Interview

„Bewusstsein für Klimawandel wächst“

Einen Vorgeschmack lieferten die Dürresommer der vergangenen Jahre: Die Hitzeextreme nehmen zu – und damit auch die Gesundheitsrisiken, sagt Toralf Staud. Der Buchautor hat sich mit den Klimafolgen für Deutschland beschäftigt und ist optimistisch, eine Wende zu schaffen.

Herr Staud, enthält der aktuelle Sachstandsbericht des Weltklimarates Überraschungen für Sie?

Toralf Staud: Die Folgen des Klimawandels sind lange bekannt. Auch, dass die Emissionen an Treibhausgasen rapide und schnellstens sinken müssen, sagt uns die Wissenschaft seit 20 oder 30 Jahren. Der Report des Weltklimarates schärft das Bild und liefert weitere Belege.

Porträt von Toralf Staud, freier Journalist und Buchautor

Zur Person

Toralf Staud ist freier Journalist und Buchautor. Gemeinsam mit Nick Reimer veröffentlichte er das Buch „Deutschland 2050. Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird“. Er schreibt und recherchiert seit 2005 über das Thema Klimawandel.

In Ihrem Buch Deutschland 2050 beschreiben Sie, wie sich der Klimawandel auf Deutschland auswirkt. Was haben wir für unsere Gesundheit zu erwarten?

Staud: Das wohl wichtigste Thema ist die Zunahme von Hitzewellen. Wenn wir hören, dass es wärmer wird, denken wir in Nordeuropa vielleicht: Das ist doch schön, wenn man im März im Freien seinen Kaffee schlürfen kann. Aber Klimawandel heißt auch: Hitzeextreme, auf die unsere Gesellschaft, die Infrastrukturen, die Gebäude, die Gesundheitseinrichtungen nicht vorbereitet sind. Unsere Häuser sind für das Klima Nordeuropas gebaut. Große Fenster nach Süden oder Dachgeschosswohnungen sind in den Sommern der Zukunft keine gute Idee. Aber auch andere Gesundheitsgefahren, wie beispielsweise Infektionskrankheiten werden zunehmen.

Welche Anforderungen stellt der Klimawandel an Einrichtungen des Gesundheitswesens?

Staud: Kliniken, Pflegeheime und Arztpraxen werden in 30 Jahren klimatisiert sein müssen. Aber auch alle anderen Infrastrukturen müssen der Hitze trotzen. Wir werden öffentlich zugängliche Kühlräume brauchen und mehr Grün in den Städten. Manche Städte bauen schon jetzt öffentliche Wasserbrunnen, an denen Menschen im Sommer trinken können. Hitzeaktionspläne müssen dafür sorgen, verletzliche Bevölkerungsgruppen zu schützen. Schon in den Sommern 2003 oder auch 2006, 2015 hat Deutschland tausende Hitzetote verzeichnet. Die Sommer der Zukunft werden bei uns quälerisch und für viele Menschen tödlich.

Die Sommer der Zukunft werden für viele Menschen tödlich sein.

Welche Chancen haben wir, an der Entwicklung etwas zu ändern?

Staud: Weil die Treibhausgase lange in der Atmosphäre bleiben, lässt sich an der Erhitzung bis 2050 kaum noch etwas ändern, daran müssen wir uns anpassen. Was aber genauso sicher ist: Wir müssen den Klimawandel auf diesem Niveau stabilisieren. Auch das zeigt der neue Sachstandsbericht des Weltklimarates, und das betonen die Forscher mit zuvor noch nicht gehörter Klarheit. Wir sind schon in Sichtweite der Grenzen der Anpassung. Die Treibhausgas-Emissionen müssen sinken, damit sich die Erhitzung bei ungefähr zwei Grad stabilisiert – anderthalb Grad sind kaum noch zu schaffen. Im Moment steuern wir auf ungefähr drei Grad Erhitzung zu. Das ist in vielen Regionen der Welt nicht zu bewältigen.

Sehen Sie Aussichten, dass die Emissionen so stark sinken wie nötig?

Staud: Ja, es gibt Fortschritte, sie sind nur zu langsam. Um den Klimawandel zu stabilisieren, müssen wir bis 2050 soweit kommen, dass wir keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäre pumpen. Ich bin heute optimistischer als vor zehn Jahren, das zu schaffen, weil das Bewusstsein für den Klimawandel wächst. Dabei helfen auch Erfahrungen wie die Dürre in weiten Teilen Deutschlands oder die Starkregenkatastrophe im Ahrtal. Hinzu kommen Fortschritte in der Technologie. Die Industrie braucht verlässliche Rahmenbedingungen für ihre langfristigen Investitionen. Wenn die Politik diesen Rahmen setzt, ist die Wende möglich.

Änne Töpfer führte das Interview. Sie ist verantwortliche Redakteurin der G+G.
Bildnachweis: Detlef Eden