Interview

„Feedback ist wichtig für den Erfolg“

Welchen Nutzen haben Registerdaten für die Versorgung und welche Rückschlüsse lassen sich daraus ziehen? Prof. Dr. Rolf Lefering erläutert Ziele und Herausforderungen des TraumaRegisters DGU der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie.

Herr Professor Lefering, welche Ziele hat das TraumaRegister DGU?

Rolf Lefering: Qualitätssicherung und Versorgungsforschung für die Behandlung schwerverletzter Patienten. Die Kliniken können sich anhand der Register-Daten vergleichen. Zum anderen lassen sich Interventionen erforschen. Die teilnehmenden Krankenhäuser erhalten regelmäßig Feedback. Das ist wichtig für den Erfolg eines Registers.

Porträt von Rolf Lefering, Leiter des Instituts für Forschung in der Operativen Medizin an der Universität Witten/Herdecke

Zur Person

Professor Dr. Rolf Lefering leitet das Institut für Forschung in der Operativen Medizin an der Universität Witten/Herdecke. Er ist Mitglied des Arbeitskreises TraumaRegister DGU der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie.

Vor welchen Herausforderungen steht das Register?

Lefering: Wir können nicht einfach auf Knopfdruck die Registerdaten aus dem Pool der Klinikdaten herausziehen. Wir brauchen Informationen aus unterschiedlichen Bereichen: Da fließt beispielsweise ein, was der Notarzt berichtet, die Schockraumversorgung, die Intensivpflegedauer, die Codierung der Verletzung. Die Kliniken treiben einen Extra-Aufwand, um das Register zu befüllen. Beim Aufbau eines Registers braucht es ein paar im positiven Sinne Verrückte, die sich drei- oder viermal im Jahr austauschen. Auf die Kerninformationen kann man sich relativ schnell verständigen. Wir haben diese Informationen über die Jahre viel diskutiert, überarbeitet und gut begründet. Ein weitverbreiteter Trend ist: erstmal Daten sammeln und dann überlegen, was man damit macht. Es muss aber genau umgekehrt laufen.

Wer nutzt die Daten aus dem Register?

Lefering: Unsere Hauptabnehmer sind die teilnehmenden Kliniken. Es gibt zudem einen Forschungsdatensatz, für dessen Nutzung etwa 40 Anträge im Jahr eingehen. Aktuell geht es um die Schockraum-Alarmierung: Wann müssen Klinikmitarbeiter alles stehen und liegen lassen, um Unfallopfer zu versorgen? Wir prüfen anhand der Registerdaten, ob wir die Kriterien schärfen müssen, damit weniger Fehlalarmierungen stattfinden. Momentan arbeiten wir zudem daran, auf Basis der Registerdaten die allgemeine Bevölkerung zu informieren: Wir wollen unsere Ergebnisse ein bisschen plastischer und transparenter darstellen. Dazu gibt es erste Ideenwird es in diesem Jahr eine erste Broschüre geben.

Welche Rückschlüsse lassen sich für die Versorgung ziehen?

Lefering: Wir können epidemiologische Fragen beantworten: Wie häufig ist ein schweres Schädel-Hirn-Trauma bei Unfällen? Wo hat ein verunfallter Fußgänger oder Motorradfahrer üblicherweise seine Verletzungen? Das lässt indirekt auch Rückschlüsse für die Versorgung zu. Wir konnten zeigen, dass Spitzenzeiten für Unfälle zwischen 17 und 18 Uhr liegen. Das ist außerhalb der Regel-Dienstzeit in Kliniken. Spannend wird es, wenn wir Interventionen prüfen. Die verbreitete Gabe von Tranexamsäure soll Blutungen reduzieren und Massentransfusionen vermeiden. Wir prüfen anhand von Registerdaten, ob Patienten dadurch einen Überlebensvorteil haben. Viele der Empfehlungen in der S3-Leitlinie zur Behandlung von Schwerverletzten sind Expertenbasiert. Wir können mit dem Register eine gewisse Evidenz liefern – wenn auch nicht auf dem Niveau von randomisierten Studien. Aber wir liefern Fakten, wo andere nur sagen: Ich glaube, das ist besser.

Inwiefern fließen die Registerdaten in übergeordnete Versorgungsfragen ein?

Lefering: Wir haben in Deutschland ein dreistufiges System für die Klkiniken in der Schwerverletzten-Versorgung, überregional, regional und lokal. Auf die Anforderungen für diese Zertifikate hat das Register einen gewissen Einfluss. Mehr als 600 Krankenhäuser in Deutschland versorgen Schwerverletzte. Nur 100 sind überregionale Level-1-Häuser mit mehr als 100 Schwerverletzten pro Jahr. Ich bin sehr dafür, dass wir Patienten nach der Erstversorgung durch den Notarzt auch mal eine viertel Stunde länger transportieren, damit sie in ein Zentrum kommen, das Erfahrung hat, weil es dort mehrfach pro Woche Schwerverletzte behandelt werden. Die kleinen Häuser machen keine schlechte Medizin. Es gibt genug leichtere Verletzungen, die sie gut versorgen können. Aber sie müssen nicht auch noch Patienten mit Polytrauma versorgen, die vielleicht zweimal im Jahr dort ankommen. Dann sind alle aufgeregt und nach fünf oder sechs Stunden merken sie, dass sie es doch nicht schaffen und müssen den Patienten verlegen. Dieser Zeitverlust kann ihn das Leben kosten.

Änne Töpfer führte das Interview. Sie ist verantwortliche Redakteurin der G+G.
Bildnachweis: privat