Porträt
Kommentar

Pflege im Teufelskreis

Bei der Pflege hapert es an allen Ecken und Enden. Doch viele Probleme sind hausgemacht. Die Politik muss nun endlich den großen Wurf wagen, meint Jürgen Klöckner.

Erst kürzlich wurde wieder deutlich,

dass die Pflege in einem Teufelskreis steckt. Im Mai stellte die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung eine Studie vor, deren Inhalt eigentlich sehr erfreulich ist. Mindestens 300.000 frühere Vollzeit-Pflegekräfte wären bereit, wieder in ihren Job zurückzukehren. Das wäre ein gewaltiges Pfund gegen den Fachkräftemangel in der Branche, den die Bertelsmann-Stiftung auf 500.000 Vollzeitkräfte schätzt.

Welchen Preis die potenziellen Rückkehrer haben, führte die Studie auch auf, beispielsweise bessere Bezahlung, verlässliche Arbeitszeiten und mehr Zeit für menschliche Zuwendung. Das konnte niemanden überraschen, die Probleme sind seit Jahren bekannt – und wirklich verbessert hat sich nichts. Der Teufelskreis geht ungefähr so: Die Pflegeeinrichtungen klagen über mangelnde Fachkräfte, die Pflegekräfte über schlechte Arbeitsbedingungen, die wiederum Geld kosten, das wegen der unterfinanzierten Pflegeversicherung und der jetzt schon hohen Eigenanteile nicht da ist, um Fachkräfte einzustellen, die wiederum die Personalnot abschreckt.

Ein ganzheitlicher Ansatz bei der Pflege muss her.

Führt die Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach zu weniger Klinikbetten, kann das die Pflegekräfte entlasten. Ohne die Finanzierungsfrage zu klären, sind solche Stellschrauben allerdings wohlfeil. Die Kosten auf Angehörige und Pflegebedürftige abzuwälzen, kann weder politisch noch gesellschaftlich gewollt sein – die in der gesetzlichen Krankenversicherung wahrscheinlichen Beitragserhöhungen sind sowieso schon ein gewaltiges Ärgernis für alle, die unter den steigenden Kosten etwa bei Lebensmitteln und Energie leiden.

Der ganzheitliche Ansatz ist zu einer Floskel geworden, in der Pflege wäre er angesichts dieser Komplexität allerdings angebracht. Dort sind ein dramatischer Fachkräftemangel, teils unzumutbare Arbeitsbedingungen, überbordende Kosten für Pflegebedürftige und Angehörige und eine marode Finanzierung der Versicherung viele Seiten eines einzigen Problems – nämlich, dass sich die Politik bislang vor einer grundlegenden Reform gedrückt hat. Es stimmt, dass solche politischen Großmanöver schwierig sind. Das System ist allerdings so heruntergewirtschaftet, dass es ohne nicht mehr geht. Die Politik kann noch Jahrzehnte an den Symptomen herumdoktern. Oder sie kann endlich den großen Wurf wagen.

Jürgen Klöckner ist Korrespondent für Gesundheitspolitik beim Handelsblatt.
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