Neues aus der Uni

„Politik sollte wissenschaftliche Expertise einbeziehen“

In der Rubrik „Neues aus der Uni“ stellt G+G-Digital Institute und Lehrstühle vor. Dieses Mal mit drei Fragen an Prof. Dr. Tanja Pommerening, Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Geschichte der Pharmazie und Medizin (in Gründung) an der Philipps-Universität Marburg.

Frau Professor Pommerening, was ist derzeit Ihre wichtigste wissenschaftliche Fragestellung?

Tanja Pommerening: Für ein umfassendes Verständnis von Pharmazie und Medizin ist ein Bewusstsein für Konzepte von Mensch und Natur und deren Wechselwirkungen unverzichtbar. Auf Grundlage historischer Quellen, seien es Rezepte oder materielle Zeugnisse, verdeutlichen wir die Vielfalt von Wegen des Wissensgewinns, beispielsweise bei der Arzneimittelfindung, setzen uns aber auch mit ethischen Dilemmas bei der Forschung am Menschen auseinander, die sich zum Beispiel in unserer anatomischen Sammlung konkretisieren.

Porträt von Tanja Pommerening, Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Geschichte der Pharmazie und Medizin (in Gründung) an der Philipps-Universität Marburg

Zur Person

Prof. Dr. Tanja Pommerening studierte Pharmazie, Naturwissenschaftsgeschichte und Ägyptologie an der Universität Marburg, wo die approbierte Apothekerin auch promovierte. Von 2010 bis 2020 lehrte sie als Professorin für Ägyptologie an der Universität Mainz. Seit Oktober 2020 ist sie Professorin für Geschichte der Pharmazie und Medizin an der Philipps-Universität Marburg, Direktorin des Instituts für Geschichte der Pharmazie und Medizin (in Gründung) und Leiterin der medizinhistorisch-anatomischen Sammlung.

Wie fördern Sie die Kooperation wissenschaftlicher Disziplinen und die Netzwerkbildung?

Pommerening: In der Wissenschaftsgeschichte treffen natur-, geistes- und sozialwissenschaftliche Inhalte und Herangehensweisen zusammen – somit sind interdisziplinäre Netzwerke für erfolgreiches Arbeiten zwingend. Wir forschen und lehren in zwei Fachbereichen, Pharmazie und Medizin. Daneben sind unter unseren Mitarbeitenden auch die Geschichte, verschiedene Philologien und weitere Fachgebiete vertreten. Darüber hinaus kooperieren wir eng mit weiteren Disziplinen, etwa der Physik und der Biologie oder den Religions- und Islamwissenschaften, auch international.

Ist die Politik gut beraten, wenn sie auf die Wissenschaft hört?

Pommerening: Gerade angesichts gegenwärtiger Auseinandersetzungen um Deutungshoheit im Gesundheitswesen sollte die Politik wissenschaftliche Expertise unbedingt in ihre Entscheidungsprozesse einbeziehen. Die Geschichte der Pharmazie und Medizin hilft dabei, gegensätzliche Vorstellungen von Krankheit und Therapie greifbar zu machen, um zu pragmatischen Lösungsmöglichkeiten für die anstehenden gesellschaftlichen Konflikte beizutragen.

Silke Heller-Jung führte das Interview. Sie hat in Frechen bei Köln ein Redaktionsbüro für Gesundheitsthemen.
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