Wenn die Straße Spielraum bietet, wächst die Gesundheit im Quartier.
Prävention

Gesundheit liegt vor der Haustür

Wo Menschen wohnen und wie ihre Umgebung gestaltet ist, hat Einfluss auf ihr körperliches und seelisches Wohlbefinden. Die AOK Niedersachsen unterstützt daher Projekte, in denen Quartiersentwicklung und Gesundheitsförderung zusammenfließen. Von Änne Töpfer

Eine stark befahrene Straße

in Hildesheim wird so umgebaut, dass die Aufenthaltsqualität steigt. In Leer motivieren ehrenamtliche „Buddys“ vereinsamte Menschen, an Aktivitäten im Stadtteilzentrum teilzunehmen. In Braunschweig verbessern Anwohner im Nachbarschaftsgarten ihre Gesundheitskompetenz. Im Rahmen des 2020 aufgelegten Programms „Gesundheit im Quartier“ fördert und finanziert die AOK Niedersachsen diese und fünf weitere Projekte. „Damit bringen wir die Energien der Quartiers­entwicklung und der Gesund­heits­förderung zusammen“, sagte Holger Wohne anlässlich der Präsentation der Projekte in Hannover. „Der Gedanke funktioniert auch in der Umsetzung. Das macht Mut, das Programm an weiteren Orten möglich zu machen“, so der Leiter des Bereichs Prävention und Gesundheitsmanagement bei der niedersächsischen Gesundheitskasse.

Vergessene Zielgruppen erreichen.

Zu den Kooperationspartnern des Programms gehört neben der Landesarbeitsgemeinschaft Soziale Brennpunkte Niedersachsen das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz. Stefanie Nöthel, Abteilungsleiterin Städtebau und Wohnen, unterstrich die Bedeutung der Quartiere für die Gesundheit. Sie betonte den Wert der Vernetzung und nannte als Beispiel das „Bündnis für gute Nachbarschaft Niedersachsen“. Solche Bündnisse vermittelten gute Chancen, Geld zu mobilisieren. „Wenn der soziale Rechtsstaat unter Beweis stellen will, dass er Probleme lösen kann, muss er das Geld in die Hand nehmen“, so Nöthel.

Warum eine Verzahnung von Gesund­heits­förderung und Quartiersentwicklung sinnvoll ist, skizzierte Landschaftsplanerin Christa Böhme vom Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin. Ein Quartier umfasse etwas „zwischen Baublock und Stadtteil – einen Raum, in dem sich Bewohnerinnen und Bewohner zu Hause fühlen“. Quartiersentwicklung geschehe anlassbezogen sowohl bei Neubau oder im Bestand. Sie sei konzeptionell unterlegt, intersektoral und laufe langfristig, sei partizipativ und aktivierend. Im Fokus stünden sozial benachteiligte Quartiere. „Es gibt viele Überschneidungen mit der Gesund­heitsförderung“, so Böhme. Doch das Setting Quartier sei komplexer und diffuser als beispielsweise Schule oder Kita.

Böhme geht von „hoher gesundheitlicher Relevanz der Quartiere“ aus: „Hier erreichen wir vergessene Zielgruppen, wie Arbeitslose, Ältere oder Migrantinnen und Migranten.“ Neben klassischen Handlungsfeldern der gesundheitsfördernden Quartiersentwicklung wie Mobilität, Wohnen oder Wohnumfeld sieht Böhme „neue integrierte Handlungsfelder wie Klimaanpassung und Umweltgerechtigkeit“. Sie empfahl, die Klimaanpassung in den Leitfaden Prävention der Krankenkassen aufzunehmen.

Angstraum umgestalten.

Die Kriterien dieses Leitfadens müssen auch Projekte beachten, die einen Antrag auf Förderung im Programm „Gesundheit im Quartier“ stellen. Sabrina Weitemeier und Britta Kenter von der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen sind mit der Koordination des Programms beauftragt und beraten Antragstellerinnen und Antragsteller. Weitemeier lud zu einer „Digitalen Ideenwerkstatt“ ein, die am 7. November stattfinden wird. Ein Antrag auf Förderung sei noch bis Mai 2023 möglich. Holger Wohne von der AOK Niedersachsen betonte: „Wir freuen uns auf neue, weitere Ideen aus den Quartieren.“

Zu den Projekten, die bereits von der Förderung profitieren, gehört „Bewegung.Spiel.Raum.“. In der Hildesheimer Nordstadt, einem Quartier mit beengtem Wohnraum, werden die Justus-Jonas-Straße und ein abzweigender Fußweg verkehrsberuhigt und mit Spielgeräten ausgestattet. Ideen für die Umgestaltung sammelt Monika Kitzmann, Gesundheitsmanagerin im Stadtteilbüro, beispielsweise bei den Eltern, die Kinder in zwei angrenzenden Grundschulen und einer Kita haben. „Der Schwarze Weg war ein Angstraum“, erzählt Kitzmann. Mit Mitteln der Städtebauförderung hat er an Aufenthaltsqualität gewonnen und heißt nun „Bunter Weg“. Ähnliches ist für die Justus-Jonas-Straße geplant.

Änne Töpfer ist verantwortliche Redakteurin der G+G.
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