Einwurf

Klimaschutz für die Gesundheit

Mehr Hitzetote, neue Infektionskrankheiten, Wasserknappheit – der Klimawandel bedroht die Gesundheit, warnt Dr. Eckart von Hirschhausen. Er fordert den politischen Willen, die Lebensgrundlagen der Menschen zu bewahren.

Porträt von Eckart von Hirschhausen, Gründer der Stiftung

Wo sitzen Sie gerade,

während Sie dies lesen? Haben Sie einen kühlen Kopf? Den werden wir alle brauchen, um der größten Gesundheitsgefahr im 21. Jahrhundert etwas entgegenzusetzen: der Klima­krise. Sie bedroht unsere Gesundheit, weltweit und in Deutschland, sie betrifft uns heute und erst recht in Zukunft. Die Pandemie hat uns gezeigt, was es bedeutet, wenn wir mit unserem auf individuelle Behandlung spezialisierten Gesundheitssystem vor Herausforderungen stehen, deren Lösung im öffentlichen Raum entschieden wird. Dies gilt umso mehr für die Herausforderungen, die Hitzewellen, neue Überträger für Infektionen, Allergien und Extremwetterereignisse mit sich bringen. Keiner kann sich eine eigene Außentemperatur kaufen – nicht mal Privatversicherte. Gesundheit ist nicht nur eine Frage von persönlichem Verhalten, wenn mehr Menschen an Luftverschmutzung aus fossiler Energie sterben als am Rauchen.

Sind wir bereit zu akzeptieren, dass Gesundheit nicht hergestellt werden kann, wenn die Lebensgrundlagen fehlen? Vor einer Tablette oder einer Operation brauchen wir saubere Luft, genug Wasser, gesundes Essen und erträgliche Temperaturen. Alle diese Grundlagen sind in Gefahr. Es ist höchste Zeit darauf hinzuweisen: Gesunde Menschen gibt es nur auf einem gesunden Planeten.

Mit der Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ arbeiten wir seit 2020 daran, die Zusammenhänge von Klimawandel, Umwelt und Gesundheit anschaulich zu machen, um mit Partnern aus dem Gesundheitswesen, der Zivilgesellschaft und der Politik für eine enkeltaugliche Zukunft zu kämpfen.

Das ehemalige Nischenthema erntete in den vergangenen zwei Jahren mehr Aufmerksamkeit: Der Deutsche Ärztetag, der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, der Deutsche Pflegetag – alle fangen an, über die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels zu reden. Endlich. Denn im August 2020 starben mehr Menschen in Deutschland an Hitze als an Corona.

Gegen Viren kann man impfen, gegen Hitze nicht. Wenn es die Frühsommer-Meningoenzephalitis schon im Januar gibt, stimmt etwas nicht. Wenn das West-Nil-Virus in Ostdeutschland kursiert, wenn die Asiatische Tigermücke sich in Baden-Württemberg wohlfühlt, wenn Gewässer wie die Ostsee, in denen ich als Kind sorglos gebadet habe, mit Blaualgen, Zyanobakterien und anderen Erregern statt Erholung eine Gefährdung bringen, können wir dazu nicht schweigen. Denn es ist Aufgabe von uns allen in Gesundheitsberufen, das Leben zu schützen und auf Gefahren hinzuweisen.

Keiner kann sich eine eigene Außentemperatur kaufen.

Auch wenn man beim Klimaschutz zunächst an Energiepolitik, Verkehr oder Landwirtschaft denkt: Das Gesundheitswesen spielt eine entscheidende Rolle. Zum einen, weil die Verbindung von Klimawandel und Gesundheit dabei helfen kann, vor Diskussionen über die Therapie erst einmal eine verständliche Diagnose zu stellen. Wer die Auswirkungen der Klimakrise auf die Gesundheit begreift, bekommt einen neuen Blick auf die Notwendigkeit des Handelns. Auch darüber hinaus sind Menschen im Gesundheitswesen aus zahlreichen Gründen aufgerufen, sich mit dem Klimawandel zu beschäftigen: Weil sie Verantwortung tragen für Gesundheit, Prävention, Arbeits- und Patientenschutz, in Ausbildung und Lehre, Forschung und Entwicklung. Viele sind schon unterwegs: Die Deutsche Gesellschaft Klimawandel und Gesundheit bringt im Netzwerk Health For Future engagierte Menschen zusammen.
 
Sind Sie und Ihre besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon bei diesem Thema dabei? In unserer vernetzten Welt verbreiten sich auch Verhaltensänderungen, Meinungen und soziale Normen viral, wenn sie „ansteckend“ genug sind. Wir brauchen den politischen Willen und ein neues Narrativ, das uns neugierig macht auf die Gesellschaft, in der wir zukunftsfähig, gesund und enkeltauglich leben wollen. Denn gesunde Menschen gibt es nur auf einer gesunden Erde.

Eckart von Hirschhausen gründete 2020 die Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher, im Mai 2021 „Mensch, Erde!“
Bildnachweis: Dominik Butzmann