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Rundruf

Patentschutz aussetzen?

Inzwischen gibt es mehrere Corona-Impfstoffe. Doch sie reichen nicht für alle. Sollten die Patente außer Kraft gesetzt werden, damit auch andere Unternehmen die Impfstoffe herstellen können?

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Prof. Heinz-Jochen Zenker, Vorstandsvorsitzender von „Ärzte der Welt e. V.“:
Das Menschenrecht auf Gesundheit beinhaltet auch das Recht auf Zugang zu notwendigen Medikamenten. Derzeit haben viele Menschen jedoch keinen Zugang zu den dringend benötigten Covid-19-Impfstoffen, auch wenn sie einer Risikogruppe angehören. Den Patentschutz für die Zeit der Pandemie auszusetzen, trüge dazu bei, diesen Missstand zu beheben. Denn Patente führen zu höheren Preisen und verknappen das Angebot künstlich. Die globale Corona-Pandemie mit ihren verheerenden Auswirkungen macht es aber unerlässlich, dass Arzneimittel schnell und günstig allen Menschen weltweit zur Verfügung stehen.

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Jan Carels, Geschäftsführer Gesundheitspolitik beim Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa):
Gerade die Corona-Pandemie zeigt uns, wie wichtig Patente sind. Impfstoffe wurden in Rekordzeit entwickelt und werden zu moderaten Preisen angeboten. Das war nur möglich, weil private Firmen schon viele Jahre vorher ins Risiko gegangen sind und erhebliche Mittel investiert haben. Ohne den Schutz des geistigen Eigentums gäbe es diesen Pioniergeist nicht. Um nun schnellstmöglich große Mengen zu produzieren, laufen bereits zahlreiche Kooperationen mit geeigneten Partnern. Schneller geht’s nicht. Auch nicht, indem einfach mal alle alles dürfen. Denn der Aufbau einer Impfstofffabrik ist kein Möbelregal.

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Prof. Dr. jur. Ansgar Ohly, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Recht des Geistigen Eigentums und Wettbewerbsrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München:
Pharma­unternehmen wenden Entwicklungskosten nur auf, wenn sie die Medikamente exklusiv vermarkten können. In der aktuellen Krise haben Unternehmen schnell und effizient neue Impfstoffe entwickelt. Können wirklich andere Unternehmen einen Impfstoff herstellen, erhalten aber nicht die Genehmigung des Patentinhabers, dürfen schon jetzt Zwangslizenzen erteilt werden. Doch das vermindert den Innovationsanreiz, so dass in der nächsten Krise vielleicht nicht mehr nach einem Wirkstoff geforscht wird.

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Prof. Dr. Wolfram Henn, Institut für Humangenetik an der Universität des Saarlandes und Mitglied des Deutschen Ethikrates:
Ein solcher staatlicher Eingriff wäre nur dann sinnvoll und vertretbar, wenn dadurch eine vermeidbare Minderversorgung mit notwendigen Gütern überwunden werden könnte. Kann der Staat es besser als die Industrie? Nein! Im eigenen und zugleich im öffentlichen Interesse sind die Impfstoff-Produzenten mit Hochdruck dabei, ihre Produktionskapazitäten schnellstmöglich auszuweiten. Vor allem: Ohne das praktische Know-How des Erfinders kann Produktion andernorts gar nicht schnell aufgebaut werden. Der Staat ist besser beraten, Rahmenbedingungen zu verbessern und konsensuelle Lizenzvereinbarungen zu fördern.

Bildnachweis: Ärzte der Welt, vfa, LMU München, Deutscher Ethikrat/R. Zensen