Interview

„Wir gehen gestärkt aus der Arbeit“

An der Uniklinik Rostock kümmern sich Studierende ehrenamtlich um Patienten der Kinderstation. Damit helfen sie auch deren Eltern und Geschwistern, sagt Jana David vom Verein „Tommy nicht allein“.

Frau David – wo liegt der Ursprung Ihrer Initiative „Tommy nicht allein“?

Jana David: Auf der Kinderstation im Uniklinikum Rostock lag vor gut sechs Jahren der kleine Tommy. Er war zwei Jahre alt, ganz allein und weinte viel. Die Medizinstudierenden im Blockpraktikum haben sich um ihn gekümmert, ihn getröstet und damit die Schwestern entlastet. So entstand die Idee, eine solche Art der Nanny-Betreuung anderen Babys und Kindern zu ermöglichen. Nach einem halben Jahr stand das Projekt, das wir dann weiter ausgebaut haben.

Porträt von Jana David, Leiterin des Organisationsteams von „Tommy nicht allein“

Zur Person

Jana David, Medizinstudentin im 11. Semester an der Universität Rostock, leitet das Organisationsteam von „Tommy nicht allein“. Das Team steht rund um die Uhr mit der Kinder- und Jugendklinik der Universitätsmedizin Rostock in Kontakt und koordiniert die Einsätze von rund 110 ehrenamtlichen Nannys.

Wie sehen die Angebote genau aus und an wen richten sie sich?

David: Das ist altersabhängig und hängt auch vom Zustand des Kindes ab. Bei den ganz Kleinen – das sind teilweise Frühchen mit einem Geburtsgewicht von 800 Gramm – geht es vor allem um Kuscheln und Nähe. Wir sitzen bis zu vier Stunden bei ihnen. Mit den Drei- bis Sechsjährigen spielen und basteln die Nannys viel. Wir versuchen, auch die Wünsche der Kinder zu erfüllen. Diese können sehr ausgefallen, aber auch ganz banal sein, wie zum Beispiel Pizza backen. Bei den Älteren sitzen wir viel am Bett und hören zu oder schauen zusammen einen Film. Manchmal halten wir auch einfach nur den Spuckeimer, weil es einem Kind nach einer Chemotherapie so schlecht geht.

Wer kann bei Ihnen mitarbeiten?

David: Alle eingeschriebenen Studierenden der Uni Rostock können mitmachen. Die meisten sind Medizinstudierende, aber es sind auch Studierende aus anderen Fächern dabei. Einige von uns kümmern sich um die Organisation, die sehr aufwändig ist. Wir teilen Dienste auf Schichtpläne auf und achten auf eine kontinuierliche Betreuung mit wenig Wechseln der Bezugspersonen. In der Neonatologie und auf der Kinderonkologie ist das besonders wichtig.

Wir Nannys ermöglichen den Eltern, Strukturen zu Hause aufrecht erhalten zu können.

Wie hat sich die Corona-Krise auf Ihre Arbeit ausgewirkt?

David: Gerade in den Lockdowns war es sehr schwierig für uns, auf die Station zu kommen. Zeitweise durfte nur ein Elternteil und kein Geschwisterkind zu den Kindern. Zum Glück konnten wir an Weihnachten in die Klinik. Es zerreißt einem das Herz, wenn ein zweijähriges Kind Heilig Abend allein im Krankenhaus verbringen soll. Hier sind wir getestet und mit Kitteln, Masken und Handschuhen zu den Kindern gegangen. Das war sehr herausfordernd.

Was sind die emotional schönsten Momente in der Zusammenarbeit mit den Kindern?

David: Wir pflegen mit vielen Kindern, die wir lange betreut haben, nach wie vor Kontakt. Eltern haben uns gesagt, dass wir es ihnen ermöglicht haben, zuhause ihre Strukturen weiterhin aufrecht erhalten und eine Familie sein zu können. Durch uns finden sie Zeit, um sich um ihre anderen Kinder zu kümmern, mit ihnen zu essen und sie ins Bett zu bringen. Manchmal trösten sogar die Kinder ihre Eltern damit, dass wir ja da sind, wenn sie einmal nicht kommen können. Viele Familien haben weite Wege ins Krankenhaus zurückzulegen, da unsere Region sehr ländlich geprägt ist. Wenn Eltern ihre Dankbarkeit ausdrücken, dann wissen wir, dass wir das Richtige tun. Die ehrenamtliche Arbeit gibt uns Energie und wir gehen gestärkt aus ihr hervor.

Tina Stähler führte das Interview. Sie ist Redakteurin der G+G.
Bildnachweis: Martin Börner