitglied der CDU/CSU-Bundesfraktion und Vorsitzender des Gesundheitsausschusses, plädierte dafür, kleinere Krankenhäuser zu multifunktionalen Gesundheitszentren weiterzuentwickeln. Dafür müssten sich die Akteure jedoch gegenseitig mehr vertrauen. Rüddel wies darüber hinaus auf das „enorme Potenzial der Digitalisierung“ hin: „Wenn wir Freiräume für die Vernetzung und Digitalisierung schaffen, tun wir damit Gutes.“

Den Regionen einiges zutrauen.

Maria Klein-Schmeinck, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, forderte, „die Primärversorgung neu aufzustellen und überprofessionell zu erbringen“. Der Gesetzgeber solle regionale Initiativen ermutigen und Impulse unterstützen. „Wir können den Regionen einiges zutrauen“, so Klein-Schmeinck.

Professor Dr. Josef Hilbert, Vorstandvorsitzender des NDG, freute sich über diesen Zuspruch und sah die drei in der Diskussionsrunde vertretenen Parteien als „Freunde der Gesundheitsregionen“. „Wir sind inhaltlich, fachlich auf dem richtigen Weg, müssen aber noch nachschärfen“, so sein Resümee.

Änne Töpfer ist verantwortliche Redakteurin der G+G.
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