Geschichte

Medizin und Tod im Spiegel der Kunst

Die moderne Medizin rettet Leben und verbannt den Tod in die Tabuzone. Doch in der Kunst ist der Sensenmann seit Jahrhunderten präsent und schlägt den Ärzten manch ein Schnippchen, wie Prof. Dr. Jörg Vögele und Luisa Rittershaus anhand ausgewählter Werke einer Grafiksammlung zeigen.

Die Jahre 2020 und 2021 bedeuten eine Zäsur für den gesellschaftlichen Umgang mit Sterben und Tod. Die Corona-Pandemie holte den Tod aus seinem Versteck und ließ ihn über die tägliche Dokumentation von Infektionen und Sterbefällen zu einer ständig aktualisierten Neuigkeit werden. Dramatische Bilder aus Intensivstationen und von Massengräbern prägten sich tief in das Gedächtnis ein. Das verstärkte öffentliche Interesse, die Visualisierung und die Alltäglichkeit des Todes treffen dabei auf eine Gesellschaft, in welcher der Diskurs über das Sterben zwar Konjunktur, aus deren Mitte sich der unmittelbar erlebte Tod aber längst zurückgezogen hat. Die direkten Berührungspunkte mit ihm liegen in den Händen der Medizin: Virologen, Immunologen, Intensivmediziner und -pfleger sind die Gesichter der Pandemie.

Dem war allerdings nicht immer so: Wenn Geschichte und Kunstgeschichte die Thematik „Sterben und Tod“ aufgreifen, lassen sich der Wandel der Medizin, der ärztlichen Rolle und des Arzt-Patienten-Verhältnisses, die Flüchtigkeit des Lebens sowie die soziale Konstruktion des Blicks auf das Sterben herausarbeiten.

Totentänze demonstrieren Vergänglichkeit.

Die Endlichkeit des Lebens und den Tod zu akzeptieren, scheint den Menschen zu jeder Zeit schwergefallen zu sein. Der Glaube an ein jenseitiges Leben sowie die enge Beziehung der Todesauffassung zum Göttlichen und zur Idee eines postmortalen Gerichts fanden als wichtige und bis in die Gegenwart überdauernde Konstruktionen ihren Niederschlag in der Kunst. Seit dem späten Mittelalter ist daraus eine Vielfalt von Darstellungen zur Todes­thematik hervorgegangen, unter anderem die sogenannten Totentänze. Das sind allegorische Darstellungen eines Reigens, den der als Skelett personifizierte Tod mit Menschen jeden Alters und Standes (von der Kaiserin, über den Arzt, den Bettler bis hin zum Kind) tanzt. Auf diese Weise zeigen die Totentänze die Vergänglichkeit des Lebens und die Gleichheit vor dem Tod auf.

Das Selbstverständnis der Ärzte wandelte sich vom Diener der Natur zum Herrscher über sie.

Ursprünglich als monumentale Fresken auf Friedhofsmauern und Beinhäusern angebracht, löste das Aufkommen des Kupferstichs die ursprüngliche Reigenform des Totentanzes in einzelne Begegnungen von jeweils einem Vertreter der sozialen Schichten und dem Tod auf. Das ermöglichte eine Individualisierung des Todesgeschehens, die ein kollektives Sterben, beispielsweise durch Epidemien, zunehmend ablöste.

Medizinisches Personal ersetzt den Priester.

Die steigende Lebenserwartung in den Industrienationen drängte den Tod zudem weitgehend in die höheren Altersgruppen zurück. Infolgedessen veränderte sich die Einstellung zu Leben und Tod grundlegend. Die Mentalitäts- und Sozialgeschichte hat diese Entwicklung als einen Wandel von einem öffentlichen Tod zu einem verdrängten Tod beschrieben. Der öffentliche Tod wurde durch die Rituale der Kirche geregelt und verwaltet. Der verdrängte Tod wurde vom Alltag abgetrennt, von zu Hause ins Krankenhaus und in die Hände der modernen Medizin verlagert. Diesen Prozess hat eine Säkularisierung begleitet, bei der in den letzten Stunden des Lebens medizinisches Personal allmählich die Rolle des Priesters ersetzt hat.

Matthäus Merian d. Ä.: Der Doctor, frühes 17. Jahrhundert. Kupferstich 11,9 x 9,2 cm

Während die traditionelle Aufgabe des Arztes eher darin bestand, den Angehörigen die Todesstunde des Patienten vorherzusagen als den Tod effektiv zu verhindern, brachte der Aufstieg der modernen, auf Naturwissenschaften und technischen Geräten basierenden Medizin eine Verlagerung der Verantwortung mit sich. Der Arzt erhält in diesem Prozess die zentrale Rolle. Sein Verhältnis zu Krankheit, Patient und Tod ist komplex: Einerseits agiert er im Krankheitspanorama seiner Zeit, das er wiederum durch sein Handeln beeinflusst. Andererseits unterliegt der Arzt einem zeitgemäßen Verständnis von Krankheit, Gesundheit und medizinischem Handeln und ist (selbst)verpflichtet, den Tod zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Ärzte wurden zu ständigen Begleitern, und ihr Selbstverständnis wandelte sich schließlich vom Diener der Natur zum Herrscher über sie.

Arzt und Patient begegnen dem Tod.

Anhand ausgewählter Totentanzblätter aus der Grafiksammlung „Mensch und Tod“ der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (siehe Kasten „Grafiksammlung in der medizinischen Lehre“) stellt dieser Artikel Entwicklungen und Veränderungen im kulturhistorischen Verhältnis von Arzt, Patient und Tod vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart dar.

Die Ikonografie der Begegnung von Arzt und Tod oder Arzt, Patient und Tod ist fest in den Totentanzdarstellungen verankert und spiegelt sich in vielfältigen Aspekten wider. Im Folgenden soll im Rahmen der Totentanzgrafiken die Darstellung des Arztes untersucht, die Beziehung zwischen Arzt und Patienten thematisiert und schließlich die Repräsentation ärztlicher Handlungen diskutiert werden.

Künstler stellen Funktion und Rolle dar.

Die frühen Darstellungen des Arztes konzentrieren sich ausschließlich auf seine berufstypischen Attribute – Kittel, Barett und Harnglas – sowie auf Funktion und Rolle. Bis zum 16. Jahrhundert wurde der Arzt als Gelehrter, Chirurg oder Wundarzt dargestellt. Später kamen andere medizinische Fachrichtungen oder berufliche Spezialisierungen hinzu. Die Rolle des Arztes reicht dabei vom Kämpfer gegen den Tod – einschließlich gelegentlicher künstlerischer Heroisierung – über seine Entlarvung als dessen Gehilfe bis hin zur spöttischen Karikatur und schließlich zum Arzt, der dem eigenen Tod machtlos gegenübersteht.

Die Grafiksammlung „Mensch und Tod“ am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf umfasst rund 6.000 Originale aus der Zeit des 15. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Sie ermöglicht einen breiten Überblick über die Entwicklung der Todesdarstellungen in der europäischen Kunst. Den Grundstein legte der Ankauf der fast 1.000 Werke umfassenden Kunstsammlung des Chirurgen Dr. Werner Block im Jahr 1976. 1991 gelang mit dem Erwerb eines weiteren großen Konvoluts des Journalisten Robert Matzek ein weiterer wichtiger Ausbau der Sammlung. Seither ist sie ständig erweitert worden. Bedingt durch diese Entstehungsgeschichte liegt ein Schwerpunkt auf dem Verhältnis von Arzt und Tod. Die Sammlung enthält Werke von Salvador Dali, Gertrude Degenhardt, HAP Grieshaber, Thomas Rowlandson, Josef Ferdinand Seitz, A.P. Weber und vielen mehr.

Das Institut für Geschichte der Medizin bietet regelmäßig Seminare zur Sammlung und zu den Themen „Tod und Totentanz“ an. Für die Studierenden bietet sich hier die Möglichkeit, sich mit einem heute oft verdrängten Thema zu beschäftigen. 

 Weitere Informationen über „Mensch und Tod“

Die Ursprünge gehen auf den Basler Totentanz von 1440 zurück, der an der Friedhofsmauer der Basler Predigerkirche angebracht war. Matthäus Merian der Ältere (1593 bis 1650) stach den heute zerstörten Totentanz in Kupfer und veröffentlichte ihn mit den dazugehörigen Texten in Buchform. Sein Werk ist ein Beispiel für die pragmatische Zerlegung des ursprünglichen Reigens in seine einzelnen Paare. Der Kupferstich „Der Doctor“ (siehe Abbildung) ist einer von insgesamt 44 Kupferstichen der Folge. Der Arzt ist darauf an seinem Barett und Gewand zu erkennen. Er wird von dem als Skelett personifizierten Tod geführt. Der Tod hat die Kabine, die für die sichere Aufbewahrung des Harnglases, der Matula, bestimmt ist, an sich genommen und trägt sie bereits am Ellbogen. Das Harnglas selbst ist dem Arzt aus der Hand gefallen. Anklagend fragt er: „Wer wird [...] nach dem Wasser sehen?“

Harnglas als wichtiges Attribut.

An diesem Punkt werden die Grenzen des ärztlichen Handelns deutlich. Bis in die frühe Neuzeit war die Uroskopie (die Untersuchung des Urins) trotz anhaltender Kritik das wichtigste medizinische Hilfsmittel für Diagnosen. Sie beruhte auf der Annahme, dass Krankheiten durch ein unausgewogenes Gemisch von Körperflüssigkeiten verursacht werden, das im Urin sichtbar wird. Als diagnostisches Verfahren unterstrich sie die Deutungshoheit des Arztes gegenüber anderen Heilberufen und legitimierte seine Autorität. So wurde das Harnglas zum wichtigsten Attribut des Arztes, noch vor Talar und Barett.

Die Tatsache, dass die Uroskopie per Ferndiagnose durchgeführt werden konnte, erklärt die Abwesenheit des Patienten in den künstlerischen Darstellungen. Darüber hinaus galt die Berührung des Patienten für den sozialen Status des Arztes als unwürdig. Genauso vermied der Arzt zur Wahrung seines guten Rufs, beim Tod eines Patienten anwesend zu sein. Eine Todesprognose war somit nicht nur für den Patienten und seine Angehörigen, sondern vor allem für den Arzt von großem Interesse.

Wissenschaft bewirkt ikonografischen Wandel.

In zahlreichen frühen Darstellungen erscheint der Tod als ein Triumphierender: Neben der Tatsache, dass er dem Arzt seinen eigenen Tod vor Augen führt, zeigt er ihm aber vielmehr die Unzulänglichkeiten seiner medizinischen Fähigkeiten auf oder entlarvt ihn als Quacksalber, der weder im Stande ist, den Patienten noch sich selbst zu heilen. Es war die Verwissenschaftlichung der Medizin in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die einen ikonografischen Wandel in der Darstellung des Arztes bewirkte. Die Erwartungen des Patienten an den Erfolg des Arztes wuchsen, und der Arzt seinerseits sprach nicht mehr die Sprache des Patienten. Stattdessen verharrte er in einem wissenschaftlichen Mikrokosmos. Die Kluft zwischen ihm und den Patienten wurde immer größer.

Hans Holbein d. J.: Der Arzt, 1521. Holzschnitt 6,5 x 5 cm
 

Im 20. Jahrhundert schließlich gewann der Arzt zunehmend an Prestige und mutierte zum bekannten „Halbgott in Weiß“. Das Ergebnis sind Darstellungen, in denen athletische Ärzte mit vollem Körpereinsatz gegen den Tod kämpfen, manchmal sogar erfolgreich. Diese heroischen Darstellungen des selbstlosen Arztes im Einsatz für das Wohl des Patienten finden sich beispielsweise häufig in den von Ärzten selbst in Auftrag gegebenen Exlibris (Bucheigner-Zeichen) des 20. Jahrhunderts. Diese Abweichung des Selbstbilds von dem der Außenwahrnehmung zeugt von dem herausragenden Selbstverständnis der Ärzte.

Der Tod greift ins Geschehen ein.

Die Beziehung zwischen Arzt und Patient ist ein weiterer Aspekt, der sich in den grafischen Arbeiten widerspiegelt. Die Position des Arztes im Verhältnis zum Patienten schwankt zwischen zwei Extremen: Zum einen zeigen die Grafiken den Arzt als entschlossenen Kämpfer gegen den Tod, zum anderen agiert er als dessen Verbündeter. Seine Rolle oszilliert zwischen einem paternalistischen und einem partnerschaftlichen Modell, zwischen Nähe und Distanz.

Für die Darstellung von Arzt und Patient ist Hans Holbein (1497/98 bis 1543) in mehrfacher Hinsicht revolutionär. In Holbeins maßgeblicher Totentanz-Folge „Icones mortis“ erzählt er mit jedem Bild eine eigene Geschichte. Der Künstler weist die Szenen als charakteristische Alltagssituationen aus, in denen die Vertreter der verschiedenen Stände nicht mehr anonyme Figuren in einem Reigen sind, sondern konturierte Individuen. Zudem lässt Holbein die Personifikation des Todes erstmals selbst in das Geschehen eingreifen, visualisiert auf diesem Weg unterschiedliche Todesursachen und führt außerdem den Patienten als dritten Protagonisten in die Konfrontation zwischen Arzt und Tod ein.

Entmachtung des Arztes.

In seinem Holzschnitt „Der Arzt“ von 1521 betritt der Tod mit einem alten Mann an der Hand das Arbeitszimmer des Arztes und hält ihm das Harnglas hin (siehe Abbildung). Vor dem Arzt auf dem Tisch steht eine Sanduhr als Symbol für die ablaufende Zeit. Interessant ist, dass Holbein den Tod das Harnglas halten lässt. In früheren Darstellungen greift der Tod nach dem Glas in den Händen des Arztes oder zerschlägt es heimtückisch. Dieser Moment bei Holbein aber kommt einer Entmachtung des Arztes gleich. Die Tatsache, dass der Tod hier von Anfang an das Harnglas bei sich trägt und es dem Arzt zur Diagnose übergibt, verdeutlicht die Inkompetenz des Arztes: In Anbetracht des Todes selbst und des alten Mannes an seiner Seite besteht keine Notwendigkeit, noch nach Todeszeichen im Urin zu suchen.

Der Patient ist dem Tod ausgeliefert.

In Anlehnung an Holbein entstand eine Vielzahl von Totentänzen, die in der Konfrontation zwischen Arzt, Patient und Tod die Hilflosigkeit des Arztes und seiner Wissenschaft darstellen. Verglichen mit dem Wissen des Todes erscheint das Wissen des Arztes als unzureichend und sein Handwerk als begrenzt. In diesen Darstellungen spielt der Patient nur eine Nebenrolle: Der Tod kommt nicht für ihn.

Thomas Rowlandson: The Quack Doctor, 1814. Handkolorierte Radierung,
Aquatinta 12 x 21 cm
 

Die Bedeutung des Patienten tritt erst in den Werken des 20. Jahrhunderts stärker hervor. Hier gibt es zwei gegensätzliche Formen der Darstellung: Da ist zum einen der von Arzt und Tod gleichermaßen umkämpfte Patient. Mit dramatischer Geste erhebt sich der Arzt in diesen Darstellungen in eine heroische und siegreiche Position. Auf der anderen Seite steht der Patient, der dem ärztlichen Können und schließlich dem Tod hilflos ausgeliefert ist.

Entlarvung als Quacksalber.

In den frühen Grafiken beschränkt sich das medizinische Handeln auf die Uroskopie. Wie oben beschrieben, ermöglichte das Harnglas dem Arzt eine Ferndiagnose in Abwesenheit des Patienten – eine Analogie zur modernen Labormedizin ist nicht zu übersehen. Seine ikonologische Bedeutung reicht von der Legitimation des Arztberufs (wie heute das Stethoskop) bis zu seiner Verspottung.

Im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts wurde das Motiv der Harnschau mangels empirischer Belege für den Nutzen der Methode zunehmend zur Entlarvung des Arztes als Quacksalber eingesetzt. Zugleich wurde der Arzt zum Scharlatan, der den drohenden Tod seines Patienten nicht erkannte oder seinem eigenen Tod hilflos gegenüberstand.

Totentanz als Karikatur.

Ein gutes Beispiel für die Darstellung des Arztes als Quacksalber und sogar als Gehilfe des Todes ist die Radierung „The Quack Doctor“ von Thomas Rowlandson (1756 bis 1827) aus seiner Serie „The English Dance of Death“ (siehe Abbildung). Sie interpretiert die englische Gesellschaft satirisch und humorvoll. Dies ist das erste Mal, dass der Totentanz in Form einer Karikatur erscheint, und damit auch das erste Mal, dass der Beruf des Arztes und die Verherrlichung der wissenschaftsorientierten Medizin auf ironische Weise infrage gestellt wird. Doch diesmal ist der Protagonist kein Arzt, sondern ein Apotheker in seinem Laden.

  • Jörg Vögele, Luisa Rittershaus (Hrsg.): Danse Macabre – Totentanz – Dance of Death: 40 Jahre Grafiksammlung Mensch und Tod der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Cuvillier Verlag, Göttingen 2016.
  • Stefanie Knöll (Hrsg.): Exlibris. Medizin gegen den Tod? Schriftenreihe der Grafiksammlung Mensch und Tod. Düsseldorf 2010.
  • Eva Schuster (Hrsg.): Das Bild vom Tod. Grafiksammlung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Recklinghausen 1992.
  • Universitätsklinikum Düsseldorf: „Mensch und Tod

Die Wände sind bedeckt mit Regalen, voll von dicht aneinander gereihten Gläsern, deren Aufschriften Cantharides, Arsnic, Opium, Nitre und Vitriol – alle miteinander (Nerven-)Gifte – die Ungeheuerlichkeit dieser Szenerie schon andeuten. Eine groteske Schar von Patienten steht Schlange für Pillen und Säfte, die ihnen nicht die gewünschte Heilung, sondern dem Apotheker beträchtlichen Reichtum versprechen. Hinter einem Vorhang agiert der Tod als Verbündeter des selbsternannten „Doktors“, in der Hand einen Mörser mit der Aufschrift „langsames Gift“, beobachtet er über einen Spiegel triumphierend die Kunden.

Der Arzt als Held in Aktion.

Mit der Einführung des Patienten in die Grafiken konnten neue Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten gezeigt werden. Obwohl die Harnschau im 17. und 18. Jahrhundert obsolet wurde, finden sich in den Darstellungen dieser Zeit nur wenige andere medizinische Tätigkeiten, wie das Setzen eines Klistiers, Pulsmessung oder Aderlass. Erst im Laufe des 19. und vor allem des 20. Jahrhunderts zeigen sich fortschrittlichere Behandlungsmethoden in den grafischen Werken: Illustrationen von Röntgenstrahlen spiegeln den medizinisch-technischen Fortschritt wider. Von nun an wird der Arzt für Jahrzehnte als Held in Aktion gezeigt. Doch die Totentänze lassen keinen Zweifel: Am Ende triumphiert immer der Tod und ärztliches Handeln kommt an seine Grenzen.

Gegenwärtig stehen sowohl Ärzte als auch Patienten aufgrund der steigenden Lebenserwartung vor neuen Herausforderungen, die sicherlich auch Auswirkungen auf die Kunst und speziell auf die Totentänze haben werden. In der Zwischenzeit scheinen jedoch beide Seiten desillusioniert zu sein: In einer säkularisierten Welt, in der der Himmel entvölkert ist und es keine Aussicht auf ein Leben nach dem Tod gibt, erscheint die Situation als hoffnungslos.

Jörg Vögele ist stellvertretender Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sowie Kurator der Grafiksammlung „Mensch und Tod“.
Luisa Rittershaus M.A. ist wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin.
Bildnachweis: Grafiksammlung „Mensch und Tod“, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf