Neues aus der Uni

„In vielen relevanten Gremien fehlt pflegewissenschaftliche Expertise“

In der Rubrik „Neues aus der Uni“ stellt G+G-Digital Institute und Lehrstühle vor. Dieses Mal mit drei Fragen an Prof. Dr. Sascha Köpke, Leiter des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität zu Köln.

Herr Professor Köpke, was ist derzeit Ihre wichtigste wissenschaftliche Fragestellung?

Sascha Köpke: Die Forschungsprojekte am Institut für Pflegewissenschaft befassen sich grundsätzlich mit der Förderung eines evidenzbasierten Handelns in der Pflegepraxis. Es sollen Wissensgrundlagen für das Handeln im Pflegealltag in allen pflegerischen Settings entwickelt und überprüft werden. Hierzu entwickeln, implementieren und evaluieren wir komplexe Pflege- beziehungsweise multiprofessionelle Interventionen. Aktuell befassen wir uns unter anderem mit der Häufigkeit und Prävention von Gewalt und deren Folgen in verschiedenen Pflegesettings im Rahmen von partizipativen, settingspezifischen Ansätzen. Weitere Projekte erforschen den Einsatz von Pflegefachpersonen mit erweiterten Aufgaben in der Versorgung von chronisch erkrankten Menschen in der Primärversorgung oder von Menschen mit kognitiven Einschränkungen im Krankenhaus. Ein weiteres aktuelles Thema ist die Förderung von Schlaf in der stationären Altenpflege sowie im Krankenhaus. In einem Projekt in der ambulanten Pflege soll ein multifaktorielles Programm die interprofessionelle Zusammenarbeit verbessern und somit unnötige Krankenhausaufenthalte reduzieren. Den erfolgreichen Austausch von Wissenschaft und Praxis erforschen wir in einem kürzlich gestarteten Projekt zur Einführung sogenannter „Livings Labs“, in denen Forschende und Praktiker:innen zusammenarbeiten.

Porträt von Sascha Köpke, Leiter des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität zu Köln

Zur Person

Prof. Dr. Sascha Köpke arbeitete als Intensivpfleger in Hamburg und Glasgow, bevor er an der Universität Hamburg Gesundheitswissenschaften studierte und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war. 2011 wurde er auf eine Professur an der Universität zu Lübeck berufen, 2020 wechselte er an die Universität zu Köln. Köpke ist Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DGP).

Wie fördern Sie die Kooperation wissenschaftlicher Disziplinen und die Netzwerkbildung?

Köpke: Dies gelingt am besten im Rahmen von gemeinsamen Forschungsprojekten. Als universitäres Institut der medizinischen Fakultät arbeiten wir in Forschungsprojekten und in der Lehre mit wissenschaftlichen Partnern aus einer Vielzahl von Bereichen zusammen. Außer mit medizinischen Instituten kooperieren wir unter anderem sowohl mit Kolleg:innen der Psychologie, Versorgungsforschung, Epidemiologie, Gesundheitsökonomie und Sportwissenschaft an der Uni Köln als auch mit externen Kooperationspartnern. Auch international sind wir über die European Academy of Nursing Science (EANS) mit Pflegewissenschaftler:innen aus Europa sehr gut vernetzt. Darüber hinaus sind Kooperationen mit Praxispartnern und auch Kostenträgern Grundvoraussetzung erfolgreicher Praxisprojekte.

Ist die Politik gut beraten, wenn sie auf die Wissenschaft hört?

Köpke: Ja, natürlich. Allerdings zeigt sich gerade im Zusammenhang mit der Covid19-Pandemie, dass trotz der überragenden Bedeutung einer evidenzbasierten Pflegepraxis pflegewissenschaftliche Expertise in relevanten Gremien auf Länder- und Bundesebene, wie zum Beispiel dem „Nationalen Pandemierat“, nicht abgebildet ist. Hier gibt es erheblichen Nachholbedarf!

Silke Heller-Jung führte das Interview. Sie hat in Frechen bei Köln ein Redaktionsbüro für Gesundheitsthemen.
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