Enge in der Brust kann auf eine Koronare Herzkrankheit hindeuten.
Gesundheitsatlas

Herzen unter Druck

Wo viele Menschen mit Bluthochdruck leben, häuft sich auch die Koronare Herzkrankheit. Das zeigt der aktuelle Gesundheitsatlas aus dem Wissenschaftlichen Institut der AOK. Daraus ergeben sich Möglichkeiten der Prävention. Von Dr. Katrin Schüssel und Henriette Weirauch

Die Koronare Herzkrankheit (KHK)

ist weltweit die häufigste Todesursache. Auch in Deutschland stirbt etwa jeder achte Mensch an den Folgen dieser Erkrankung. Im europäischen Vergleich ist die Sterblichkeit leicht überdurchschnittlich und insbesondere im Vergleich zu westeuropäischen Ländern erhöht. Hierzulande sind insgesamt 4,9 Millionen Menschen an KHK erkrankt. Dies entspricht 8,3 Prozent der Bevölkerung ab 30 Jahren.

Verursacht wird die KHK durch atherosklerotische Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen. In der Folge verringert sich der Blutfluss durch den Herzmuskel und es entsteht ein Missverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und -angebot. Im akuten Zustand spüren Patientinnen und Patienten dies als Angina-pectoris-Anfall oder schlimmstenfalls als Herzinfarkt. Typische Symptome sind ein Gefühl von Enge oder Druck in der Brust, Luftnot und Schmerzen hinter dem Brustbein. Daneben können unspezifische Zeichen wie Schweißausbrüche und Übelkeit vorkommen. Die Krankheit schädigt das Herz langfristig. Eine Herzschwäche (Herzinsuffizienz), Herzrhythmusstörungen oder ein plötzlicher Herztod können die Folge sein.

Große regionale Unterschiede ermittelt.

Wo die KHK mit welcher Häufigkeit auftritt, zeigt der neue Gesundheitsatlas aus dem Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO). Nach Ergebnissen der WIdO-Analyse unterscheidet sich die Häufigkeit der KHK zwischen den Bundesländern deutlich. Eine besonders niedrige Krankheitshäufigkeit weisen Hamburg (6,3 Prozent) sowie Baden-Württemberg und Bremen (jeweils 7,1 Prozent) auf. Den höchsten Anteil an KHK-Patientinnen und -Patienten hat Sachsen-Anhalt mit 13 Prozent, gefolgt von Thüringen (10,8 Prozent). Unter den 401 Kreisen und kreisfreien Städten kommt KHK am häufigsten im Landkreis Anhalt-Bitterfeld (16,1 Prozent) vor.

Hierzulande haben insgesamt 4,9 Millionen Menschen eine Koronare Herzkrankheit.

Der niedrigste Wert findet sich in München (5,5 Prozent). Die Spanne der regionalen Unterschiede beträgt damit mehr als das 2,5-Fache. Nach einer Alters- und Geschlechtsstandardisierung unter Berücksichtigung der regional unterschiedlichen demografischen Strukturen bleiben die Unterschiede im Wesentlichen bestehen: Die Spanne reicht dann von 5,5 Prozent in Starnberg bis zu 14,3 Prozent im Landkreis Anhalt-Bitterfeld.

Männer erkranken häufiger als Frauen.

Die Häufigkeit der KHK steigt mit dem Alter an. In den Altersgruppen bis 49 Jahren leiden weniger als zwei Prozent an einer KHK. Demgegenüber haben in den Altersgruppen ab 85 Jahren bis zu 41 Prozent der Männer und 28 Prozent der Frauen die Diagnose erhalten.
 
Aufgrund des deutlichen Anstiegs der KHK-Häufigkeit mit dem Alter fokussieren die Zahlen des Gesundheitsatlas daher auf die Bevölkerung ab 30 Jahren. Männer sind in allen Altersgruppen deutlich häufiger betroffen als Frauen. Dieser Geschlechtsunterschied ist vor allem auf biologische Faktoren zurückzuführen. Aber auch geschlechterspezifische Unterschiede beim Rauchverhalten und weiteren Risikofaktoren spielen eine Rolle.

Rauchen ist ein wichtiger Risikofaktor.

Das Rauchen rangiert nach den Berechnungen der Global Burden of Disease-Studie in Deutschland auf Platz vier der wichtigsten Risikofaktoren für KHK – hinter Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen (erhöhtem LDL-Cholesterin) und Diabetes. So liegt auch der Anteil der KHK-Erkrankten in Regionen, in denen laut Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes besonders viele Raucherinnen und Raucher leben, bei 9,3 Prozent. In Regionen mit wenigen Rauchenden haben dagegen nur 7,4 Prozent der Bevölkerung ab 30 Jahren eine KHK. Rauchverzicht ist als allgemeine Präventionsmaßnahme zur Vermeidung von KHK-Erkrankun­gen sinnvoll. Auch für bereits Erkrankte lohnt es sich, das Rauchen aufzugeben, um einem Herinfarkt vorzubeugen.

Bluthochdruck spielt die größte Rolle.

Bluthochdruck (Hypertonie) stellt einen der wichtigsten Risikofaktoren für KHK dar. Dementsprechend zeigen die regionalen Analysen des Gesundheitsatlas auch eine deutliche Korrelation: In den Regionen mit einem geringen Anteil an Menschen mit Bluthochdruck beträgt die Prävalenz der KHK lediglich 6,7 Prozent. In den Gebieten mit vielen Hypertonie-Patientinnen und -Patienten liegt sie dagegen im Schnitt bei 11,2 Prozent (siehe Grafik „Regionaler Vergleich: Bluthochdruck korreliert mit KHK“). Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Typ-2-Diabetes: In Regionen mit geringen Diabetes-Fallzahlen liegt der KHK-Patientenanteil bei 6,6 Prozent, in Regionen mit hohem Diabetes-Aufkommen bei 11,2 Prozent.

Der Gesundheitsatlas des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) liefert Daten zur Verbreitung von Volkskrankheiten mit hohem Präventionspotenzial. Zudem bietet er Informationen zur Entstehung und Prävention dieser Erkrankungen. Ein alters-, geschlechts- und morbiditätsadjustierendes Hochrechnungsverfahren erlaubt auf Basis der Abrechnungsdaten der mehr als 27 Millionen AOK-Versicherten zuverlässige Aussagen zu Krankheitshäufigkeiten in der Gesamtbevölkerung bis zur lokalen Ebene.
 
Derzeit stehen Berichte zu Diabetes mellitus Typ 2, zu Asthma bronchiale, zur chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) und zur Koronaren Herzkrankheit (KHK) zur Verfügung.


 Kostenlose Downloads beim Gesundheitsatlas Deutschland

Geeignete Präventionsangebote zur Verringerung der Häufigkeit dieser kardiovaskulären Risikofaktoren und – sofern die Erkrankungen bereits aufgetreten sind – zur optimalen Therapie von Bluthochdruck und Diabetes können dazu beitragen, regionale Unterschiede der KHK-Häufigkeit zu verringern.

Sozioökonomische Einflüsse erfasst.

Auch die regionale Sozialstruktur steht mit der KHK-Häufigkeit in Zusammenhang. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass materiell und sozial benachteiligte Menschen häufiger an KHK erkranken als Menschen mit einem hohen sozioökonomischen Status. Dies zeigt sich auch im Vergleich der Regionen: In Gebieten, die nach dem Deprivationsindex des Robert-Koch-Instituts einen Mangel an materiellen und sozialen Ressourcen unter Berücksichtigung von Faktoren wie Einkommen, Beschäftigung oder Bildung aufweisen, leben auch überdurchschnittlich viele KHK-Patientinnen und -Patienten. In diesen ökonomisch und sozial benachteiligten Regionen liegt der Anteil der Erkrankten bei 10,6 Prozent. Dagegen sind in Regionen, die die beste materielle und soziale Ausgangssituation haben, nur 6,8 Prozent der Einwohner an KHK erkrankt. Regional unterschiedliche Alters- und Geschlechtsstrukturen erklären diesen Unterschied nur zum Teil. Vermutlich spielen hier auch psychosoziale Faktoren, Arbeits- und Lebensbedingungen eine Rolle.

Behandlungsprogramme nutzen.

Die KHK ist eine chronische Erkrankung. Eine aktive Mitwirkung der Patienten an der Behandlung ist für optimale Ergebnisse notwendig. Daher spielen langfristig angelegte Versorgungskonzepte wie die Disease-Management-Programme (DMP) eine wichtige Rolle. Patientinnen und Patienten sollten mit ihren Hausärztinnen und -ärzten eine mögliche Teilnahme an einem DMP klären.

Regionaler Vergleich: Bluthochdruck korreliert mit KHK

Bluthochdruck (Hypertonie) zieht KHK nach sich – das zeigt ein regionaler Vergleich aus dem Gesundheitsatlas des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Demnach liegt in Regionen mit vielen Bluthochdruck-Patientinnen und -Patienten der Anteil der KHK-Erkrankten in der Altersgruppe ab 30 Jahren bei 11,2 Prozent. In Regionen mit dem niedrigsten Anteil an Bluthochdruck-Patientinnen und -Patienten haben hingegen nur 6,7 Prozent der Menschen eine KHK.

Quelle: WIdO, Gesundheitsatlas KHK, 2022

In der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass KHK-Patientinnen und -Patienten zur Risikogruppe für einen schweren Covid-19-Verlauf gehören. Daher sind für diese vulnerable Gruppe in Zeiten hoher Corona-Inzidenzen ein vorbeugender Infek­tions­schutz durch das Einhalten der AHAL-Regeln (Abstand, Hygiene, Maske und Lüften) sowie die Covid-19-Impfungen äußerst wichtig.

Herzgesunde Lebensweise fördern.

Die Häufigkeit der KHK ließe sich verringern, indem eine herzgesunde Lebensweise bereits im jüngeren Lebensalter gefördert wird. Ein besonderes Augenmerk sollte der Risikofaktor Rauchen bekommen. Verantwortliche in den Regionen können durch Informationen zur schädigenden Wirkung des Tabakkonsums bereits im Kindes- und Jugendalter präventiv ansetzen, um die Verbreitung der KHK in der Zukunft einzudämmen. Auch ausreichende Bewegung und gesunde Ernährung schützen das Herz, weil sich so der Entstehung von Bluthochdruck und Typ-2-Diabetes als Risikofaktoren für KHK vorbeugen lässt.

Katrin Schüssel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich Integrierte Daten und Analysen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO).
Henriette Weirauch ist dort ebenfalls als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig.
Bildnachweis: iStock.com/dragana991