Arzneimittel

Ein neuer Weg zu fairen Preisen

Angesichts immer knapperer Mittel in der gesetzlichen Krankenversicherung und steigender Arzneimittelpreise mehren sich nicht nur in Deutschland die Rufe nach einer Anpassung der aktuellen Arzneimittelpreisregulierung. Um auch in Zukunft die hohe Versorgungsqualität und -breite zu gewährleisten, ist es an der Zeit, einen anderen Mechanismus für die Preisbildung zu etablieren – insbesondere bei neuen Arzneimitteln. Von Sabine Jablonka, Dr. Jana Bogum und Gina Opitz

Für Patientinnen und Patienten sind neue Arzneimittel vor allem dann ein Segen, wenn durch sie ihre Erkrankung erstmals behandelbar wird. Die medizinische Versorgung mit Arzneimitteln in Deutschland ist sehr gut: Üblicherweise sind sie bereits kurz nach der Zulassung verfügbar und für die Versicherten kostengünstig erhältlich. Der Preis für die Solidargemeinschaft ist jedoch ungleich höher. Bislang schreibt das Gesetz vor, dass der Preis zu erstatten ist, den der Hersteller beim Marktzugang fordert. Der schnelle, unmittelbare Zugang der neu zugelassenen Präparate führt jedoch selbst bei dünner Evidenz nicht etwa zu Preisabschlägen. Im Gegenteil: Die Aussicht auf die in Deutschland zunächst unbegrenzte Erstattung im ersten Jahr scheint in manchen Fällen die Preisfantasien geradezu zu beflügeln. Bei jedem vierten neuen Präparat belaufen sich die jährlichen Kosten inzwischen auf mehr als 100.000 Euro pro Patient.

Preisschraube dreht sich immer schneller.

Der Preisbildungs­mechanismus, dem neue Arzneimittel nach einem Jahr unterliegen, dürfte ebenfalls dazu beitragen, dass sich die Preisschraube immer schneller nach oben dreht: Mit dem bis dahin zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem pharmazeutischen Hersteller ausgehandelten Erstattungsbetrag wird zumeist ein Preisnachlass gegenüber dem initial aufgerufenen Preis vereinbart. Es ist aber davon auszugehen, dass nicht wenige Hersteller diesen Rabatt zuvor bereits eingepreist haben. Dieser „Webfehler“ des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) wurde bereits bei der Einführung der Regelung als „Teppichhändler-Effekt“ kritisiert. Auch wenn die Diskussion um eine notwendige Rückwirkung des Erstattungsbetrags zum Zeitpunkt des Marktzugangs bis heute nicht abgerissen ist – bislang gilt im ersten Jahr nach Marktzugang weiterhin der vom Hersteller geforderte Preis. Gleiches gilt bei Zulassungserweiterungen: Auch hier kommt ein neuer Erstattungsbetrag erst ein Jahr später zur Anwendung. Hersteller können somit auf Kosten der Solidargemeinschaft jeweils deutlich mehr Arzneimittelpackungen noch zum alten, hohen Preis absetzen. Aufgrund der hohen Preise hierzulande haben die Niederlande Deutschland unlängst von der Liste ihrer Referenzpreisländer gestrichen: Deutsche Arzneimittel sind zu teuer! Reformen beim Marktzugang und bei der Preisbildung erscheinen dringend geboten.

Markteinstieg zum Interimspreis.

Eine Lösung wäre es, den vom Hersteller geforderten „Startpreis“ durch einen vorläufig geltenden Erstattungsbetrag zu ersetzen, der anhand eines transparenten Kriterienkatalogs festgelegt wird. Dieser „Interimspreis“ gilt für eine Übergangszeit, bis er rückwirkend durch den ausgehandelten Erstattungsbetrag ersetzt wird. Die Höhe dieses Interimspreises kann rechnerisch von den Kosten der vom Gemeinsamen Bundesausschuss festgelegten, wirtschaftlich zweckmäßigen Vergleichstherapie abgeleitet werden. Auch für die Fälle, in denen der Gemeinsame Bundesausschuss bislang keine konkrete Vergleichstherapie festgelegt hat, sondern beispielsweise eine Therapie nach Maßgabe des Arztes erfolgt, könnte mit entsprechenden Regelungen ein Interimspreis sinnvoll festgelegt werden. Sollte die Höhe des Interimspreises für die kurze Zeit seiner Geltung nachweislich zu einer unangemessenen Härte für den pharmazeutischen Unternehmer führen, könnte eine geeignete Anpassung vorgenommen werden. Der festgelegte Interimspreis wäre dem Hersteller vor Marktzugang mitzuteilen und als vorläufiger GKV-Erstattungsbetrag in die Verzeichnisse aufzunehmen.

Reformen bei Marktzugang und Preisbildung erscheinen dringend geboten.

Angesichts der kurzen Zeit zwischen Zulassung und Marktzugang sollte die Festlegung des Interimspreises nach einem transparenten, eindeutigen Regelwerk erfolgen, um das notwendige schnelle Verfahren zu ermöglichen. Die Festlegung kann und sollte keine Verhandlungen ersetzen oder gar auslösen. Da der Interimspreis nur vorübergehend gilt, wäre eine potenzielle Unschärfe im Einzelfall angesichts seiner kurzen Geltungsdauer unproblematisch, denn er würde ja bereits nach kurzer Zeit vollständig zum ausgehandelten Erstattungsbetrag rückabgewickelt. Der Interimspreis und die Rückwirkung des Erstattungsbetrags ergänzten sich auf diese Weise zu einem fairen Preisbildungsmechanismus (siehe Grafik „Verhandlungen zum Erstattungsbetrag: Interimspreis sorgt für Fairness“).

Gestrafftes Verfahren verkürzt Rückwirkungszeitraum.

Die Phase, in der der Interimspreis gilt, sollte möglichst kurz sein. Daher könnte zum einen das Verfahren zur Festlegung des Erstattungsbetrags nach vorliegender Zulassung bereits vor dem Marktzugang starten – gegebenenfalls auf Antrag des Herstellers beim Gemeinsamen Bundesausschuss. Zum anderen könnten anstelle der bisher üblichen vier künftig standardmäßig zwei Verhandlungsrunden angesetzt werden, die bei Bedarf noch um eine weitere ergänzt werden könnten. Damit ließe sich der Erstattungsbetrag bereits drei Monate nach abgeschlossener Nutzenbewertung, also deutlich früher als bisher, festlegen. Auf diese Weise könnte spätestens neun Monate nach Marktzugang ein verhandelter Erstattungsbetrag den Interimspreis rückwirkend ablösen; Über- oder Unterzahlungen aus der Preisdifferenz zwischen Interimspreis und Erstattungsbetrag würden dann zwischen den Krankenkassen und dem Hersteller ausgeglichen.

Verfahrensänderungen dringend geboten.

Dass solche Verfahrensänderungen sinnvoll sind, zeigt das Beispiel Zolgensma® der Firma Novartis: Der extrem hohe Preis von 2,3 Millionen Euro für diese als Einmalgabe verabreichte Gentherapie zur Behandlung der seltenen spinalen Muskelatrophie orientiert sich nach Aussage des Herstellers nicht an den Forschungs- und Produktionskosten, sondern am Wert des Arzneimittels für die Patienten und das Gesundheitssystem. Mit der Therapie wird die Hoffnung auf Heilung verbunden. Dass diese möglicherweise nicht berechtigt ist, legt eine laufende Studie für Patientinnen und Patienten nahe, bei denen Zolgensma® allein keine ausreichende Wirkung gezeigt hatte. In dieser wurde das als Dauertherapie anzuwendende Spinraza® ergänzend zu Zolgensma® gegeben. Aufgrund der geringen Zahl der bisher Behandelten sowie der sehr kurzen Beobachtungszeit ist derzeit nicht absehbar, wie häufig Kombinationsbehandlungen mit Zolgensma® und Spinraza® auftreten.

Grafik: Verhandlungen zum Erstattungsbetrag: Interimspreis sorgt für Fairness - Darstellung vom derzeitigen bis zum neuen Ablauf

Derzeit haben Hersteller bei der Preisgestaltung für neue Arzneimittel freie Hand: Im ersten Jahr nach dem Markteintritt gilt der von ihnen festgelegte Preis, erst danach der in Verhandlungen vereinbarte Erstattungsbetrag. Eine gerechtere Alternative wäre die Einführung eines realistischen Interimspreises, der mit Festlegung des Erstattungsbetrags rückwirkend ersetzt wird. Über- oder Unterzahlungen aus der Preisdifferenz zwischen Interimspreis und Erstattungsbetrag würden dann ausgeglichen. Die Geltungsdauer des Interimspreises ließe sich durch eine Straffung der Abläufe verkürzen. 

Quelle: AOK-Bundesverband

Ohnehin sind die Langzeiteffekte der Gentherapie nicht klar, weder hinsichtlich der Hoffnung auf dauerhafte Heilung noch im Hinblick auf mögliche Risiken. Bei der Anwendung von Zolgensma® ist bekannt, dass nach der Therapie Veränderungen von Blutwerten auftreten können, die Effekte auf Leber und Herz haben; daher ist eine längere Nachbeobachtung der Patientinnen und Patienten notwendig. Novartis warnte zuletzt vor der Möglichkeit einer sehr schweren und potenziell lebensbedrohlichen Nebenwirkung: der Entwicklung einer Thrombotischen Mikroangiopathie, die aber bei rechtzeitiger und angemessener Therapie geheilt werden könnte. Eines von fünf Kindern, bei denen diese Nebenwirkung auftrat, starb sechs Wochen nach dem Ereignis. Zum Zeitpunkt dieser Meldung waren etwa 800 Kinder mit Zolgensma® behandelt worden.
 
Auch wenn letztlich alle diese Aspekte in die Verhandlungen um einen angemessenen Erstattungsbetrag für Zolgensma® eingehen, greift dieser zurzeit erst nach einem Jahr. Bis dahin gilt der Wunschpreis des Herstellers in Höhe von 2,3 Millionen Euro, den dieser frühzeitig – weit vor der Zulassung durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) – angekündigt hat. Dieser „Startpreis“ ist etwa so hoch wie der des Präparats in den USA, obwohl die EMA dem Arzneimittel in Europa eine wesentlich breitere Patientenpopulation eröffnet hat. Der Hersteller hat den Preis dennoch nicht mehr angepasst. Ein Interimspreis hätte hier helfen können, initiale Überzahlungen zu vermeiden. Einen solchen Preis hätte man beispielsweise auf der Grundlage der Kosten für die Dauertherapie mit Spinraza® (etwa 262.000 Euro pro Jahr) ableiten und dabei die zum Zeitpunkt der Zulassung gesicherten Erkenntnisse zu Wirksamkeit, möglichem Therapieversagen und Nebenwirkungen berücksichtigen können.

Verhandlungsparameter neu justieren.

Für eine ausgewogenere Verhandlungssituation müssen auch die Parameter neu aufgestellt werden, die bei der Verhandlung des Erstattungsbetrags zu berücksichtigen sind. Neben dem oftmals überhöhten initialen Preis des neuen Arzneimittels, der wie ein Benchmark in die nachfolgenden Erstattungsbetragsverhandlungen nachwirkt, tragen zur Schieflage auch die weiteren vorgeschriebenen Verhandlungsparameter bei: Für Arzneimittel, denen der Gemeinsame Bundesausschuss einen Zusatznutzen zugesprochen hat, werden in den Preisverhandlungen nicht nur das Ergebnis der Nutzenbewertung und die Preise der zweckmäßigen Vergleichstherapie herangezogen, sondern auch die Preise vergleichbarer Arzneimittel sowie die für das neue Präparat in anderen europäischen Ländern (justiert anhand des Bruttoinlandsprodukts). Letztere sind jedoch nur eingeschränkt bekannt, denn andere Länder behandeln ihre Erstattungsbeträge üblicherweise vertraulich. Die eigentlich erhoffte preissenkende Wirkung wird damit meist nur unzureichend erfüllt.
 
Mit den Preisen vergleichbarer Arzneimittel wird zudem das nie hinterfragte Preisniveau des nicht nach AMNOG bewerteten Bestandsmarkts weiter fortgeschrieben. Und selbst bei Arzneimitteln ohne Zusatznutzen wird der ursprünglich angestrebte Grundsatz, Mehrkosten nur bei einem Mehrwert an Nutzen zu akzeptieren, offenbar eher selten realisiert. Eine entsprechende gesetzliche Regelung war 2017 aufgeweicht worden. Eine Auswertung des GKV-Spitzenverbands ergab 2019, dass bei 70 Prozent der Arzneimittel ohne Zusatznutzen der Preis der wirtschaftlichsten zweckmäßigen Vergleichstherapie überschritten wird. Preise vergleichbarer Arzneimittel, die lediglich preiskonservierend auf das bestehende überhöhte Preisniveau wirken, sollten daher künftig nicht mehr herangezogen werden. Auch die Preisreferenzierung sollte eingestellt werden, sofern es nicht durch den Ausbau von EU-Kooperationen gelingt, die Transparenz hinsichtlich der tatsächlichen Abgabepreise in anderen Ländern nachhaltig zu erhöhen.

Ein Modell für angemessene Preise.

Das bislang in Deutschland praktizierte „value based pricing“, also eine nutzenadjustierte Preisgestaltung, ist grundsätzlich kritisch zu hinterfragen: Zwar erscheinen höhere Preise für einen im Vergleich zu den aktuellen Therapieoptionen größeren Nutzen eingängig. Aus einem großen Nutzen lässt sich aber nicht zwingend ein hoher Preis ableiten. Anstelle eines sogenannten nutzenadjustierten Preises sollte auch bei neuen Arzneimitteln der angemessene Preis in den Fokus gestellt werden. Dieser kann sich nicht allein aus den Kosten einer Vergleichstherapie errechnen, die je nach Ausmaß eines Zusatznutzens des neuen Produktes potenziert werden.

Das Problem zu hoher Arzneimittelpreise ist nicht auf Deutschland beschränkt. Auch andere Länder suchen nach Lösungen, um die finanzielle Stabilität ihrer Krankenversicherungssysteme auf Dauer sicherzustellen. Gleichzeitig sind die Betriebsergebnisse der Pharmaindustrie seit Jahren sehr hoch.

Das Problem zu hoher Arzneimittelpreise ist nicht auf Deutschland beschränkt.

Vor diesem Hintergrund hat die Association Internationale de la Mutualité (AIM), eine internationale Dachorganisation für Krankenversicherungen, dem Europäischen Parlament im vergangenen Jahr ein Preisbildungsmodell für faire und transparente Preise von neuen Arzneimitteln vorgestellt. Dabei werden neben dem therapeutischen Wert eines neuen Arzneimittels auch die erwartete Absatzmenge, die Kosten für Forschung und Entwicklung, Produktion, Verkauf und medizinische Information sowie entsprechende Gewinnmargen für die pharmazeutischen Hersteller mit einbezogen.
 
Das Modell löst sich von der starken Fokussierung auf einen (Zusatz-)Nutzen und die bislang am Markt realisierten Preise vergleichbarer Produkte. Es könnte dazu beitragen, die aktuell zu beobachtende Preisspirale bei neuen Arzneimitteln zu durchbrechen. Außerdem ließe sich damit auch der immer wieder zu beobachtenden Doppelfinanzierung von Forschung und Entwicklung vorbeugen. Eine solche ist gegeben, wenn Firmen bei der Entwicklung ihrer Produkte auf Forschung aufsetzen, die bereits mit öffentlichen oder anderen Geldern finanziert worden ist. Beispielhaft sei hier auf die Entwicklungshistorie von Zolgensma® verwiesen. Eine Umsetzung des AIM-Vorschlags, bei dem die Preise je nach Bruttoinlands­produkt justiert würden, könnte dazu beitragen, das Gleichgewicht zwischen Kostenträgern und pharmazeutischen Herstellern wiederherzustellen.

Europäische Kooperationen ausbauen.

Ohnehin könnte es sinnvoll sein, die europäischen Kooperationsbeziehungen weiter auszubauen. Bereits heute arbeiten andere Länder in Europa zusammen, wenn es um Verträge für Arzneimittel geht. Zur Stärkung der Nachfrageseite könnte insbesondere bei hochpreisigen Arzneimitteln mit geringer Evidenz eine Beteiligung Deutschlands an gemeinsamen Preisverhandlungen sinnvoll sein; eine entsprechende Option sollte daher ermöglicht werden. Dabei wäre sicherzustellen, dass der transparente Erstattungsbetrag erhalten bleibt.

Keine Ausnahmen bei der Nutzenbewertung.

Arzneimittel für seltene Erkrankungen, sogenannte orphan drugs, genießen bei der Preisbildung eine Sonderstellung: Unabhängig vom Ergebnis einer Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss wird ihnen per Gesetz ein Zusatznutzen zugeschrieben. Erst wenn der Umsatz zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung die Grenze von 50 Millionen Euro übersteigt, wird eine erneute, umfassende Nutzenbewertung und eine neue Preisverhandlung fällig. Diese Regelung wird von vielen Seiten kritisch gesehen – nicht nur seitens der GKV, sondern auch seitens der Ärzteschaft. Denn durch die pauschale Zuschreibung eines Zusatznutzens besteht für den pharmazeutischen Hersteller kein Anreiz, valide Daten zur Evidenz für das Arzneimittel vorzulegen. Damit erweist sich die Regelung letztlich als kontraproduktiv. Dabei zeigen Ergebnisse aus Bewertungsverfahren zu Arzneimitteln für seltene Erkrankungen, die nach dem Überschreiten der 50-Millionen-Euro-Grenze durchgeführt wurden, dass der Zusatznutzen, den der Gesetzgeber diesen Arzneimitteln pauschal zuschreibt, nicht immer gegeben ist.

Zunächst wurden hier lediglich die ambulant anfallenden Ausgaben einberechnet, seit 2019 immerhin auch die stationären Kosten. Hingegen bleiben Ausgaben außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung weiterhin außen vor. Für Zolgensma® wurde die Umsatzgrenze bereits wenige Monate nach Marktzugang überschritten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat daraufhin sein noch laufendes Bewertungsverfahren gestoppt und den Hersteller aufgefordert, die notwendigen Unterlagen für die umfassende Nutzenbewertung vorzulegen.

Wirtschaftlichkeitsreserven nutzbar machen.

Bislang wird der Wettbewerb im hoch regulierten deutschen Arzneimittelmarkt vor allem bei patentgeschützten neuen Präparaten weitgehend ausgeblendet. Mit Marktzugang gilt grundsätzlich eine Erstattungspflicht, Einschränkungen sind praktisch nicht vorgesehen. In anderen europäischen Staaten können Kostenträger einen differenzierteren Blick auf den Markt haben und gegebenenfalls Arzneimittel nicht in die Erstattung aufnehmen. Dass damit keine Versorgungseinschränkung verbunden ist, zeigt ein Beispiel aus Belgien und den Niederlanden: Diese Länder erstatten pro Anwendungsgebiet nur jeweils eine der beiden Gentherapien Kymriah® und Yescarta®. Dabei wird der Wettbewerb zwischen den beiden Anbietern effektiv für Preisnachlässe genutzt.
 
Solche Konkurrenzsituationen unter gleichwertigen Arzneimitteln könnten künftig auch in Deutschland nutzbar gemacht werden, indem eine vorrangige Erstattung von Vertragspartnern aus wirkstoffübergreifenden Ausschreibungen eingeführt wird. Unterstützend könnte die Feststellung, welche Arzneimittel hier jeweils als therapeutisch vergleichbar einzubeziehen wären, vom Gemeinsamen Bundesausschuss getroffen werden. In einer solchen Gruppe könnte eine Krankenkasse Verträge mit Herstellern schließen, mit denen das Vertragsarzneimittel bevorzugt zu verordnen wäre. Wie bei bestehenden Rabattverträgen auch, könnte davon in medizinisch begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden. So ließen sich auch in Deutschland weitere vorhandene Wirtschaftlichkeitsreserven erschließen.

Sabine Jablonka leitet die Abteilung Arznei-, Heil- und Hilfsmittel in der Geschäftsführungseinheit Versorgung des AOK-Bundesverbandes.
Jana Bogum ist Referentin in dieser Abteilung.
Gina Opitz ist ebenfalls Referentin in dieser Abteilung.
Bildnachweis: iStock.com/sefa ozel/Christian Horz