Mit einer verbesserten Mobilität steigt die Lebensqualität.
Modellprojekt

Physiotherapie hilft bei Parkinson

Morbus Parkinson ist nicht heilbar. Die Symptome lassen sich jedoch mildern – nicht nur mit Medikamenten, sondern auch mit gezielter Physiotherapie. Worauf es dabei ankommt, zeigt ein Modellprojekt in Bayern. Von Taina Ebert-Rall

Verlangsamte Bewegungen,

Gleichgewichtsstörungen und ein erhöhtes Sturzrisiko können die Lebensqualität von an Parkinson erkrankten Menschen einschränken. In einer Studie erforschen Ärzte und Therapeuten, wie sich Alltagsfähigkeiten der Patienten mittels gezielter Physiotherapie verbessern lassen und der Verlauf der neurologischen Erkrankung positiv beeinflusst werden kann. Die Studie im Rahmen des Modellvorhabens „Münchner Parkinson Netzwerk Therapie“ (PaNTher) verfolgt einen sektorenübergreifenden Ansatz. Beteiligt sind die Parkinson-Fachklinik an der Schön Klinik München Schwabing, niedergelassene Ärzte für Neurologie oder Nervenheilkunde sowie Physiotherapeuten im Großraum München.

Zahl der Klinikaufenthalte verringern.

Für das Projekt wurden rund 30 ambulant tätige Physiotherapeuten speziell weitergebildet. Die Schulung umfasst praxisbezogene Fallbesprechungen, Supervision und eine Hotline für fachliche Fragen. Für Patienten gibt es drei Therapieprogramme, die auf das frühe, mitt­lere und späte Krankheitsstadium zugeschnitten sind. Dadurch sollen Krankenhausaufenthalte verringert und die ambulante Versorgung von Parkinson-Patienten nach stationären Aufenthalten verbessert werden. „Mit einer speziell auf Parkinson ausgerichteten Physiotherapie sollen nicht nur Stürze und damit auch Krankenhausaufenthalte verringert werden – durch eine verbesserte Mobilität steigt die gesamte Lebensqualität“, beschreibt die Vorstandsvorsitzende der AOK Bayern, Dr. Irmgard Stippler, das Ziel des Projekts, an dem Versicherte der AOK Bayern aus dem Großraum München teilnehmen können. Das Modellvorhaben läuft bis September 2024 und wird von der Ludwig-Maximilians-Universität München evaluiert.

Es gebe Hinweise darauf, dass sich Parkinson-Patienten eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsprofessionen und ausreichend Zeit für das Besprechen künftiger Szenarien wünschen. Auch eine zentrale Anlaufstelle im Sinne medizinisch ausgebildeter Case-Manager könnte nach ihren Erfahrungen die Lage der Patienten verbessern, erläutert Physiotherapeutin Kerstin Ziegler. Sie gehört der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe zu aktivierenden Therapien bei idiopathischem Parkinsonsyndrom und Bewegungsstörungen unter der Leitung von Professor Andrés Ceballos-Baumann an.

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„Wir haben festgestellt, dass die Patienten nach dem Verlassen der Klinik keine Adresse für eine aktivierende Therapie haben. Dabei könnten damit richtig gute Ergebnisse erzielt werden, oft besser als mit Medikamenten“, betont Ceballos-Baumann, Chefarzt der Abteilung für Neurologie und klinische Neurophysiologie mit Parkinson-Fachklinik Schön Klinik München Schwabing. „Wir sollten uns wirklich von der Vorstellung verabschieden, dass die Parkinson-Therapie nur aus Pillen besteht. Es geht doch da­rum, umfassend zu behandeln. Physio-, Ergo- und Stimmtherapie gehören ebenso dazu wie Medikamente und komplexe Pumpentherapien. Auch urologische und internistische Aspekte müssen berücksichtigt werden.“

Vorbild in den Niederlanden.

Die im Rahmen des Modellvorhabens angebotene Physiotherapie orientiert sich an der „Europäischen Leitlinie zur Physiotherapie bei idiopathischem Parkinsonsyndrom (IPS)“. Vorreiter der netzwerkbasierten Versorgung an Parkinson erkrankter Menschen ist das niederländische Parkinsonnet. Noch fehlen in Deutschland in der Behandlung von IPS spezialisierte und im Rahmen der Regelversorgung in Netzwerken organisierte Therapeuten, wie es sie in den Niederlanden gibt. „Insofern hinkt die Versorgung hierzulande hinterher, das Versorgungsangebot trägt oft nicht den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung“, stellt Ceballos-Baumann fest.
 
Am Münchener Netzwerk teilnehmende Physiotherapeuten behandeln die Patienten entweder ambulant in ihrer Praxis oder per Hausbesuch bei eingeschriebenen Parkinsonerkrankten des Modellvorhabens.

Taina Ebert-Rall ist Redakteurin beim KomPart-Verlag.
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