Mindestmengen

Qualität durch Routine

Operationen an der Speiseröhre gelingen besser, wenn ein Krankenhaus Erfahrung damit hat. Auch für andere Eingriffe weisen Studien nach, dass die Fallzahlen die Behandlungsergebnisse beeinflussen. Inwiefern die Mindestmengenregelung sich als Steuerungsinstrument eignet und die Patientensicherheit erhöht, erläutern Dr. Ulrike Nimptsch und Prof. Dr. Reinhard Busse.

Für viele Eingriffe und Behandlungen in Krankenhäusern zeigen Studien, dass eine höhere Leistungsmenge mit besseren Behandlungsergebnissen einhergeht. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber in Deutschland bereits im Jahr 2004 für bestimmte Eingriffe Mindestmengen festgelegt. Die derzeit geltende Mindestmengenregelung umfasst Leber- und Nierentransplantationen, komplexe Operationen an Speiseröhre und Bauchspeicheldrüse, Stammzelltransplantationen, Implantationen von Kniegelenk-Totalendoprothesen sowie die Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 Gramm. Doch nicht alle Krankenhäuser haben sich an die Regelung gehalten. Deshalb sind mit dem Krankenhausstrukturgesetz im Jahr 2016 und dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung im Jahr 2021 neue Verfahrensregeln auf den Weg gebracht worden. Zudem werden in den kommenden Jahren bestehende Mindestmengen erhöht und weitere Behandlungsleistungen einbezogen.

Dieser Beitrag skizziert die aktuelle Studienlage zum Zusammenhang von Leistungsmenge und Behandlungsergebnis, diskutiert grundsätzliche Überlegungen zu Mindestmengen und zur Festlegung von Mindestfallzahlen und beschreibt den aktuellen Stand und die Weiterentwicklung der Mindestmengenregelung in Deutschland.

Aussagen überwiegend für Operationen.

Die Forschung beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Mengen-Ergebnis-Beziehungen in der stationären Versorgung. Zahlreiche Einzelstudien haben einen Zusammenhang von höheren Leistungsmengen mit besseren Behandlungsergebnissen berichtet. Systematische Übersichtsarbeiten und Metaanalysen fassen die Ergebnisse zusammen, wobei sich die Aussagen überwiegend auf chirurgische Eingriffe beziehen. Inwieweit sich Erkenntnisse aus internationalen Studien auf andere Bevölkerungen beziehungsweise andere Gesundheitssysteme übertragen lassen, ist jedoch fraglich. Dies liegt unter anderem daran, dass die Einteilung von Krankenhäusern nach der Leistungsmenge von den Strukturen des untersuchten Gesundheitssystems abhängt.
 
Auch in Deutschland befasst sich die Wissenschaft zunehmend mit Mengen-Ergebnis-Beziehungen. Dass höhere Leistungsmengen mit besseren Behandlungsergebnissen einhergehen, haben Forscherinnen und Forscher beispielsweise für die Versorgung Neugeborener mit geringem Geburtsgewicht, für Operationen an der Bauchspeicheldrüse und der Speiseröhre, Operationen bei Aussackung der Hauptschlagader, radikale Prostataentfernungen, den Einsatz künstlicher Kniegelenke, kathetergestützte Aortenklappen-Implantationen oder die Entfernung von Lungengewebe bei Lungenkrebs berichtet.

Weitere Faktoren wirken auf die Qualität.

Die Ergebnisse beruhen allerdings auf Beobachtungsstudien, mit denen sich kein ursächlicher Zusammenhang von Mengen und Ergebnissen belegen lässt. Es ist vielmehr wahrscheinlich, dass die Fallzahl eines Krankenhauses mit anderen Faktoren zusammenhängt, die selbst die Behandlungsqualität beeinflussen. Internationale Studien untersuchten verschiedene Einflussfaktoren, die je nach Art der Behandlungsleistung unterschiedlich bedeutsam sein können.

So kann beispielsweise die Erfahrung der Chirurgin oder des Chirurgen bei bestimmten Operationen einen großen Anteil des Effektes der Krankenhausfallzahl auf das Ergebnis erklären. Auch die Ausstattung mit Pflegekräften oder Strukturmerkmale des behandelnden Krankenhauses spielen bei Mengen-Ergebnis-Effekten eine Rolle. Insbesondere bei komplexen Operationen scheint jedoch auch das Komplikationsmanagement eine große Bedeutung zu haben: US-amerikanische Studien zeigten, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit von Patienten, die eine Komplikation erleiden, mit steigender Fallzahl des behandelnden Krankenhauses zunimmt. Diesen Zusammenhang haben auch Studien aus Deutschland für komplexe Eingriffe wie beispielsweise Operationen an der Bauchspeicheldrüse, Operationen an der Speiseröhre oder Entfernung von Lungengewebe bei Lungenkrebs belegt.

Mindestmengen als Steuerungsinstrument.

Behandlungen, bei denen das Ergebnis aller Wahrscheinlichkeit nach von der Menge abhängt, sollten möglichst nur in Krankenhäusern mit hoher Leistungsmenge stattfinden. So lässt sich eine hohe Versorgungsqualität gewährleisten. Viele Länder setzen deshalb Mindestmengen als Steuerungsinstrument ein. Mindestmengenregelungen können unterschiedlich ausgestaltet sein. In Deutschland beispielsweise erhalten Krankenhäuser nur dann eine Vergütung für die entsprechenden Leistungen, wenn sie die gesetzliche Mindestmenge dafür erreichen. In den Niederlanden ist die Erreichung der Mindestmenge eine Voraussetzung, um für die betreffende Behandlung Verträge mit Krankenversicherungen schließen zu können. In der Schweiz ist die Mindestmenge ein Kriterium zur Vergabe von Leistungsaufträgen im Rahmen der Krankenhausplanung. Auf Deutschland übertragen, würde dies bedeuten, die entsprechende Leistungsgruppe (etwa Bauchspeicheldrüsen- und Lebereingriffe) bei der Aufnahme eines Krankenhauses in den Landeskrankenhausplan zu nennen.

Ob die angestrebten Effekte von Mindestmengen eintreten, ist fortlaufend zu überprüfen.

Eine Mindestmengenregelung soll das Verhalten der Leistungserbringer verändern, um die Versorgung zu verbessern. Sie kann aber auch unerwünschte Wirkungen entfalten. So könnte sie beispielsweise ärztliche Entscheidungen beeinträchtigen. Die Entscheidung für oder gegen eine Behandlung darf jedoch nicht von dem Ziel beeinflusst werden, die Mindestmenge zu erfüllen. Die Gefahr einer solchen unerwünschten Anreizwirkung erscheint insbesondere dann gegeben, wenn viele Krankenhäuser um eine geringe Anzahl von Behandlungsfällen konkurrieren und die zu erreichende Mindestfallzahl gering angesetzt ist.

Ausgestaltung beeinflusst Umsetzung.

Mindestmengen sind ein Steuerungsinstrument für planbare Behandlungsleistungen. Sie kommen überwiegend in Gesundheitssystemen mit geringer Zentralisierung zur Anwendung. Aber auch in Systemen mit stark zentralisierter Krankenhausversorgung, wie beispielsweise in Dänemark nach der Krankenhausstrukturreform, sind Patienten- beziehungsweise Eingriffsmengen ein Kriterium bei der Festlegung, wie viele Krankenhäuser welche Leistungen erbringen sollten. Zusammen mit weiteren Kriterien fließen Mindestmengen in Dänemark in sogenannte Spezialisierungspläne für die Krankenhäuser ein. Die oben erwähnte Gefahr, dass Ärzte Operationen empfehlen, um die Mindestmenge zu erreichen, entfällt dadurch, denn es steht von vornherein fest, welche Klinik den Eingriff anbieten kann und darf.

Die Art der Ausgestaltung einer Mindestmengenregelung beeinflusst, wie stringent sie sich umsetzen lässt. So ist es möglich, dass trotz einer Mindestmengenregelung einige Krankenhäuser die entsprechende Leistung auch bei Unterschreitung des Wertes anbieten. Bei bestimmten Behandlungen kann von einer besseren Versorgungsqualität beziehungsweise einer höheren Patientensicherheit ausgegangen werden, wenn das Krankenhaus die Mindestfallzahl nicht nur erreicht, sondern deutlich überschreitet. Daher sollten Patientinnen und Patienten, die sich einer planbaren Behandlung unterziehen müssen, in ihrer Entscheidung für einen Behandlungsort unterstützt werden. Dies kann beispielsweise durch transparente und niedrigschwellige Informationen über die Erfahrung von Krankenhäusern mit bestimmten Leistungen erfolgen (Beispiel: Mindestmengen-Transparenzkarte, siehe Lese- und Webtipps). Daneben sollten Ärztinnen und Ärzte jedoch insbesondere Menschen aktiv beraten, die sich nicht oder nur eingeschränkt selbst informieren können. Gezielte Einweisungsentscheidungen schützen Patienten vor einer Behandlung in einem Krankenhaus mit geringen Fallzahlen.

Schwellenwerte berechnen.

Auf der Grundlage von Daten aus der Versorgung lassen sich prinzipiell auch Schwellenwerte für Mindestmengen ableiten, ab deren Erreichung von einer höheren Behandlungsqualität auszugehen ist. Hierfür können unterschiedliche Berechnungsverfahren herangezogen werden. Studien aus Deutschland haben beispielsweise Mindestfallzahlen für die Versorgung von untergewichtigen Neugeborenen, Eingriffe an der Speiseröhre und weitere operative und konservative Behandlungsleistungen berechnet. Solche Berechnungen beruhen jedoch auf Daten aus der Vergangenheit. Sie können daher als grobe Anhaltspunkte dienen, die eine Orientierungshilfe zur Festlegung von Mindestfallzahlen geben, ab denen eine Verbesserung der Versorgungsqualität wahrscheinlich ist. Sie erlauben jedoch keine Vorhersage, ob und wie sich durch die Anwendung der berechneten Mindestfallzahlen die Versorgungsqualität tatsächlich verbessert. Ob die angestrebten Effekte, wie beispielsweise eine bestimmte Anzahl vermiedener Todesfälle, wirklich eintreten, ist daher im Rahmen begleitender Untersuchungen fortlaufend zu überprüfen.

Mindestfallzahlen festlegen.

Bei der Festlegung von Mindestfallzahlen sind neben einem rechnerischen Schwellenwert weitere Faktoren, wie die regionale Verteilung und die Erreichbarkeit von Krankenhäusern, zu beachten. Die Höhe einer Mindestmenge hängt auch davon ab, welches Ziel diese Regelung hat. Wenn sie lediglich eine Gelegenheitsversorgung ausschließen soll, sind geringere Mindestfallzahlen erforderlich. Wenn es darüber hinaus um die Verbesserung der Versorgungsqualität geht, sind höhere Schwellenwerte anzusetzen.

Grafik: Mindestmengen – Wie Krankenhäuser die Vorgaben umgesetzt haben: Zu sehen ist ein Balkendiagramm mit der Zahl der Krankenhäuser und der Zahl der Behandlungsfälle.

Aktuelle Zahlen machen deutlich: Viele Krankenhäuser haben im Jahr 2019 komplizierte Operationen vorgenommen, obwohl sie die dafür erforderlichen Mindestmengen nicht erfüllten. Dieses Missverhältnis ist besonders auffällig bei komplizierten Eingriffen an der Speiseröhre: Hier unterschritten 170 von 340 Krankenhäusern (50 Prozent) die erforderlichen Mindestmengen von zehn Eingriffen im Jahr. Von den insgesamt 4.573 Behandlungsfällen entfielen 604 auf Kliniken, die unterhalb der Mindestmengen-Vorgaben lagen. Besser sieht es bei der Implantation von Kniegelenks-Totalendoprothesen aus: Unter den insgesamt 907 Krankenhäusern, in denen diese Operationen stattfanden, waren nur 78 mit Fallzahlen unterhalb der gültigen Mindestmenge von 50. Auf sie entfielen von den insgesamt 149.107 Behandlungsfällen 1.895 (rund ein Prozent).

Quelle: Forschungsdatenzentren der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder. DRG-Statistik 2019; eigene Berechnungen

Letztlich ist die Festlegung der Höhe einer Mindestmenge immer eine normative Entscheidung. Sie sollte die verfügbare wissenschaftliche Evidenz, den Zugang zur Versorgung und mögliche unerwünschte Anreizwirkungen berücksichtigen.
 
Je nach Höhe einer Mindestmenge können wirtschaftliche Interessen der Krankenhäuser unterschiedlich stark berührt sein. Vorrang sollte jedoch immer der Anspruch der Patienten auf eine sichere und qualitativ hochwertige Versorgung haben.

Gemeinsamer Bundesausschuss gibt Fallzahlen vor.

Bei der Umsetzung der Mindestmengenregelung in Deutschland spielt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) eine maßgebliche Rolle. Gemäß Paragraf 136b Absatz 1 Sozialgesetzbuch V hat der GBA den Auftrag, Mindestmengen für planbare Leistungen festzulegen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses von der Menge der erbrachten Leistungen abhängt. Wie oben erwähnt, gelten seit 2004 Mindestmengen für komplexe Eingriffe an Speiseröhre und Bauchspeicheldrüse sowie Nieren-, Leber- und Stammzellentransplantationen. Auch koronarchirurgische Eingriffe stehen seit 2004 im Mindestmengenkatalog – jedoch hat der GBA für diese Leistungen bisher keine konkrete Fallzahl vorgegeben. Für den Einsatz künstlicher Kniegelenke hat der GBA im Jahr 2006 eine Mindestmenge festgelegt. Sie war jedoch aufgrund gerichtlicher Auseinandersetzungen von 2011 bis 2014 ausgesetzt. Die Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 Gramm unterliegt seit 2010 der Mindestmengenregelung. Krankenhäuser, die die erforderliche Mindestmenge nicht erreichen, dürfen die entsprechende Leistung nicht erbringen beziehungsweise erhalten keine Vergütung, wenn sie dies weiterhin tun.

Kaum ein Effekt auf die Versorgungsstruktur.

Versorgungsstudien konnten zeigen, dass die Mindestmengenregelung in den ersten Jahren nach ihrer Einführung nahezu keinen Effekt auf die Versorgungsstrukturen in Deutschland hatte. Die Anzahl behandelter Fälle in Krankenhäusern mit einer Fallzahl unterhalb der Mindestmengenvorgabe war bis zum Jahr 2010/2011 kaum zurückgegangen. Das liegt zum Teil daran, dass es keine genauen Vorgaben zur Durchsetzung der Mindestmengenregelung gab. Hinzu kommen Akzeptanzprobleme der Leistungserbringer: Krankenhäuser haben mehrfach vor dem Bundessozialgericht gegen die Mindestmengenregelung geklagt.
 
Um die Umsetzung der Mindestmengenregelung zu verbessern, wurden mit dem Krankenhausstrukturgesetz neue Verfahrensregeln eingeführt: So müssen Krankenhäuser seit dem Jahr 2018 gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen eine Prognose dazu abgeben, ob sie die Mindestmenge voraussichtlich erreichen. Damit lässt sich vorab klären, ob das jeweilige Krankenhaus die entsprechende Leistung weiterhin erbringen darf. Zudem hat der Gesetzgeber beispielsweise klargestellt, dass die Mindestmenge jeweils pro Krankenhausstandort gilt und nicht pro Krankenhaus. Der GBA ist zudem verpflichtet, die Auswahl planbarer Leistungen, die Festlegung der Mindestmengenhöhe und weitere Aspekte näher zu regeln, um die Rechtssicherheit zu erhöhen.

Weitere Mindestmengen sind in der Beratung.

Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung, das im Jahr 2021 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber die Mindestmengenregelung erneut angepasst. So konnten bislang die für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung Ausnahmeregelungen anwenden. Künftig sind solche Ausnahmen im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen zu beschließen. Daneben sieht das Gesetz für den GBA neue Gestaltungsmöglichkeiten vor. So kann er Mindestmengen zukünftig miteinander kombinieren. Das heißt, ein Krankenhaus kann eine Leistung nur dann erbringen, wenn es gleichzeitig bei bestimmten anderen Leistungen ebenfalls die Mindestmenge erreicht. Außerdem kann der GBA Mindestmengen auch mit Mindestanforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität verknüpfen.

Mindestmengen können wirtschaftliche Interessen der Krankenhäuser berühren. Vorrang sollte jedoch der Anspruch der Patienten auf eine sichere und qualitativ hochwertige Versorgung haben.

Die letzten Beschlüsse des GBA bezüglich der Mindestmengenregelung betrafen die wissenschaftliche Überprüfung der bislang einbezogenen Leistungen, die daraus resultierende Erhöhung der Mindestmengen für bestimmte Leistungen, die Erweiterung des Mindestmengenkataloges um Operationen bei Brustkrebs und Lungenkrebs, sowie die Beratung über weitere potenzielle Mindestmengen für kathetergestützte Aortenklappen-Implantationen sowie Herztransplantationen.

Umsetzung mit Lücken.

Bei der Umsetzung der Mindestmengenregelung zeigt sich: Nicht alle Krankenhäuser, die entsprechende Leistungen erbringen, erreichen den erforderlichen Schwellenwert. So lag der Anteil der Häuser, die im Jahr 2019 unter der jeweiligen Mindestmenge blieben, zwischen neun Prozent bei Kniegelenk-Totalendoprothesenimplantation und 50 Prozent bei komplexen Eingriffen an der Speiseröhre (siehe Grafik „Mindestmengen – Wie Krankenhäuser die Vorgaben umgesetzt haben“). Während nur rund ein Prozent aller Kniegelenkersatz-Operationen 2019 in Krankenhäusern stattfand, die unterhalb der Mindestmenge blieben, waren es bei komplexen Eingriffen an der Speiseröhre immerhin 13 Prozent aller Behandlungsfälle. Inwieweit nicht erreichte Mindestmengen auf Ausnahmetatbestände zurückzuführen sind, lässt sich aufgrund dieser Daten allerdings nicht beurteilen.

In den Jahren 2020 und 2021 mussten Krankenhäuser Kapazitäten zur Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Covid-19 freihalten und dafür planbare Operationen, Aufnahmen und Eingriffe verschieben. Es ist davon auszugehen, dass einige Krankenhäuser dadurch die jeweiligen Mindestmengen nicht erreichen konnten. Der GBA hat diesen Umstand berücksichtigt, indem Krankenhäuser die Covid-19-Pandemie zur Begründung der Prognose über die voraussichtliche Erreichung einer Mindestmenge heranziehen können.

Annäherung an Regeln in Nachbarländern.

Ein Blick in die Schweiz, Österreich und die Niederlande zeigt, dass sich die Mindestmengenregelung im Zuge ihrer Weiterentwicklung in Deutschland bei bestimmten Behandlungen den Vorgaben der Nachbarländer angleichen wird. Ab 2025 soll für Brustkrebsoperationen in Deutschland eine Mindestmenge von 100 gelten. In der Schweiz liegt sie aktuell je nach Kanton bei zehn bis 100, in Österreich und den Niederlanden bei 50. Für Eingriffe an der Speiseröhre liegt die Mindestmenge in Deutschland derzeit bei zehn. Sie soll ab 2025 auf 20 steigen und entspricht dann dem Wert, der bereits heute in den Niederlanden (bei Speisenröhrenkrebs) gilt. Allerdings sind die Mindestmengen nicht immer direkt miteinander vergleichbar, da sich die einbezogenen Behandlungsleistungen zwischen den Ländern unterscheiden.

Für koronarchirurgische Leistungen ist in Deutschland die Mindestmenge bisher nicht festgelegt. In der Schweiz gilt für die Eingriffe ein Grenzwert von 100, in Österreich für die Herzchirurgie insgesamt eine Mindestmenge von 500. Auch für die bariatrische Chirurgie (Operationen an Verdauungsorganen mit dem Ziel der Gewichtsreduktion), Operationen an der Halsschlagader oder Operationen bei gynäkologischen Tumoren gelten etwa in der Schweiz und in Österreich anders als in Deutschland bereits heute Mindestmengen.

Erhöhtes Risiko bei geringen Fallzahlen.

Die internationale Studienlage zeigt Mengen-Ergebnis-Beziehungen für viele stationären Behandlungen. Ob es sich dabei um einen kausalen Zusammenhang handelt oder andere, mit der Krankenhausfallzahl korrelierte Faktoren ursächlich sind, lässt sich nicht sicher bewerten. Dennoch besteht aus Sicht der Patientinnen und Patienten bei vielen Behandlungsleistungen ein erhöhtes Risiko, wenn sie sich zur Behandlung in ein Krankenhaus mit geringen Fallzahlen begeben.

  • Gemeinsamer Bundesausschuss: Mindestmengenregelungen
  • AOK-Bundesverband: Mindestmengen-Transparenzkarte
  • Ulrike Nimptsch, Thomas Mansky: Volume-Outcome-Zusammenhänge in Deutschland. In: Franz Dormann, Jürgen Klauber, Ralf Kuhlen (Hrsg.): Qualitätsmonitor 2018. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin. Download
  • Justus Vogel, Katherine Polin, Christoph Pross, Alexander Geissler: Implikationen von Mindestmengen und Zertifizierungsvorgaben: Auswirkungen verschiedener Vorgaben auf den deutschen Krankenhaussektor. In: Franz Dorman, Jürgen Klauber, Ralf Kuhlen (Hrsg.): Qualitätsmonitor 2019. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin. Download
  • Justus Vogel, Philipp Letzgus, Alexander Geissler: Paradigmenwechsel in der Krankenhausplanung – hin zu Leistungs-, Bedarfs- und Qualitätsorientierung für einen höheren Patientennutzen. In: Jürgen Klauber, Max Geraedts, Jörg Friedrich, Jürgen Wasem, Andreas Beivers (Hrsg.): Krankenhaus-Report 2020. Finanzierung und Vergütung am Scheideweg. Springer-Verlag, Berlin. Download

Neben den regulatorischen Vorgaben für die Leistungserbringer sollten Patientinnen und Patienten in ihrer Entscheidung für einen Behandlungsort unterstützt werden. Dies erscheint insofern relevant, als dass die Umsetzung der Mindestmengenregelung in Deutschland auch im Jahr 2019 noch unvollständig war.

Mehr als 600 beziehungsweise 700 Patientinnen und Patienten mit Operationen an der Speiseröhre beziehungsweise Bauchspeicheldrüse sind im Jahr 2019 in Krankenhäusern mit einer Fallzahl unter der ohnehin geringen Mindestmenge (jeweils zehn) behandelt worden. Sie hätten bei einer Aufklärung über die damit verbundenen Risiken möglicherweise ein erfahreneres Krankenhaus ausgewählt.

Krankenhausplanung umstellen.

Die nun erneut konkretisierten Verfahrensvorschriften lassen erwarten, dass sich die Mindestmengenregelung in Deutschland zunehmend durchsetzt. Dies wird sich jedoch erst in den kommenden Jahren überprüfen lassen, wenn sich das durch die Corona-Pandemie veränderte Leistungsgeschehen in den Krankenhäusern wieder normalisiert hat. Die Ausweitung der Mindestmengenregelung auf weitere Behandlungsleistungen, bei denen Mengen-Ergebnis-Zusammenhänge bestehen, könnte die Versorgungsqualität weiter verbessern. Einfacher und wirksamer wäre aber das konsequente Umstellen der gesamten Krankenhausplanung auf ein System mit definierten Leistungsgruppen. Dabei sollten für deren Erbringung neben der Menge weitere Kriterien wie der bevölkerungsbezogene Bedarf oder die personelle und technische Ausstattung zugrunde gelegt werden.

Literatur bei den Verfassern

Reinhard Busse, MPH, FFPH, ist Professor für Management im Gesundheitswesen an der Fakultät Wirtschaft und Management der TU Berlin und Co-Director des European Observatory on Health Systems and Policies sowie Fakultätsmitglied der Charité – Universitätsmedizin Berlin.
Ulrike Nimptsch ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Management im Gesundheitswesen an der TU Berlin.
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