Pflege-Migration

Sprache als Schlüsselkompetenz

Gespräche mit Patienten und Heimbewohnern, Informationsaustausch im Team, Dokumentation: In der Pflege ist Sprachkompetenz gefragt. Fachkräfte aus dem Ausland müssen entsprechende Kenntnisse nachweisen – manche Experten fordern hier höhere Ansprüche. Von Bärbel Triller

Um den Personalmangel

in der Pflege abzumildern, werben Kliniken, Heime, Arbeitsagentur und private Vermittler seit einigen Jahren vermehrt Fachkräfte aus dem Ausland an. So hat sich laut Bundesagentur für Arbeit in den vergangenen fünf Jahren die Zahl der im Zuge der europäischen Freizügigkeit in Deutschland beschäftigten Pflegekräfte um 33.000 auf 79.000 erhöht („Arbeitsmarktsituation im Pflegebereich“, Mai 2020). Auch aus Drittstaaten wie Mexiko und den Philippinen kommen vermehrt Pflegekräfte. Mit dem im März 2020 in Kraft getretenen Fachkräfteeinwanderungsgesetz will die Politik die Anwerbung und Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften erleichtern.

Empathie hilft über Sprachbarrieren.

Pflegefachpersonen aus dem Ausland müssen in Deutschland ein Anerkennungsverfahren durchlaufen. Dabei sind die deutschen Sprachkenntnisse ein entscheidendes Kriterium. Für die Berufsausübung und zum Schutz der Patienten werden mindestens Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2 (selbstständige Sprachverwendung) sowie in der Regel weitere berufsspezifische Sprachkenntnisse verlangt. Pflegefachkräfte aus Drittstaaten, die in Deutschland eine Qualifizierung mit anschließender Prüfung zur Anerkennung ihres Berufsabschlusses absolvieren, müssen bei der Einreise Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 (fortgeschrittene Sprachverwendung) nachweisen. Die Bezugsbasis für das Sprachniveau ist der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen.

Fachlich sind aus dem Ausland zugewanderte Pflegekräfte ein Gewinn.

Pflegefachkräfte müssen vielfältig in Wort und Schrift kommunizieren können: mit Kollegen und Patienten sowie in der Pflegedokumentation. Hinzu kommt, dass sie sich in die Strukturen in ein für sie fremdes Gesundheitssystem einarbeiten müssen. „Damit diese komplexe Aufgabe gelingt, müssen zugewanderte Pflegekräfte gut begleitet und ihre Sprachkompetenz kontinuierlich gefördert werden“, sagt Ulrike Döring vom Deutschen Pflegerat. Die medizinische Fachsprache sei international verankert und nicht das Problem, sondern vielmehr die Alltagssprache und die Umgangs- beziehungsweise die Vulgärsprache.

Ein Beispiel von Gabriele Overlander in der Zeitschrift „Pflegen“ (1+2/2017) mache dies deutlich: Ist der medizinische Fachbegriff Vomitus/Emesis noch verständlich, könnte der Alltagsbegriff Erbrechen missverstanden werden und der Vulgärbegriff Kotzen unbekannt sein. Zugewanderte Fachkräfte müssten aber, um sicher kommunizieren zu können, die Begriffe der verschiedenen Sprachebenen lernen und situationsbezogen verstehen. „Bei der Anwerbung im Ausland muss genau hingeschaut werden: Fällt es dem Bewerber leicht eine neue Sprache zu lernen, kann er gut mit Menschen umgehen, verfügt er über Empathie?“, sagt Döring. Mit Empathie könnten Sprachbarrieren schneller überwunden werden.

Mehr Deutschkenntnisse gefordert.

Dass zugewanderte Fachkräfte überfordert sein könnten, davor warnt die Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Gesundheitsversorgung (GQMG) in ihrem Positionspapier „Sprachkompetenz von ausländischen Pflegefachpersonen – eine Schlüsselqualifikation“ (siehe Lese- und Webtipp). „Die vorgelegten Sprachzertifikate halten nicht immer das, was sie versprechen: fundierte Deutschkenntnisse“, sagt Vivienne Thomas, Sprecherin der GQMG-Arbeitsgruppe Pflege und Qualität.

Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Gesundheitsversorgung e. V. (GQMG): Positionspapier Sprachkompetenz von ausländischen Pflegefachpersonen – eine Schlüsselqualifikation

Dies könne dazu führen, dass hiesige Pflegekräfte ihre neuen Kollegen als zusätzliche Last empfänden und diese nicht entsprechend ihrer Qualifikation eingesetzt würden. Die Folge sei Frust und Demotivation. „Das gilt es zu vermeiden, denn fachlich sind die internationalen Pflegekräfte ein Gewinn“, betont Thomas. Die GQMG fordert Deutschkenntnisse auf C1-Niveau (fachkundige Sprachkenntnisse). Die GQMG befürchtet, dass bedingt durch die Personalnot bei der Anwerbung mehr auf Quantität als auf Qualität geachtet werde.

Diese Sorge teilt die Bundesarbeitsgemeinschaft Ausländische Pflegekräfte (BAGAB) unter Verweis auf die strengen Zuwanderungsregeln durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz nicht. Ohne entsprechende Qualifizierung werde keine Berufsanerkennung erteilt. „Gemeinsam mit dem Goethe-Institut setzen wir uns mit der Bildungskooperation für eine qualitativ hochwertige und praxisnahe sprachliche und interkulturelle Ausbildung von ausländischen Fachkräften und Auszubildenden für die Pflege für den deutschen Arbeitsmarkt ein“, sagt BAGAB-Sprecherin Isabell Halletz.

Bärbel Triller ist freie Journalistin in Hannover.
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