Die Resilienz von Unternehmen beruht auf einem unterstützenden Führungsstil.
Fehlzeiten-Report

Gesundheit schützen in Krisenzeiten

Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt verändert. Wie sich das auf die Gesundheit der Beschäftigten auswirkt und welche Rolle die Resilienz von Unternehmen dabei spielt, zeigt der aktuelle Fehlzeiten-Report. Von Markus Meyer und Andrea Waltersbacher

Im Pandemiejahr 2020

hatten vor allem Beschäftigte mit vielen sozialen Kontakten deutlich häufiger Fehlzeiten im Zusammenhang mit Covid-19. Dazu gehören beispielsweise Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Gesundheitsberufen und Berufen in der Kindererziehung. Das zeigt eine Analyse der krankheitsbedingten Fehlzeiten der 14,1 Millionen AOK-versicherten Beschäftigten, die das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) in seinem aktuellen Fehlzeiten-Report veröffentlicht hat.

Krankenstand bleibt auf Vorjahresniveau.

Demnach war in der ersten Welle der Pandemie im März 2020 der Krankenstand höher als im Durchschnitt der vorangegangenen fünf Jahre für diesen Monat. Über das ganze Jahr gerechnet aber lag der Krankenstand mit 5,4 Prozent nicht über dem Niveau von 2019. Das ist vermutlich nicht nur auf die Abstands- und Hygieneregeln zurückzuführen. Mehr Menschen arbeiteten im Homeoffice. Das führte zu weniger und kürzeren Kontakten und damit zu einem Rückgang von Atemwegs- und ähnlichen Infektionserkrankungen. Es gibt aber auch Hinweise, dass Beschäftigte aus Angst vor Ansteckung Arztbesuche vermieden oder planbare, mit Arbeitsunfähigkeitszeiten verbundene Operationen verschoben haben.

Längere psychisch bedingte Fehlzeiten.

Der stetige Anstieg der Arbeitsunfähigkeitsfälle aufgrund von psychischen Erkrankungen setzte sich im Jahr 2020 nicht fort. Während jedoch die Fallzahlen sanken, nahm parallel die Länge von psychisch bedingten Fehlzeiten bei den AOK-Mitgliedern im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast vier Tage zu: Die Ausfallzeiten stiegen von durchschnittlich 26,5 Tagen im Jahr 2019 auf 30,4 Tage im Jahr 2020 (jeweils März bis Dezember). Damit hat das Pandemiejahr 2020 den Trend zu immer längeren Arbeitsunfähigkeitszeiten bei psychischen Erkrankungen noch einmal deutlich verstärkt. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben Menschen mit psychischen Erkrankungen offenbar zusätzlich belastet. Der Fehlzeiten-Report 2021 nimmt daher in den Blick, wie Betriebe und Beschäftigte besser durch Krisen kommen können.

Grafik: Unternehmenskultur beeinflusst den Krankenstand

Ein offener Umgang mit Fehlern, ein guter Informationsfluss und schnelle Entscheidungen machen Unternehmen in Krisen widerstandsfähig. Die Beschäftigten, die ihrem Arbeitgeber hohe Resilienz bescheinigen, bewerten ihren Gesundheitszustand deutlich besser: So gaben 90,5 Prozent der für den Fehlzeiten-Report 2021 befragten Beschäftigten bei niedriger Unternehmensresilienz an, unter psychosomatischen Beschwerden wie Erschöpfung oder Schlafstörungen zu leiden. Unter den Befragten aus Unternehmen mit hoher Resilienz waren es lediglich 74 Prozent.

Quelle: Fehlzeiten-Report 2021

Die Fähigkeit, großen Belastungen zu trotzen, sich nach kritischen Ereignissen schnell zu erholen und die eigenen Schutzsysteme anzupassen und zu verbessern, wird als Resilienz bezeichnet. Nicht nur einzelne Menschen, sondern auch Gruppen oder Institutionen zeigen in unterschiedlichem Maße Resilienz, also Widerstandskraft im Umgang mit alltäglichen Herausforderungen.

Mit einer telefonischen Befragung von 2.501 Erwerbstätigen zwischen 20 und 65 Jahren ist das WIdO der Frage nachgegangen, welche Belastungen die Covid-19-Pandemie für Erwerbstätige mit sich bringt und ob die Resilienz des Unternehmens, in dem sie arbeiten, auch bei der Gesundheit eine positive Rolle spielt. Dabei fanden die WIdO-Forscher einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Bewertung der Resilienz durch die Mitarbeitenden und ihrem psychischen Wohlbefinden sowie der Gesundheit und den Fehlzeiten.

Resilienz positiv bewertet.

Unternehmen mit hoher sozialer Resilienz unterstützen durch eine positive Fehlerkultur, ein ständiges Monitoring der störenden Einflüsse und ein schnelles Entscheidungsmanagement die Anpassung an die Veränderungen in der Krise. Die Befragten bewerteten viele dieser Aspekte der Unternehmensresilienz positiv. Fast drei Viertel stimmten (eher bis voll und ganz) zu, dass in ihrem Unternehmen Informationen an Mitarbeitende weitergegeben wurden, damit diese schnell auf Unerwartetes reagieren können.

Auch die Fehlerkultur sowie die Fähigkeit zur schnellen Entscheidungsfindung bekamen gute Noten: Es stimmten jeweils rund drei Viertel der Befragten (eher bis voll und ganz) zu, dass in ihrem Unternehmen eine offene Fehlerkultur und schnelle Entscheidungsfindung gelebt wird.

Beschäftigte vermissen Wertschätzung.

Die Resilienz von Unternehmen beruht zudem auf einem unterstützenden Führungsstil sowie generell auf einer Fairness- und Vertrauenskultur, die die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden stärkt. Der Aussage, dass ihre Führungskraft ansprechbar war, wenn es um Probleme bei der Arbeit ging, stimmten gut 44 Prozent der Befragten voll und ganz zu. Weitere 38 Prozent stimmten eher zu.

Diese positiven Bewertungen der Führungskraft sprechen dafür, dass sich die Befragten auch während der Pandemie und der damit verbundenen Veränderungen, wie beispielsweise der Arbeit im Homeoffice, gut von ihren Führungskräften unterstützt fühlten.
 
Jedoch empfanden die Befragten die Wertschätzung, die ihrer Arbeit entgegengebracht wird, teilweise als unzureichend. So stimmte nur ein Fünftel voll und ganz der Aussage zu, dass ihre Arbeit Wertschätzung durch die Vorgesetzten erfuhr. Und sie bewerteten auch einen weiteren Aspekt von Fairness weniger gut: Ein Drittel berichtete, dass ihr Unternehmen eher nicht darauf geachtet hat, die Arbeitsbelastung zu begrenzen.

Analyse auf Basis von Extremgruppen.

Um zu untersuchen, wie die Bewertung der sozialen Resilienz des Unternehmens mit dem Gesundheitszustand der Beschäftigten zusammenhängt, haben die WIdO-Forscher zwei Extremgruppen gebildet. Das Viertel der Befragten vom unteren Ende der Bewertungsskala bildet die Gruppe „Niedrige Unternehmensresilienz“ (621 Befragte). Das Viertel der Befragten mit der besten Bewertung der Unternehmensresilienz (658 Befragte) bildet die Gruppe „Hohe Unternehmensresilienz“.

Im Ergebnis zeigt sich, dass die Befragten der Gruppe „Hohe Unternehmensresilienz“ in den vorangegangenen vier Wochen signifikant seltener gesundheitliche Beschwerden hatten als die Befragten der Gruppe „Niedrige Unternehmensresilienz“ (siehe Grafik „Unternehmenskultur beeinflusst den Krankenstand“). Besonders groß ist die Differenz zwischen den Gruppen in Bezug auf die Zweifel an den eigenen Fähigkeiten: Rund ein Drittel der Befragten aus der Gruppe mit einer hohen Unternehmensresilienz berichtete davon. Bei den Beschäftigten von Unternehmen mit niedriger Resilienz waren es jedoch 82 Prozent. Auch bei den emotionalen Irritationen wie Wut und Verärgerung unterschieden sich die Beschäftigten der beiden Gruppen deutlich (31,4 Prozentpunkte). Ähnlich groß war der Unterschied zwischen den Gruppen bei der Lustlosigkeit und dem Gefühl, ausgebrannt zu sein (26 Prozentpunkte).

Bernhard Badura, Antje Ducki, Helmut Schröder, Markus Meyer (Hrsg.): Fehlzeiten-Report 2021. Betriebliche Prävention stärken – Lehren aus der Pandemie. 866 Seiten. 59,99 Euro. Springer-Verlag, Heidelberg.

Der Extremgruppen-Vergleich zeigt, dass ein von den Befragten als gut bewertetes Resilienzverhalten von Unternehmen nicht nur mit weniger emotionalen, psychosomatischen sowie körperlichen Beschwerden in Zusammenhang steht, sondern auch mit den Fehlzeiten der Beschäftigten. Die Beschäftigten mit der besten Bewertung der Unternehmensresilienz berichteten von 7,7 krankheitsbedingten Fehltagen in den vorangegangenen zwölf Monaten. Die Beschäftigten mit der schlechteren Bewertung gaben 11,9 Arbeitsunfähigkeitstage an.

Lehren für die Zukunft.

Die soziale Resilienz im Unternehmen zu fördern, trägt dazu bei, die Innovationskraft, Anpassungskapazität und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erhalten. Das gilt auch für Zeiten ohne größere Krisen. Wenn Unternehmen die richtigen Lehren für die zukünftige Arbeitswelt und ihre schnellen Veränderungen ziehen und die Erfahrungen aus der Covid-19-Pandemie angemessen berücksichtigen, wappnen sie sich für kommende Herausforderungen.

Markus Meyer ist Projektleiter „Betriebliche Gesundheitsförderung” beim Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO).
Andrea Waltersbacher ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im WIdO-Forschungsbereich „Betriebliche Gesundheitsförderung und Heilmittel“.
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