Interview

„Die lokalen Strukturen stärken“

Die Corona-Pandemie war ein Stresstest für das Robert Koch-Institut (RKI). Um für eine nächste Krise gewappnet zu sein, setzt RKI-Präsident Lothar H. Wieler auf starke Strukturen vor Ort und auf eine effizientere Datenauswertung durch Künstliche Intelligenz.

Herr Professor Wieler, wie hat sich die Arbeit des RKI durch die Pandemie verändert?

Lothar Wieler: Die Ressourcen des RKI sind über viele Jahre vernachlässigt worden. Das hat sich durch die Pandemie geändert. So lassen sich jetzt Strukturveränderungen umsetzen, die wir schon nach meiner Amtsübernahme 2015 geplant, eingeleitet und auch während der Pandemie kontinuierlich vorangetrieben haben. Das betrifft vor allem drei große Themen: die Digitalisierung, die internationale Zusammenarbeit und die Forschung im Bereich Künstliche Intelligenz.

Porträt von Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts

Zur Person

Prof. Dr. Lothar H. Wieler ist seit März 2015 Präsident des Robert Koch-Instituts. Zum 1. April verlässt der Fachtierarzt für Mikrobiologie auf eigenen Wunsch das RKI, um sich neuen Aufgaben in Forschung und Lehre zu widmen.

Eines meiner wesentlichen Anliegen war es, unsere Arbeit effizienter zu machen, vor allen Dingen im Bereich der IT und zentralen Datenverarbeitung. Es ist uns gelungen, durch Umorganisation – initial ohne jegliche Zusatzmittel – bessere Ergebnisse mit denselben Ressourcen zu erzielen. Aber inzwischen stehen uns auch zusätzliche Ressourcen zur Verfügung. Unser neuester Zugewinn ist das Zentrum für Künstliche Intelligenz in der Public-Health-Forschung. Das hebt uns in der Datenauswertung und Prognostik auf ein ganz neues Niveau.

Es war schon lange klar, dass es eine Pandemie geben würde. Deshalb haben wir mit zusätzlichen Ressourcen unter dem Dach des RKI ein Zentrum für internationalen Gesundheitsschutz aufgebaut. Das ist glücklicherweise 2019 aktiv geworden, kurz vor der Pandemie. Das hat uns sehr geholfen, weil wir unsere Expertise auch im Ausland zur Verfügung stellen konnten – und natürlich auch von anderen Ländern lernen. Das RKI hat mehr als 70 Länder während der Pandemie unterstützt.

Sie haben am 11. Januar bekanntgegeben, dass Sie das Präsidentenamt abgeben wollen, um sich neuen Aufgaben in Lehre und Forschung zu widmen. In der gemeinsamen Erklärung mit Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach haben Sie betont, dass die Unabhängigkeit der Forschung auch zukünftig akzeptiert werden müsse. Denn sie sei unabdingbar, damit das RKI seine Aufgaben erfüllen könne. Kann man daraus im Umkehrschluss schließen, dass Sie sich um die Unabhängigkeit des Instituts Sorgen machen?

Wieler: Als zentrales Ressortforschungsinstitut des Bundes auf dem Gebiet der anwendungs- und maßnahmenorientierten biomedizinischen Forschung hat das Forschungsspektrum einen klar definierten Rahmen. Aber die Wahl der Forschungsmethoden und die Auswertung der erhobenen und analysierten Daten, die ist unabhängig. Ich habe in den letzten Jahren immer wieder die Erfahrung gemacht, dass bei manchen Diskussionen auch Selbstverständlichkeiten in Vergessenheit geraten können, daher betone ich das gerne nochmals.

Sie waren vor allem im ersten Pandemie-Jahr neben Jens Spahn und Christian Drosten das Gesicht der Krise. Erst gefeiert, dann oft kritisiert und sogar angefeindet. Wie haben Sie das empfunden?

Wieler: Zunächst mal ist konstruktive Kritik Teil jedes Jobprofils. Wenn man sich auf eine solche Stelle bewirbt, weiß man, dass es Krisen geben kann. Aber die Anfeindungen, die nicht nur wir, sondern auch andere erlebt haben, hätte ich so nicht erwartet, weil sie im Ton extrem aggressiv waren. Ich hätte mir mehr Diskurs gewünscht. Es gab aber in der Regel nur Schwarz-Weiß-Diskussionen. Bei unseren Pressebriefings zu Beginn der Krise ging es um Evidenz und Faktenvermittlung. Das wurde durch die zunehmende Zahl der Stimmen schwerer. Es gab eine regelrechte „Infodemie“, die es den Menschen erschwert hat, Informationen einzusortieren. Auch für die Politik wurde es schwieriger, den richtigen Weg zu finden.

Haben Sie sich das Ausmaß der Verschwörungstheorien vorstellen können?

Wieler: Es gibt viel Unsicherheit, wenn man am Anfang wenig über den Erreger weiß. Im Laufe der Pandemie kommen viele neue Informationen hinzu. Das ist das Wesen der Wissenschaft: Man falsifiziert und verifiziert. Es ist extrem schwierig, das immer gut zu erklären. Die Menschen können das Virus nicht sehen, nicht riechen, sie schmecken es nicht. Dass ein kleiner Teil dann aus Unsicherheit oder Angst in irgendwelche Ideen abdriftet, ist psychologisch nachvollziehbar. Dann bilden sich auch Gruppen aus richtigen Leugnern und Verschwörern, die denken, dass sie mehr wissen als andere. Und natürlich gibt es auch Kräfte, die ganz gezielt Desinformation streuen – aus welchen Gründen auch immer. Wir müssen diese Gruppen schon getrennt betrachten. Aber die massive Art und Weise, wie das ab Sommer/Herbst 2020 zunahm, hätte ich nicht erwartet.

Wann kippte die Stimmung Ihrer Ansicht nach?

Wieler: Wir hatten es in der zweiten Jahreshälfte 2020 mit einem Präventionsparadoxon zu tun. Durch den ersten Lockdown konnten wirklich viele Infektionen verhindert und viele Menschenleben gerettet werden, obwohl es noch keine Medikamente und keinen Impfstoff gab. Mit diesen Eindämmungs-Maßnahmen wurde Schlimmeres verhindert. Weil das Schlimme dann nicht eintrat, wurde gesagt: „Es ist doch gar nichts gewesen.“ Das hat natürlich Verschwörungstheorien verstärkt.

Im Nachhinein betrachtet, ist vor allem die Impfstoff-Entwicklung irrsinnig schnell gelaufen. Trotzdem gab es große Unzufriedenheit. Sind die Erwartungen zu hoch?

Wieler: Es stimmt, es ging fast alles unglaublich schnell. Die Tests, die auf den Markt kamen. Auch die Impfstoffe: Die Kosten-Nutzen-Effekte sind großartig. Die Effektivität ist unerwartet hoch. Aber es war von vornherein klar, dass nicht alle Menschen an dem Tag geimpft werden können, an dem die Impfstoffe da sind. Das ist logisch. Doch kaum waren sie da, gab es von vielen Gruppierungen Kritik: Das dauert zu lange. Warum verzögert sich das? Wir wollen als Erste geimpft werden. Und so weiter. Dabei war eigentlich alles gut vorbereitet: STIKO, Ethikrat und Leopoldina haben schon in ihrem gemeinsamen Papier im Herbst 2020 darauf hingewiesen, dass priorisiert werden muss.

Was ist schiefgelaufen?

Wieler: Wenn alle Beteiligten ihre Verantwortung wahrgenommen hätten, wenn alle ruhig und konsensual diskutiert hätten, dann wären auch die Erwartungen der Menschen realistischer gewesen. Ich beziehe da die Medien ausdrücklich mit ein. Die Kommunikation spielt eine entscheidende Rolle. Aber das ist nun mal in einem pluralistischen demokratischen Staat mit seinen unterschiedlichen Gruppierungen und verschiedensten Interessen sehr schwierig.

Hat sich der Föderalismus in der Krise bewährt oder hat das Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern geschadet?

Wieler: Ich bin ein Verfechter des Föderalismus. Es gibt lokal so viele unterschiedliche Gegebenheiten, die man zentral gar nicht im Einzelnen regeln kann. Landrätinnen und Landräte oder Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister haben das operative Mandat. Das RKI gibt fachliche Empfehlungen. Wir tun dies stets auf dem verfügbaren Stand des Wissens, aber die Maßnahme-Entscheidung ist Sache der Politik, und die Umsetzung läuft dann vor Ort zum Beispiel über die Gesundheitsämter. Deshalb müssen wir vor allem die Strukturen und die Ressourcen auf der lokalen Ebene stärken.

Wichtig ist vor allem die Verknüpfung von Daten.

Bund und Länder haben inzwischen Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheitsämter eingeleitet. Macht sich das in der Zusammenarbeit mit dem RKI bemerkbar?

Wieler: Die Missstände bezüglich der Digitalisierung und Ausstattung der Gesundheitsämter waren ja lange vor der Pandemie bekannt. Das RKI hat schon 2016 mit dem Aufbau des neuen Meldesystems DEMIS begonnen. Wir hatten zwar den gesetzlichen Auftrag, aber nicht genügend Mittel. Das hat sich jetzt beschleunigt, die Anbindung läuft deutlich besser. Grundsätzlich hat die Zusammenarbeit mit den Gesundheitsämtern aber immer gut funktioniert. Ganz ehrlich: Es ist meist nicht relevant, ob ein Infektionsfall einen Tag früher oder später übermittelt wird. Auch in einer Pandemie reicht es, wenn wir uns die Wochendynamik anschauen. Da hat sich leider eine Anspruchshaltung entwickelt, die fachlich nicht begründet ist.

Aber wir bekommen Informationen ja nicht nur über die Gesundheitsämter. Ärztinnen und Ärzte sowie Labore haben nach dem Infektionsschutzgesetz auch eine Meldepflicht. Und es gibt über 100 Praxisverwaltungssysteme in Deutschland. Auch bei den Krankenhausinformationssystemen gibt es eine große Diversität. Die vielen Softwarelösungen anzubinden, ist ein jahrelanger Prozess. Die Pandemie hat das beschleunigt. Insofern war die Situation noch nie so gut, aber sie ist immer noch nicht bestens.

Wo gibt es vordringlich Handlungsbedarf?

Wieler: Wichtig ist vor allem die Verknüpfung von Daten. Das zeigt exemplarisch die digitale Epidemiologie, die wir im RKI in den vergangenen Jahren und beschleunigt durch die Pandemie endlich ausbauen konnten. Sie ist für einen modernen Infektionsschutz unverzichtbar. Verknüpft werden dabei Sequenzdaten des Erregergenoms, also die Informationen zur Reihenfolge der Bausteine des Erbguts, und auf der anderen Seite die epidemiologischen Daten, die die Gesundheitsämter bei einer Infektion an das RKI übermitteln, zum Beispiel Impfstatus, Erkrankungsbeginn oder Krankenhauseinweisung. Durch die Verknüpfung von Sequenzdaten und Meldedaten können wir biologische Eigenschaften eines Erregers besser einschätzen und Ausbruchsgeschehen sowie Übertragungsketten erkennen und stoppen.

Es wird inzwischen deutlich weniger getestet. Hat das RKI eigentlich noch ein realistisches Bild von der Infektionslage?

Wieler: Die Infektionszahlen sind in Wirklichkeit deutlich höher, es gibt eine Untererfassung. Aber das ist für uns keine Blackbox. Wir wissen ja, dass die Zahl der Testungen auch immer von der jeweiligen Testverordnung abhängt. Und davon, ob jemand zum Arzt geht und ob ein Test angeboten wird oder nicht. Deshalb machen wir schon seit vielen Jahren die sogenannte syndromische Surveillance. Das ist das A und O. Das empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation WHO, das empfiehlt das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, das ECDC.

Worum geht es dabei?

Wieler: Wir haben Methoden etabliert, mit denen wir völlig unabhängig vom Meldewesen auf verschiedenen Ebenen die Krankheitsbelastung in der Bevölkerung permanent im Blick haben. Zu unseren Netzwerken gehören zum Beispiel über 500 Arztpraxen in Deutschland, die uns Proben einschicken und melden, wie viele Patienten mit einer akuten Atemwegserkrankung sie haben, und über 70 Kliniken, die uns ICD-10-Code-basierte Daten zu schweren akuten respiratorischen Infektionskrankheiten übermitteln. Wir beziehen aber auch Bürgerinnen und Bürger direkt mit ein, etwa durch das Citizens-Science-Projekt GrippeWeb. Oder denken Sie an die Datenspende- und die Corona-Warn-App. Das Meldewesen gibt uns wichtige Falldetails und zeigt uns den Trend: Geht es hoch oder runter? Mit den anderen Werten können wir die wahre Belastung und den Schweregrad messen. Eine Untererfassung ist also für uns kein Hindernis, um die Lage einzuschätzen.

Wie schätzen Sie die Corona-Lage derzeit ein?

Wieler: Wir haben Glück, dass jetzt eine Variante unterwegs ist, die eine vergleichsweise geringe Krankheitslast hat. Wer sich mit Omikron infiziert, hat ein deutlich geringeres Risiko, schwer zu erkranken. Und wir haben inzwischen durch die Impfstoffe und viele durchgemachte Infektionen eine gute Immunitätslage, und wir haben Medikamente. Wir gehen davon aus, dass mindestens 97 Prozent der Menschen in Deutschland Kontakt mit dem Virus hatten. Wir sind nicht mehr so nackt wie im ersten Jahr, als vergleichsweise weitgehende Eindämmungs-Maßnahmen notwendig waren, um hunderttausende Leben zu retten.

Während der Pandemie konnte man den Eindruck gewinnen, dass Deutschland in Sachen Forschungsdaten vor allem auf das Ausland angewiesen ist. Hat das geplante Gesundheitsdatengesetz das Zeug zum „Game Changer“?

Wieler: Wir haben in Deutschland sehr viele Daten. Nur liegen diese Daten meist in Silos. Sie sind vor allem nicht rechtzeitig zu haben. Denken sie an die Abrechnungsdaten der Krankenkassen. Die sind zum Beispiel auch sehr wichtig, werden aber immer nur quartalsweise erhoben. Wenn es uns gelingt, die vorhandenen Daten rechtzeitig zu erfassen und in einer Form, in der wir sie abgleichen, modellieren und vergleichen können, dann wäre das schon der Riesendurchbruch.

Auf EU-Ebene nimmt die Gesundheitsunion Formen an. Dazu gehört auch die Aufwertung des ECDC. Wie ist das RKI in die neuen Strukturen eingebunden?

Wieler: Das RKI gehört seit Bestehen des ECDC zu dessen Board. Wir arbeiten eng zusammen. Die Stärke des ECDC hängt davon ab, inwieweit die einzelnen EU-Staaten vor Ort die Strukturen schaffen, um Daten erfassen und liefern zu können. Es muss immer lokal, national, global gedacht werden. Ich kann das immer nur wieder betonen: Wir müssen die lokalen Strukturen stärken. Die supranationalen Einrichtungen sind auf lokale und regionale Informationen und Kapazitäten angewiesen. Und wenn die Empfehlungen von WHO, ECDC oder RKI wegen mangelnder Ressourcen oder mangelnder Kompetenzen vor Ort nicht umgesetzt werden, dann kann auch die stärkste internationale oder nationale Einrichtung nicht genügend Hebelkraft bewirken.

In der Pandemie ist auch die WHO in die Kritik geraten. Besteht aus Ihrer Sicht Reformbedarf?

Wieler: Die WHO ist die Stimme der Vernunft und des Ausgleichs. Das ist eine großartige Organisation, aber sie ist nur so stark, wie ihre Mitgliedstaaten es zulassen. Und die haben teilweise eigene Interessen und dann fehlt die Unterstützung für die WHO. Wenn es Länder gibt, die gar keine Meldestruktur haben, kann die WHO kaum etwas machen. Die Staaten müssen schneller Informationen und Patientenproben austauschen, sie müssen genügend Ressourcen zur Verfügung stellen. Nur so kann die WHO stärker werden.

Die Zoonosen werden zunehmen, also Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden.

Sind wir auf die nächste globale Gesundheitskrise besser vorbereitet?

Wieler: Momentan sind wir sicher besser vorbereitet. Der Informationsaustausch über den von der WHO eingerichteten Hub, zu dessen Gründungsmitgliedern das RKI gehört, verbessert die Informationslage. Es gibt einige Initiativen, darunter auch die Verhandlungen über einen internationalen Pandemie-Vertrag, der die Länder verpflichten würde, bestimmte Vorbereitungen, etwa zur Maskenbeschaffung, zu treffen. Wie nachhaltig das alles ist, vermag ich nicht zu sagen. Klar ist aber: Es wird irgendwann die nächste Pandemie kommen. Und wenn dann wieder alle diese Vorsichtsmaßnahmen runtergedreht und Strukturen abgebaut wurden, wenn dann zum Beispiel wieder nicht genügend Schutzmasken und Schutzkleidung verfügbar sind, wäre das bitter.

Nach der Pandemie ist also vor der Pandemie?

Wieler: Die Wahrscheinlichkeit steigt schon aufgrund des Bevölkerungswachstums mit jetzt acht Milliarden Menschen. Wir haben eine hohe Mobilität, wir nutzen immer mehr Land für Ernährung und Viehzucht, wir zerstören immer mehr die Umwelt, die Artenvielfalt nimmt ab. Dadurch wird es mehr Interaktion zwischen Menschen und noch unbekannten Viren geben. In 20 bis 30 Jahren werden 80 bis 90 Prozent der Menschen in Megacities leben. Dort können sich Erreger wahnsinnig schnell ausbreiten. Daher sollte die Politik weltweit bei der Seuchenbekämpfung viel strategischer handeln.  

Stichwort Klimawandel: Was kommt da außer Hitzewellen und anderen Extremwetterlagen an Gesundheitsgefahren auf uns zu?

Wieler: Beim RKI koordiniert dazu eine eigene Arbeitsgruppe alle Forschungen und verschafft ihnen größere Sichtbarkeit – in erster Linie bezogen auf Infektionskrankheiten. Es ist ganz klar, dass die bakteriellen und viralen Infektionskrankheiten zunehmen werden. Das sagen auch Modellierungen. Infektionskrankheiten werden in mehr Gebieten eine größere Zahl von Menschen bedrohen. Die Zoonosen werden zunehmen, also Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden. Vektorübertragene Krankheiten werden zunehmen – Infektionskrankheiten, bei denen die Erreger durch Mücken oder Zecken übertragen werden, zum Beispiel das West-Nil-Virus. Dadurch, dass sich die Klimazonen verändern, ändert sich auch das Spektrum dieser Vektoren. Es gibt auch Hinweise, dass Mykosen – Pilzerkrankungen – zunehmen. Pilze können sich anscheinend sehr gut an neue Umweltbedingungen anpassen.

Nicht vergessen dürfen wir die Cholera, deren Erreger Robert Koch 1884 gefunden hat, übrigens nachdem der erstmalige Nachweis durch den italienischen Mediziner Filippo Pacini 1854 in Vergessenheit geraten war. Wenn es zu Dürren kommt, wenn es zu Überschwemmungen kommt, dann steigt zum Beispiel in bestimmten Weltregionen die Gefahr, dass sich über verschmutztes Trinkwasser Cholerabakterien ausbreiten. Weltweit haben wir zurzeit mehr als 30 Choleraausbrüche.

Thomas Rottschäfer führte das Interview. Er ist freier Journalist mit dem Schwerpunkt Gesundheitspolitik.
Bildnachweis: RKI/Brauer Photos, J. Reetz