G+G-Wissenschaft

Die Mühen der Metaebene

Mehr als ein Jahr Corona hat eine Fülle an teils unfreiwilligen Erkenntnissen gebracht. Drei Analysen liefern wichtige Zwischenergebnisse. Von Ines Körver

In einem animierten Kurzfilm über

Ludwig Wittgenstein und Marcel Duchamp heißt es: „Es gibt zwei Kategorien von Menschen: die, die Menschen in zwei Kategorien einteilen, und die, die dies nicht tun.“ Dieser Ausspruch lenkt charmant den Blick auf mehrere grundlegende Probleme der Wissenschaft, zum Beispiel darauf, dass der Beobachter immer mit dem Gegenstand verschränkt ist, den er beschreibt; dass Aussagen über vermeintlich andere durchaus auch etwas über einen selbst aussagen können; und dass es zwar grundsätzlich sinnvoll, manchmal aber auch tückisch ist, zwischen einer Ebene und einer Metaebene zu unterscheiden. Darüber hinaus warnt er natürlich davor, die Welt sehr viel einfacher darzustellen, als sie ist.

Gerade diese Ermahnung tut in Zeiten von Corona not. Lange Zeit gehörte es in bürgerlichen Kreisen zum guten Ton, sich hinter den Maßnahmen der Regierung sowie der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten zu versammeln – schon allein, um nicht mit irgendwelchen Corona-Leugnern oder anderen Spinnern in einen Hut geworfen zu werden. Inzwischen aber kommt Kritik am Krisenmanagement der Regierung auch und mit Vehemenz aus dem bürgerlichen Lager. Impfstoffbeschaffung, Impftermine, späte Einbindung der niedergelassenen Ärzteschaft in die Impfkampagne, Maskenaffären und Osterruhe seien hier nur als weidlich bekannte Schlagwörter genannt. Doch der jetzige omnipräsente Empörungsreflex wird der komplexen Sachlage ebenfalls nicht gerecht.

Manches ist in der Krise bei uns sehr gut gelaufen,

manches war grottig. Wir müssen vielfach genauer hinschauen, wenn wir etwas für die Zukunft lernen wollen – auch wenn dies mit aufwendiger Beweisaufnahme in einem längst noch nicht abgeschlossenen weltweiten unfreiwilligen Experiment verbunden ist. Einer, der dies für die neue Ausgabe von G+G-Wissenschaft getan hat, ist Klaus Jacobs, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). In seiner Analyse beschreibt er, warum es leicht war, einen Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst zu schmieden, aber viel schwerer sein dürfte, Lektionen aus Corona für den Krankenhaussektor in eine neue Versorgungsrealität zu überführen. Dabei warnt Jacobs davor, sich auf – selbst aufgesetzten – Lorbeeren à la „eins der besten Gesundheitssysteme der Welt“ auszuruhen.

Norbert Schmacke, der die Public-Health-Szene kennt wie nur wenige Deutsche, beleuchtet in der zweiten Analyse, welchen Beitrag dieser Wissenschaftszweig zur Bewältigung der Krise geleistet hat. Sein Fazit fällt gemischt aus: Es sei zum Teil Sinnvolles empfohlen worden, teilweise hätten die Forscher aber auch zu hohe Ansprüche an die Evidenz, die vorliegen muss, bevor eine politische Maßnahme beschlossen werden kann. In der Krise käme es auch auf schnelles Handeln an, und dabei hätten sich diverse frühere, uns aber heute vielleicht trivial erscheinende Maßnahmen wie Abstand halten, Hände waschen und Masken bewährt.

Wie frühere Zeitalter mit Epidemien und Pandemien umgegangen sind, erläutern in einer dritten Analyse Jörg Vögele und Katharina Schuler vom Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin in Düsseldorf. Die Autoren setzen im Zeitalter des Schwarzen Todes im 14. Jahrhundert ein und zeigen dabei auch, welchen technischen, kulturellen und hygienischen Fortschritt die großen Seuchen bewirkt haben. So simpel es klingt: Viele Probleme werden erst gelöst, wenn sie sich stellen. Das galt auch schon in früheren Zeiten. Beispielsweise führte Hamburg erst eine ordentliche Trinkwasserfilterung ein, nachdem der Cholera-Erreger dort in den 1890er-Jahren Tausende von Menschen durch verunreinigtes Wasser hinweggerafft hatte.

Aus Corona lassen sich viele Lektionen

für die Zukunft ableiten. Alle wichtigen Lehren haben wir gewiss noch nicht gezogen. Wie sollten wir auch, wo die Pandemie noch in vollem Gange ist? Das Team der G+G-Wissenschaft bleibt daher dran und gibt sich auch in Zukunft alle Mühe, Sie aus dem Bewältigungsprozess heraus mit Überblicken über Gelerntes zu versorgen.