Interview

„Informationen gezielt aufbereiten“

Objektiv, aktuell, evidenzbasiert und barrierefrei sollten Gesundheitsinformationen sein, meint Prof. Dr. Stefanie March. Die Gesundheitswissenschaftlerin hat mit ihrem Projektteam 37 internetbasierte Materialien zum Thema Darmkrebs-Früherkennung ausgewertet und sieht Verbesserungsbedarf.

Frau Professorin March, was zeichnet gut aufbereitete Gesundheitsinformationen aus?

Stefanie March: Gesundheitsinformationen sollten auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten, ansprechend gestaltet, gleichzeitig aber auch verständlich und neutral sein. Nutzerinnen und Nutzer müssen nachvollziehen können, woher die Informationen stammen und ob es sich um eine vertrauenswürdige Quelle handelt. Außerdem spielen eine attraktive Gestaltung und ein übersichtlicher Aufbau der Inhalte eine wichtige Rolle. Die Informationen müssen objektiv, aktuell, evidenzbasiert und barrierefrei zugänglich sein. Wenn die Materialien zum Beispiel statistische Zusammenhänge in absoluten Zahlen darstellen, können auch Laien das Ausmaß von Risiken besser beurteilen und somit eher eine informierte Entscheidung treffen.

Porträt von Stefanie March, Gesundheitswissenschaftlerin

Zur Person

Prof. Dr. Stefanie March ist Professorin für Sozialepidemiologie und Gesundheitsberichterstattung im Fachbereich Soziale Arbeit, Gesundheit und Medien an der Hochschule Magdeburg-Stendal.

Sie haben Informationsmaterial zur Darmkrebsfrüherkennung evaluiert. Welche Kriterien haben Sie dabei zugrunde gelegt?

March: Wir haben Transparenz, Textgestaltung, inhaltliche Aspekte, Sprache, Darstellung von Häufigkeiten und statistischen Informationen, Visualisierung sowie Barrierefreiheit berücksichtigt. Gegenstand unserer Analyse waren internetbasierte Materialien von den in Sachsen-Anhalt vorrangig vertretenen Krankenkassen sowie von weiteren Akteuren im Gesundheitswesen, wie beispielsweise Stiftungen und Verbände. Basierend auf den Empfehlungen der Leitlinie Evidenzbasierte Gesundheitsinformation des Deutschen Netzwerkes Evidenzbasierte Medizin e. V. haben wir einen Kriterienkatalog entwickelt, der die Grundlage für die systematische Bewertung bildete.

Wie gut sind die Materialien und Informationen zur Darmkrebsfrüherkennung nach den Ergebnissen Ihrer Evaluation?

March: Die 37 bewerteten Informationsmaterialien zur Darmkrebsfrüherkennung erhielten über alle Kriterien hinweg im Median nur 69 Prozent der Gesamtpunktzahl. Keines der Materialien hatte eine sehr gute Qualität. Insbesondere im Bereich der barrierefreien Gestaltung sehen wir großen Handlungsbedarf. Beispielsweise standen die Medien meist nur in deutscher Sprache zur Verfügung. Meist ließen sich weder der Bild- oder Textkontrast einstellen noch die Schriftgröße verändern, um sie für eine bessere Lesbarkeit anpassen zu können. Zwar war bei 26 Materialien der Zugang in Gebärdensprache gegeben, allerdings nur für allgemeine Informationen wie zum Beispiel zur Nutzung der Webseite. Als zufriedenstellend haben wir die Kriterien Sprache und Textgestaltung beurteilt. Mehr als die Hälfte der Materialien waren beispielsweise in einfachen und kurzen Sätzen abgefasst. Abkürzungen und Fachbegriffe wurden ebenfalls häufig erläutert. Zudem verfügten die Materialien weitestgehend über eine angemessene Textlänge, eine logische Textgliederung und eine angemessene Zeilenbreite.

Wie lässt sich das Informationsmaterial verbessern, um mehr Menschen für die Früherkennung zu gewinnen?

March: Die Auswertung zeigt insbesondere im Bereich der Barrierefreiheit Verbesserungspotenziale. Materialien sollten unter anderem für Menschen mit visuellen, kognitiven und auditiven Beeinträchtigungen gezielter aufbereitet werden. Vor allem digitale Angebote sollten nicht mit einer Informationsflut überfrachtet sein und nur wenige Verlinkungen enthalten. Eine virtuelle Weiterleitung birgt die Gefahr, dass die Nutzerinnen und Nutzer den Überblick und das Interesse verlieren. Die Art und Weise der Textgestaltung, der Einsatz von grafischen Elementen sowie die Informationsstruktur vermitteln den ersten Eindruck, der darüber entscheiden kann, ob Nutzerinnen und Nutzer die Information konsumieren. Dabei gilt das Prinzip: bite, snack, meal – anbeißen, knabbern, essen. Das heißt, eine einprägsame Überschrift in Verbindung mit einer prägnanten Zusammenfassung der Kernaussagen wecken das Interesse, die gesamte Information aufzunehmen.

Änne Töpfer führte das Interview. Sie ist verantwortliche Redakteurin der G+G.
Bildnachweis: Hochschule Magdeburg-Stendal