Herausforderungen schnell und flexibel meistern – das gelingt Teams mit agilem Arbeiten besonders gut.
Management

Arbeiten ohne Chef

Die AOK Bremen/Bremerhaven hat sich von den herkömmlichen Hierarchien verabschiedet. Mit der Weiterentwicklung zu einem agilen Unternehmen will die Krankenkasse besser, schneller und flexibler auf vielfältige Herausforderungen reagieren können. Von Jörn Hons

Ihre bisher gewohnte Arbeitswelt

haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AOK Bremen/Bremerhaven im Dezember 2022 ein gutes Stück weit hinter sich gelassen: Die AOK ist seither ein agiles Unternehmen – die Beschäftigten arbeiten in Teams und ohne direkte Vorgesetzte. Was für sie bedeutet, selbstständiger, mit größerer Entscheidungsfreiheit, aber auch mit mehr Verantwortung ihren Aufgaben nachzugehen. Fast zwei Jahre Entwicklungsarbeit im eigenen Haus liegen hinter den Bremern. Eine Mammutaufgabe für die rund 700 Beschäftigten, denn die tägliche Arbeit für 278.000 AOK-Versicherte, 20.000 Arbeitgeber und 2.000 Mediziner, Psychotherapeuten, Pflegedienste oder Kliniken im Bundesland Bremen und der Region durfte darunter nicht leiden.

Silodenken überwinden.

Agil arbeiten ist laut Vorstandschef Olaf Woggan viel mehr, als nur die gewohnten Hierarchien abzuschaffen. „Wir müssen als gesetzliche Krankenkasse darauf reagieren, dass sich die Welt und die Bedingungen, unter denen wir arbeiten, heute schneller und umfassender ändern als wir das bisher gewohnt waren. Das haben nicht zuletzt die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine gezeigt“, betont er. Gleichzeitig sei der Anspruch an eine gute Krankenkasse nicht kleiner geworden: „Mit der agilen Organisation wollen wir die Erwartungen unserer Versicherten und Kunden besser, schneller und umfassender erfüllen.“ Das frühere „Silodenken“ und die Arbeitsweise streng nach zuständigen Abteilungen und Direktionen werde dem nicht mehr gerecht.

Die Mitarbeitenden sollen Verantwortung für ihr Handeln im Team übernehmen.

Ein Kern der agilen Arbeit ist, einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess entstehen zu lassen und am Laufen zu halten. Wenn eine Aufgabe zu viel Zeit kostet, umständlich ist oder in die falsche Richtung läuft, können und sollen die Mitarbeitenden das im neuen Innovations- und Fachteam (IuF) besprechen und mit den Kollegen dort eine bessere Alternative entwickeln. Praktiker sitzen also mit Umsetzungsexperten in einem spontan gebildeten Team zusammen, erarbeiten Lösungsvorschläge, testen sie in der Praxis, entwickeln vielleicht noch Alternativen und schnell eine bessere Lösung als zuvor. Danach gehen sie wieder ihrer alltäglichen Arbeit nach.

Strategieteam ersetzt Direktorenrunde.

Im IuF-Team arbeiten rund 160 von 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. In den Kernprozessteams, die sich zum Beispiel um die Kundenberatung in den Geschäftsstellen, um das Telefonoffice oder das Dokumentenmanagement kümmern, sind etwa 420 Mitarbeitende beschäftigt. Die drittgrößte Gruppe im Haus sind die Unterstützungsteams, die sich um Personal, Informationstechnik oder die Hausverwaltung kümmern. An der Spitze der AOK Bremen/Bremerhaven steht auch künftig Olaf Woggan als Alleinvorstand. Die bisherige Direktorenrunde unter seiner Leitung gibt es nicht mehr. Stattdessen arbeitet hier jetzt ein Strategieteam, bestehend aus dem Vorstand, seinem Stellvertreter und fünf Vorstandsbeauftragten, die sich jeweils in Bewerbungsverfahren durchgesetzt haben. Ihr Fokus liegt auf der strategischen Ausrichtung des Hauses.
 
Dass die praktische Arbeit gut funktioniert, haben wiederum die Prozessinhaber (PI) und Management-Koordinatoren (MK) im Blick. PIs sind für einzelne Prozesse verantwortlich, MKs dagegen für größere Themenbereiche wie Pflege, Kundenexzellenz oder stationäre Versorgung. Beide setzen die Entscheidungen des Strategieteams um. Sie tragen ausschließlich fachliche, keine personelle Verantwortung.

Neue Rollen definiert.

„Agile Coaches“ schulen die Mitarbeitenden in den agilen Methoden, bringen ihnen die neue Meetingkultur näher oder üben agile Arbeitsabläufe ein. „Servant Leader“ sorgen in Zusammenarbeit mit den PIs und den Teammitgliedern dafür, dass die Teams möglichst reibungslos arbeiten. Sie achten darauf, dass Dienste und Vertretungen geregelt sind, dass Dienstreisen oder Urlaube abgesprochen und genehmigt werden. Auch bei Konflikten oder Mobbing werden Servant Leader aktiv. „Kleine Chefs“ sind diese neuen Rollen aber nicht: Die AOK-Mitarbeitenden sollen sich selbst organisieren und Verantwortung für ihr Handeln im Team übernehmen.

Eine agile Testphase im Kundenservice hat die AOK Bremen/Bremerhaven bereits hinter sich – mit nicht nur positiven Ergebnissen. Immerhin: Der Übergang in die agile Arbeitswelt für das gesamte Haus ist dadurch viel reibungsloser und konfliktfreier verlaufen als zunächst befürchtet. Lernen, testen, besser werden: „Wir werden künftig viel flexibler und schneller sein als vorher und damit mehr für unsere Kunden leisten“, ist Woggan überzeugt.

Jörn Hons ist Pressesprecher der AOK Bremen/Bremerhaven.
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