Aktionsbündnis

Debatte: Strategie für die Herzgesundheit

Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen in Deutschland die Todesursachen-Statistik an. Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung, fordert eine nationale Strategie, um die medizinische Versorgung zu verbessern und die Forschung zu stärken.

Niemand muss am Herzinfarkt sterben,

heißt es unter Kardiologen. Tatsächlich konnte dank des medizinischen Fortschritts der akute Herzinfarkt mit Todesfolge in Deutschland massiv zurückgedrängt werden: von fast 70.000 Sterbefällen um die Jahrtausendwende auf rund 44.500 im Jahr 2020. Eine positive Entwicklung – doch noch immer sterben unabhängig vom Alter viele Menschen am Herzinfarkt, weil sie etwa die Symptome nicht richtig zuordnen und deshalb den Rettungsdienst zu spät oder gar nicht alarmieren. Auch erleiden Menschen einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder plötzlichen Herztod, weil bei ihnen Vorerkrankungen wie koronare Herzkrankheit, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen oder Übergewicht nicht frühzeitig entdeckt und nicht oder nur unzureichend behandelt wurden.

Allein am plötzlichen Herztod, dem in den meisten Fällen die koronare Herzkrankheit zugrunde liegt, sterben pro Jahr rund 65.000 Menschen. Insgesamt starben im Jahr 2020 in Deutschland 338.000 Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Damit führen sie die Todesursachen-Statistik des Statistischen Bundesamtes weiterhin an. Hinzu kommt: Mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen geht ein höheres Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf einher.

Papier mit konkreten Vorschlägen veröffentlicht.

Um die kardiovaskuläre Erkrankungshäufigkeit und Sterblichkeit zu verringern, ist ein Bündel an beeinflussbaren wie unbeeinflussbaren Faktoren zu berücksichtigen. Daran setzt ein Aktionsbündnis, bestehend aus der Deutschen Herzstiftung, den wichtigsten zehn herzmedizinischen Fachgesellschaften, Krankenkassen, Verbänden und Patientenorganisationen, an. Das Bündnis „Beherzt handeln“ hat eine nationale Herz-Kreislauf-Strategie erarbeitet und ein Papier mit konkreten Vorschlägen veröffentlicht. Die ehemalige Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Professorin Dr. Claudia Schmidtke, hat das Bündnis ins Leben gerufen, um mit einer nationalen Strategie die medizinische Versorgung und die Forschung auf dem Gebiet der Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verbessern.

Potenzial der Präventionsmedizin nutzen.

Die Deutsche Herzstiftung und ihre Bündnispartner erwarten von der neuen Bundesregierung einen Aktionsplan, der den Ausbau innovativer Forschung und die medizinische Versorgung insbesondere im Bereich der Prävention im Sinne der Patientinnen und Patienten voranbringt. Großes Potenzial hat zum Beispiel die personalisierte Präventionsmedizin. Mithilfe Künstlicher Intelligenz könnte zukünftig jeder Mensch auf Basis einer individuellen Risikoeinschätzung eine persönliche Empfehlung für eine Lebensweise erhalten, die die Herzgesundheit schützt.

Im Jahr 2020 starben in Deutschland 338.000 Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Eine zielorientierte nationale Herz-Kreislauf-Strategie kann dazu beitragen, die kardiovaskuläre Sterblichkeit zu senken und die Prognose für Herzpatienten zu verbessern. Eine nationale Vorgehensweise muss sich auf die Früherkennung und Prävention, den Aufbau eines interdisziplinären und intersektoralen Versorgungsnetzwerkes für herzkreislauferkrankte Patienten, die Stärkung der Patientenorientierung sowie die Digitalisierung und den Ausbau der Forschungsförderung fokussieren.

Eine Initiative, die der massiven Belastung der Gesellschaft durch Herz- und Kreislauf-Erkrankungen gerecht wird, eröffnet die große Chance, eine deutlich wirkungsvollere Behandlung der Patientinnen und Patienten zu erreichen und die Versorgung in der Breite durch bessere Prävention, frühere Diagnose, optimierte Therapie und individualisierte Nachsorge nachhaltig zu verbessern.

Koalitionsvertrag gibt Impulse.

Der Koalitionsvertrag der neuen Regierung bietet hervorragende Möglichkeiten für eine verbesserte Versorgung von Herz-Kreislauf-Patienten. Hervorzuheben sind die im Vertrag erwähnte Stärkung des ambulanten Sektors und der sektorenübergreifenden Versorgung, die Überführung der telemedizinischen Leistungen in die regelhafte Versorgung sowie eine forcierte Unterstützung von Grundlagen- und translationaler Forschung.

Weitere wichtige Impulse sieht die Deutsche Herzstiftung – verbunden mit der konsequenten Nutzung der Digitalisierungspotenziale in der Medizin – insbesondere in dem von der Koalition angestrebten nationalen Präventionsplan. Darin ist beispielsweise die Entwicklung einer „Ernährungsstrategie“ bis 2023 enthalten, „um eine gesunde Umgebung für Ernährung und Bewegung zu schaffen“. Ebenfalls positiv sieht die Herzstiftung das Maßnahmenpaket beispielsweise zur Wiederbelebung bei Herzstillstand.

Thomas Voigtländer ist Kardiologe und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung e. V.
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