Interview

„Die Stärkung ist dringend geboten“

Der im September 2020 vereinbarte Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst beinhaltet ein Förderprogramm von rund vier Milliarden Euro über sechs Jahre. Was bereits umgesetzt ist und was noch ansteht, erläutert Dr. Ute Teichert, Abteilungsleiterin im Bundesgesundheitsministerium.

Frau Dr. Teichert, als Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes hatten sie die Modernisierung und Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) eingefordert. Jetzt sitzen Sie selbst an einer Schaltstelle. Was wollen Sie in dieser Position bewegen?

Ute Teichert: Ich möchte weiterhin Stimme des ÖGD sein. Ich komme aus der Praxis und kenne die Herausforderungen vor Ort. Der ÖGD hat in den vergangenen Monaten Enormes geleistet und wesentlich zur Eindämmung der Pandemie beigetragen. Ich bin froh, dass Politik und Gesellschaft die Bedeutung der Gesundheitsämter erkannt haben. Die Regierungsparteien haben der Stärkung des ÖGD im Koalitionsvertrag eine große Bedeutung zugemessen. Ich freue mich über die Weiterentwicklung des Paktes für den ÖGD und über die geplante Schaffung eines Bundesinstituts für öffentliche Gesundheit. Die nachhaltige und langfristige Stärkung des ÖGD ist dringend geboten. Daran mitzuwirken ist mir eine Herzensangelegenheit.

Porträt von Ute Teichert, Abteilungsleiterin im Bundesgesundheitsministerium

Zur Person

Dr. Ute Teichert leitet die Abteilung Gesundheitsschutz, Gesundheitssicherheit und Nachhaltigkeit im Bundesgesundheitsministerium.

Was ist vom „Pakt für den ÖGD“ gut zweieinhalb Jahre später umgesetzt?

Teichert: Mithilfe des Bundes haben die Länder das ambitionierte Ziel, bis Ende 2021 1.500 neue unbefristete Stellen in den Gesundheitsämtern zu schaffen und zu besetzen, bereits übertroffen. Damit haben wir schon jetzt eine nachhaltige und langfristige Stärkung des ÖGD erreicht. In den nächsten Jahren werden weitere 3.500 Stellen hinzukommen. Im Bereich Digitalisierung wurden sowohl Einzelprojekte angestoßen als auch notwendige Finanzierungsvoraussetzungen geschaffen. IT-Anwendungen wie das Deutsche Elektronische Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (Demis) oder die Kommunikations- und Kollaborationsplattform Agora wurden ebenfalls bereits deutlich weiterentwickelt und stehen den Gesundheitsämtern zur Verfügung. Grundsätzlich sind die Paktziele nachhaltig angelegt. Die langfristige Stärkung und Sicherung des ÖGD als unverzichtbare Säule des Gesundheitswesens sind eine gemeinschaftliche Aufgabe aller Beteiligten.

Wie ist es um eine bundeseinheitliche Software für die Gesundheitsämter bestellt?

Teichert: Wenn wir über Software sprechen, sollten wir zwei verschiedene Ebenen unterscheiden: die Nutzeranwendung und die Infrastruktur. Bei Letzterem wurden durch die Demis-Weiterentwicklung in den vergangenen zwei Jahren im Bereich Infektionsschutz große Fortschritte erzielt. Inzwischen melden alle Labore Sars-CoV-2-Nachweise elektronisch an die Ämter. Anfang nächsten Jahres kommen die übrigen meldepflichtigen Infektionskrankheiten hinzu. Demis ist mittlerweile eng an die Telematik-Infrastruktur angebunden, sodass auch viele Leistungserbringer Testergebnisse melden können. Insofern besteht hier bereits Bundeseinheitlichkeit. Mit SurvNet hat das RKI bereits vor der Pandemie eine Anwendung bereitgestellt, die den Erfordernissen des Infektionsschutzgesetzes Rechnung trägt. Sie wird von den meisten Gesundheitsämtern eingesetzt. Im Pandemieverlauf kam noch das Programm Sormas hinzu, das insbesondere das Kontaktpersonen- und Fallmanagement unter­stützt. In den kommenden Jahren wird es darum gehen, die drei Systeme weiter zu harmonisieren und zu modernisieren.

Wird der ÖGD in die Telematik-Infrastruktur (TI) einbezogen?

Teichert: Schon heute ist es gesetzlich möglich, dass Ärztinnen und Ärzte, die bei einer für den ÖGD zuständigen Behörde tätig sind, zur Erfüllung ihrer Aufgaben über die TI auf Inhalte der elektronischen Patientenakte (ePA) zugreifen. Voraussetzung ist die Anbindung der Behörde an die TI und die Ausstattung der Behörde und der Heilberufler mit den erforderlichen Komponenten, beispielsweise einem ePA-fähigen Konnektor, der Institutionskarte und dem elektronischen Heilberufsausweis.

Thomas Rottschäfer führte das Interview. Er ist freier Journalist mit dem Schwerpunkt Gesundheitspolitik.
Bildnachweis: Bettina Engel-Albustin